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Aus der Baracke in die eigenen vier Wände

Marcus Lütticke13. September 2013

Asylbewerber werden in Deutschland in der Regel in Sammelunterkünften untergebracht. Die Lebensverhältnisse dort sind oftmals beengt und ohne Privatsphäre. In Leverkusen hat man ein Alternativmodell entwickelt.

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Personen vor dem Asylbewerberheim des Landkreises Vorpommern-Greifswald (Foto: picture-alliance/ZB)
Bild: picture-alliance/ZB

Aus welchem Land er kommt, möchte er nicht sagen, auch nichts zu seiner persönlichen Geschichte und den Gründen für die Flucht. Zu groß scheint die Angst, die falschen Stellen könnten Rückschlüsse auf seine Person ziehen. Nur über die Situation nach seiner Ankunft in Deutschland will er etwas erzählen. Und darüber, wie froh er ist, endlich in einer eigenen Wohnung zu leben.

Ahmed K., nennen wir ihn so, sitzt im Büro des Fachdienstes für Integration und Migration der Caritas in Leverkusen. Die Caritas berät und betreut hier die Flüchtlinge im Auftrag der Stadt. Aktuell sind das etwa 500 Menschen, die in Deutschland Asyl beantragt haben, und nach einem bundesweiten Verteilungsschlüssel der Stadt Leverkusen zugeteilt wurden.

Lioba Engels-Barry, Fachdienstleiterin für Integration und Migration bei der Caritas in Leverkusen (Foto: Marcus Lütticke / DW)
Lioba Engels-Barry von der Caritas unterstützt Flüchtlinge in LeverkusenBild: DW/M.Lütticke

Ahmed K. ist froh, dass er nach Leverkusen geschickt wurde. Seit zwei Jahren ist er nun in Deutschland. Und seit einem Jahr bewohnt er mit seiner vierköpfigen Familie eine eigene Wohnung. "Die Wohnung hat drei Zimmer und 70 Quadratmeter", erzählt er stolz. "Das ist sehr gut."

Massenunterkunft ist die Regel

Was in einem reichen Land wie Deutschland für die meisten Menschen selbstverständlich ist, eine eigene Wohnung, ist für Flüchtlinge keinesfalls die Regel. Im sogenannten Asylverfahrensgesetz heißt es: "Ausländer, die einen Asylantrag gestellt haben und nicht oder nicht mehr verpflichtet sind, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, sollen in der Regel in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht werden. Hierbei sind sowohl das öffentliche Interesse als auch Belange des Ausländers zu berücksichtigen."

Doch ob eine solche Unterbringung im öffentlichen Interesse oder im Interesse des Ausländers liegt, erscheint in vielen Fällen zweifelhaft. Die Zeiten, in denen in Deutschland Asylbewerberheime - teils unter dem Beifall einiger Anwohner - in Brand gesteckt wurden, liegen glücklicherweise lange zurück. Doch die jüngsten Proteste vor dem Flüchtlingsheim in Berlin-Hellersdorf zeigen, dass Sammelunterkünfte auf beiden Seiten Ängste schüren und immer wieder zur Zielscheibe von Rechtsextremisten werden.

Unhaltbare Zustände

Die Stadt Leverkusen hat daher schon vor etwa zehn Jahren entschieden, Flüchtlinge möglichst dezentral in normalen Wohnungen unterzubringen. "Wir hatten damals etliche Übergangsheime, die teilweise in einem völlig desolaten Zustand waren. Wenn sie ein Containerheim haben, in dem 40 oder 50 Menschen wohnen und es nur eine Toilette und eine Dusche gibt, können Sie sich vorstellen, wie unwürdig die Situation war, gerade auch für Familien", berichtet Sozialdezernent Frank Stein.

Frank Stein, Sozialdezernent der Stadt Leverkusen (Foto: privat) Angeliefert von Marcus Lütticke am 8.9.2013.
Frank Stein hat als Sozialdezernent in Leverkusen die dezentrale Unterbringung vorangetriebenBild: Privat

Heute gibt es nur noch ein großes Übergangsheim, in einer eher ländlich geprägten Stadtrandlage. Besonders einladend sieht es hier nicht aus, von außen wirkt vieles alt und ein bisschen heruntergewirtschaftet. Immerhin gibt es einen Kinderspielplatz und eine Bushaltestelle in der Nähe. Aktuell leben hier etwa 300 Menschen, also immer noch die Mehrheit der 500 Flüchtlinge in Leverkusen.

Weniger Geld als Hartz-IV

Auch Ahmed K. hat hier mit seiner Familie ein Jahr gewohnt, bevor er in eine Wohnung ziehen konnte. "Die Gemeinschaftsunterkunft war nicht so gut. Im Zimmer gab es nur kaltes Wasser, Toilette und Dusche musste man sich mit allen Bewohnern auf dem Flur teilen. Für eine Familie war das keine gute Situation."

Parkende Autos und eine Schranke vor dem Flüchtlingsheim Leverkusen Sandstaße. (Foto: Marcus Lütticke / DW)
Wenig einladend: das Gelände des Flüchtlingsheims am Stadtrand von LeverkusenBild: DW/M.Lütticke

"Familien versuchen natürlich schnellstmöglich dort auszuziehen" erklärt Lioba Engels-Barry, Leiterin des Fachdienstes für Integration und Migration bei der Caritas. Etwa ein Drittel schaffe das auch innerhalb eines Jahres. Bei der Wohnungssuche gebe es Unterstützung durch die Caritas. Grundsätzlich seien die Flüchtlinge dafür aber selbst verantwortlich. Keine leichte Aufgabe in der Metropolregion rund um Köln, wo bezahlbarer Wohnraum knapp ist. Als Budget steht den Flüchtlingen etwa 20 Prozent weniger zur Verfügung als Hartz-IV-Empfängern, für eine vierköpfige Familie sind das 442 Euro Kaltmiete.

Geringere Kosten für die Stadt

Für die Stadt hat die dezentrale Unterbringung neben den gesellschaftlichen und humanitären Aspekten auch finanzielle Vorteile, da Sanierungs- und Personalkosten für die Sammelunterkünfte weggefallen sind. "Grob geschätzt haben wir im letzten Jahrzehnt dadurch Aufwendungen in einer Größenordnung von etwa einer Million Euro eingespart", sagt Sozialdezernent Stein.

Ahmed K. und seine Familie haben es nach etwa einem Jahr geschafft, in Leverkusen eine Wohnung zu finden. Seine Deutschkenntnisse, so berichtet er, hätten sich durch den Auszug schon deutlich verbessert. Er habe jetzt Kontakt zu deutschen Nachbarn und könne endlich ein halbwegs normales Leben führen. Wie lange er das kann, ist noch ungewiss. Der Aufenthalt in Deutschland ist momentan für die nächsten zwei Jahre genehmigt, das Asylverfahren läuft noch.