Lehrerstreik in Polen
31. März 2017An diesem Freitag könnte Polens Regierung an einer unerwarteten "Front" eine Niederlage erleben: In Schulen im ganzen Land wird heute einen Tag lang gestreikt. Monatelang hatte sich Polens Lehrerverband ZNP darauf vorbereitet. Zugleich hat der Verband genügend Unterschriften gesammelt, nämlich 600.000, um ein Referendum über die umstrittene Bildungspolitik der Regierung zu erzwingen. Mit ihrer Schulreform eröffnet die Regierung einen langwierigen Konflikt. Die Lehrer sind im Land eine der am besten organisierten Berufsgruppen. Aus naheliegenden Gründen genießen ihre Anliegen viel Sympathie in der Bevölkerung.
So werden heute, den Ankündigungen zufolge, tausende Lehrer zwar in ihren Schulen sein, aber keinen Unterricht halten. Der Lehrerverband schätzt, rund 40 Prozent der Schulen würden betroffen sein. Auch in der Region Karpatenvorland, wo die treuesten Wähler der nationalkonservativen Regierung leben, werden viele Schulen bestreikt. Selbst das regierungsnahe öffentlich-rechtliche Fernsehen TVP berichtete am Donnerstag ausführlich und fair über die geplanten Proteste.
Das dreijährige Gymnasium wird abgeschafft
Hauptgrund für den Streik ist die Schulreform, die im Herbst in Kraft treten soll. Nachdem 1999 das zweistufige durch ein dreistufiges Schulsystem abgelöst wurde, soll jetzt das alte System wieder eingeführt werden: Es soll wieder eine Hauptschule (acht Jahre) und danach das vierjährige Lyzeum (oder wahlweise Berufsschulen) geben. Das bisher dazwischengeschaltete Gymnasium wird abgeschafft. Die Regierung sagt, dort seien die Lernerfolge mangelhaft gewesen, und die Chancengleichheit habe sich eher zum schlechteren entwickelt. Andererseits haben sich die Ergebnisse der PISA-Studien in Polen deutlich verbessert.
Die Opposition unterstützt die Proteste der Lehrer, wie Katarzyna Lubnauer von der liberalen Partei "Die Moderne" gegenüber der Deutschen Welle erläutert. "Hauptgrund für die Rückkehr zum alten System, wie es in der Zeit der Diktatur geschaffen wurde, ist eine diffuse Sehnsucht: Früher war alles besser." Auch die neuen Lehrinhalte in den Schulen seien ein Grund zur Besorgnis. "Im Moment gibt es nur neue Richtlinien, wonach Werte wie Ökologie, Toleranz, Gewaltenteilung im Unterricht an den Rand gedrängt und dafür mehr Geschichte und Patriotismus vermittelt werden soll." Die neuen Schulbücher werden gerade erst geschrieben.
Umfragen zufolge ist eine Mehrheit der Bevölkerung für die Reform. Aber es gibt auch gute Gründe, dagegen zu sein. Viele Eltern glauben, die Reform sei schlecht und übereilt vorbereitet. Der Verband ZNP behauptet, bis zu 37.000 Lehrer könnten ihre vollen Stellen verlieren und kürzere Arbeitszeiten verordnet bekommen. Er fordert Stellengarantien. Und Gehaltserhöhungen zusätzlich.
Ärger und Mehrausgaben durch die Reform
Für viele wird die Reform, wenn sie durchgezogen wird, viel Ärger und Umstellungen bedeuten. Tausende Schulen müssen geschlossen, erweitert oder verkleinert werden, Lehrer und Schüler werden hin- und hergeschoben. Zwar haben viele Kommunen inzwischen die Anpassungen ihres Schulsystems im Sinne der Reform beschlossen. Manche jedoch mit gemischten Gefühlen, wie etwa die Stadt Zielona Gora (Grünberg) in Niederschlesien.
Dort appellierte der Stadtrat an den Chef der Regierungspartei PiS, Jaroslaw Kaczynski: "Allein in unserer schönen Stadt müssen wir wegen der Reform etwa 20 Millionen Zloty (knapp fünf Millionen Euro) mehr ausgeben als geplant. Das bedeutet, wir müssen diese Mittel aus anderen Bereichen nehmen, von den Parks, den Straßen und Bürgersteigen." Unter "intelligenten Menschen", schreibt der Stadtrat, sei es "kein Makel, sich zu einem Fehler zu bekennen".
Referendum ist wahrscheinlich
Die letzte Hoffnung für die Reformgegner ist das Referendum. Es soll nur eine Frage enthalten: "Sind Sie gegen die Bildungsreform, welche die Regierung zum 1. September einführt?" Da die vorgeschriebenen mindestens 500.000 Unterschriften zusammengekommen sind, muss sich das Parlament mit dem Antrag befassen. Es kann das Referendum kippen. Das wäre allerdings eine Blamage für die Partei PiS, die im Wahlkampf ihren Vorgängern immer wieder vorgeworfen hatte, die Referendumsanträge aus der Bevölkerung "vergessen" zu haben.