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Aufräumen in Bonn

Thomas Kohlmann 21. August 2002

Der Schuldenabbau und die Zukunft der US-Tochter Voicestream bereiten Helmut Sihler, Interims-Chef der Telekom, Kopfzerbrechen.

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Krisenmanagement auf Zeit. Telekom-Chef Helmut SihlerBild: AP

Rund 3,9 Milliarden Euro Verlust hat der Global Player aus Bonn im ersten Halbjahr 2002 angehäuft. Das ist Rekord – selbst für den Schulden-Champion unter den deutschen Großkonzernen. Und so steht und fällt die Zukunft des deutschen Telekom-Giganten damit, wie schnell er von dem gigantischen Schuldenberg herunterkommen kann.

Das Programm zum Schuldenabbau hatte bereits der vor einem Monat geschasste Ron Sommer eingestiehlt. Danach sollen die derzeit 64,2 Milliarden Euro Telekom-Schulden bis zum Jahresende 2003 auf 50 Milliarden zurückgefahren werden. Wie das geschehen soll und wie realistisch dieses Ziel ist – darüber gehen die Meinungen auseinander.

Neuer Anlauf von Liberty?

Um deutlich Schulden abbauen zu können, muss endlich ein Käufer her für das Telekom-Kabelgeschäft. Den schon sicher geglaubten Verkauf an den US-Medienkonzern Liberty Media für 5,5 Milliarden Euro hatte das Bundeskartellamt im Frühjahr durchkreuzt. Jetzt soll Liberty im Verbund mit anderen Investoren-Gruppen einen neuen Anlauf gestartet haben. Mittlerweile sind aber nicht mehr als 2,5 bis 3,5 Milliarden Euro als Kaufsumme drin, so räumt selbst Helmut Sihler ein.

Für die 40-Milliarden-Euro teure Investitionsruine Voicestream Wireless sind Sihlers Emissäre auf Partnersuche in den USA. Angebliche Kandidaten: die Nummer zwei im US-Mobilfunk Cingular oder AT&T Wireless.

Einziger Trost für die geplagten Telekom-Anleger: Beim Umsatz legten die Bonner um fast 15 Prozent auf 25,8 Milliarden Euro zu und das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) stieg um 7,2 Prozent auf 7,8 Milliarden Euro.

Gigantischer Abschreibungsbedarf

Wer wie die Telekom gigantische Schulden hat, dem fressen Zinsen und Abschreibungen ein gewaltiges Loch in die Bilanz. Wie groß dieses Loch wird – das hängt ganz von der Bilanzierungsart ab, für die sich ein Unternehmen entscheidet. In Deutschland gibt es gleich drei Arten der Bilanzierung zur Auswahl: Die nach dem Handelsgesetzbuch (HGB), die "International Accounting Standards" (IAS), die ab 2005 in der EU gelten sollen, und die "US-Generally Accepted Accounting Principles" (US GAAP).

Deutsche Firmen, die an einer US-Börse gelistet sind, müssen nach amerikanischen Recht in US-GAAP bilanzieren. Konzerne wie Siemens oder SAP sind daher dazu übergegangen, nur noch Bilanzen á la US-GAAP zu veröffentlichen, denn auch die werden in Deutschland akzeptiert. Die Deutsche Telekom gönnt sich den Luxus, ihre Zahlenwerke nach US-GAAP-Spielregeln und nach dem HGB auf den Tisch zu legen. "Dabei kommen völlig unterschiedliche Zahlen heraus"" gibt Marc Osigus von der Berenberg Bank zu bedenken. Der Hamburger Banker hatte im Juni 2001 errechnet, dass – je nach Bilanzierungsmethode - in diesem Jahr statt eines Verlustes von 9 Cent pro Aktie die Telekom einen Gewinn von 43 Cent pro Aktie erreichen könnte. Dreh- und Angelpunkt sind dabei Bewertung und Abschreibungen auf Unternehmenswerte und Investitionen. Dass die Telekom bei der Bewertung ihres Immobilienbesitzes geschummelt oder ihr technisches Anlagevermögen zu hoch bewertet haben könnte, beschäftigt seit langem die Bonner Staatsanwaltschaft.

Dazu prüft der Bundesrechnungshof auch noch die Details des Voicestream-Deals.

Geduldige Zahlen

Wenn ein Fonds-Manager der Deutsche-Bank-Tochter DWS in einem Hintergrundgespräch bekennt, er habe nicht das Know-how, um eine Bilanz auf Herz und Nieren zu prüfen, dann wird auch der Fall der Darmstädter Software AG verständlich.

"Angelsächsische Analysten", so Marc Osigus von der Hamburger Berenberg Bank, "haben von der Rechnungslegung nach dem deutschen HGB in der Regel keinen blassen Schimmer." Im Fall der Software AG führte das im Frühjahr zu massiven Kursverlusten, so Osigus: "Durch mangelnde Kenntnisse der HBG-Bilanzierungs-Spielregeln hatten sie dem Darmstädter Unternehmen vorgeworfen, sie hätten ihre Bücher frisiert."