Seehofer prüft Abschiebungen nach Syrien
16. November 2018Bundesinnenminister Horst Seehofer ist mit seiner Ankündigung, Abschiebungen nach Syrien nicht mehr grundsätzlich ausschließen zu wollen, auf scharfen Widerspruch gestoßen. "Das ist bei uns im Ministerium in der strengen Prüfung", sagte der CSU-Politiker den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland zu möglichen Abschiebungen von Straftätern und Gefährdern. Seehofers Sprecherin Eleonore Petermann sagte in Berlin, die Länder hätten den Bund in dieser Sache um eine Überprüfung gebeten. Der derzeitige Abschiebestopp nach Syrien gilt noch bis Ende des Jahres.
Die Innenminister von Bund und Ländern wollen bei ihrer Konferenz in zwei Wochen in Magdeburg über die Möglichkeit von Abschiebungen nach Syrien beraten. Der derzeitige Chef der Innenministerkonferenz, Holger Stahlknecht, hat die Bundesregierung ersucht, die Sicherheitslage in Syrien neu zu bewerten. Das steht in einem Beschlussvorschlag Sachsen-Anhalts für die Konferenz.
Neuer Lagebericht eingereicht
Das Auswärtige Amt hat bereits am Dienstag zu Syrien einen neuen Lagebericht vorgelegt. Zu dessen Inhalt wollte sich der Sprecher des Amtes aber nicht äußern, da das Dokument als Verschlusssache eingestuft sei. Es gebe in Syrien ein "komplexes Lagebild", hieß es lediglich. "Das gilt sowohl für die Gebiete unter Kontrolle des Regimes, als für die Gebiete, die unter Kontrolle anderer Kräfte sind." Es sei "nicht leicht" gewesen, Informationen über die Lage in Syrien zusammenzutragen, da Deutschland dort über keine funktionierende Botschaft verfüge. Auch sei es wegen der Sicherheitslage in dem Land auch grundsätzlich "alles andere als einfach, an gesicherte Informationen zu kommen".
Der Geschäftsführer von Pro Asyl, Günter Burkhard, hob hervor, Abschiebungen nach Syrien seien weiterhin "nicht zu vertreten". Er verwies auf Einschätzungen der Vereinten Nationen, wonach nicht nur die Sicherheitslage und die katastrophale Versorgungssituation in Syrien in vielen Regionen gegen eine Rückkehr von Flüchtlingen sprechen. Auch gehe die Regierung von Präsident Baschar al-Assad weiterhin gegen Oppositionelle vor. "Syrien ist nicht sicher", stellte Pro Asyl klar.
"Abschiebungen nach Syrien dürfen nicht stattfinden", betonte auch die Linken-Politikerin Ulla Jelpke. Zum einen sei das Land "immer noch von Bürgerkrieg und Terror zerrüttet". Auch habe Assad "in der Vergangenheit die Bürger terrorisiert, tut dies weiterhin und wird es mit Sicherheit auch in Zukunft tun". Zugleich werde der kurdisch kontrollierte Norden des Landes von der Türkei mit Krieg überzogen. Seehofer habe "offenbar jegliches humanitäre Maß verloren", erklärte Jelpke und forderte den Rücktritt des Ministers.
Unterstützung aus der Union
Rückendeckung erhielt Seehofer dagegen aus der Union. Sachsens Innenminister Roland Wöller (CDU) befürwortet derartige Abschiebungen ebenso wie Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU). "Sofern es die Sicherheitslage erlaubt, müssen Gefährder und Straftäter auch nach Syrien abgeschoben werden können", sagte Wöller dem Redaktionsnetzwerk. Entscheidungsgrundlage werde eine Neubewertung der Situation in Syrien durch das Auswärtige Amt sein. "Mit dem aktuellen Lagebericht werden wir uns auf der Innenministerkonferenz befassen", so der Politiker.
Herrmann hatte bereits kürzlich gesagt: "Gerade was Gewalttäter angeht, haben wir eine sehr sensible Wahrnehmung der Menschen in unserem Land. Bei brutaler Gewalt, bei schwerer Körperverletzung oder bei Vergewaltigung müssen wir auch wieder nach Syrien abschieben, sobald es die Lage zulässt." Wer solche schweren Straftaten begehe, könne nicht ernsthaft erwarten, in Deutschland Schutz und Hilfe zu finden. Auch der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Mathias Middelberg (CDU) erklärte, es sei richtig, die Abschiebung von Schwerstkriminellen und Gefährdern auch für Syrien auf den Prüfstand zu stellen.
kle/stu (afp, epd, dpa, kna)