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Tarifstreit auf dem grünen Hügel

15. Juli 2009

Einen verbindlichen Tarifvertrag - den fordert die Gewerkschaft ver.di von der Festspielleitung auf dem Grünen Hügel. Nach zähen Verhandlungen sieht es so aus, als sei ein drohender Streik abgewendet.

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Katharina Wagner (Foto:dpa)
Bild: picture-alliance/ dpa

Ungerührt stehen die Stadtgärtner vor dem Festspielhaus und schneiden die Hecken. Erst vor einem Jahr bekamen sie als Angestellte der Stadt einen Tarifvertrag. Doch der gelte bis heute nicht, sagt einer. Da kann er die Streikandrohung von ver.di verstehen. Man müsse die "halt irgendwann einmal wachrütteln“, so der Kommentar. In Bayreuth gehe schon länger das Gerücht, dass "die dort oben auf dem Hügel" schon seit Jahren ohne Tarif arbeiten und das bei einer 60-Stunden-Woche.

Alltag hinter den Kulissen

Das Festspielhaus in Bayreuth (Foto: AP)
Das Festspielhaus in BayreuthBild: AP

Während im zweiten Stock des Festspielhauses diskutiert wurde, gingen unten auf der Hauptbühne die Proben wie gewohnt weiter. Am 25. Juli soll sich der Vorhang zur Eröffnungspremiere heben, zahlreiche VIPs haben sich angekündet. Die Anspannung ist im ganzen Haus zu spüren. Darf sich der Vorhang heben oder nicht?

Die Bühnenmitarbeiter, um deren künftigen Lohn es geht, schweigen sich aus. In ihren schwarzen Overalls sind sie fast unsichtbar zwischen den Kulissenbauten. Die meisten stehen seit zehn Uhr auf der Hinterbühne und bereiten die Probenarbeit für den Ring vor. Minutiös folgen sie den Anweisungen der Regie, drehen das Licht in diese oder jene Richtung. Manchmal muss alles sehr schnell gehen, denn die Zeit in Bayreuth erweist sich immer als zu kurz bis zur Premiere. Die Arbeit hier ist intensiv, die ver.di-Vertreter sprechen von unmenschlich. In nur wenigen Wochen muss ein Inszenierungsteam die Produktion stemmen.

Wofür Häuser wie die bayerische Staatsoper Monate haben, müssen in Bayreuth ein paar Wochen reichen. Doch diese intensive Kreativität bis in die Nachtstunden hinein macht genau den Reiz hier oben aus. Die Uhren gehen einfach anders bei den Wagners. Und manchmal bleiben sie auch einfach stehen, wenn es Abend wird und die Inszenierung immer noch nicht klappt. Sollte man dann einfach aufhören, weil es die Gewerkschaftsvertreter so wollen?

Reaktion des Bühnenpersonals

Probe zur Oper "Parsifal" (Foto: AP)
Probe zur Oper "Parsifal", Eröffnungsstück 2008. Dieses Jahr steht "Tristan und Isolde" auf dem Programm.Bild: AP

Das Bühnenpersonal kommt aus ganz Deutschland, viele sind nur für die Zeit der Festspiele in Bayreuth. Noch immer ist es das Prestige hier zu arbeiten, nicht nur unter Beleuchtern oder Kulissenschiebern, auch die Musiker - aus nahezu allen deutschen Orchestern zusammengesucht - verweisen in ihren Biografien gern auf die Einsätze auf dem Grünen Hügel. Dass in der Lohntüte am Ende nicht das übliche Gehalt ist, sondern bis zu 35 Prozent weniger, gehört zu den Nebensächlichkeiten, lassen die Bühnenmitarbeiter nebenbei wissen. Ansonsten - kein Kommentar. Alle hoffen nur, dass es gut ausgeht.

Streik bald vom Tisch?

Wenn es nicht gut ausgeht, sagt Hans Kraft von ver.di, dann gehen in Bayreuth wortwörtlich die Lichter aus. Zuerst wurden die Verhandlungen abgebrochen, die Gewerkschaft drohte mit Streik. Doch jetzt sieht alles danach aus, dass man sich doch einigen wird. Am 22. Juli soll weiter verhandelt werden. Mulmig ist es den meisten Bühnenmitarbeiten trotzdem. Wagnerianer einfach vor der Tür stehen zu lassen, das gab es noch nie im Haus. Umso verbitterter ist auch der Bayreuther Oberbürgermeister Michael Hohl, Geschäftsführer des Stiftungsrates der Bayreuther Festspiele und damit neben dem Bund, dem Freistaat und den Freunden der Festspiele einer der vier Gesellschafter. Mit Sarkasmus gratuliert er der Gewerkschaft: "Sollte tatsächlich der Vorhang unten bleiben, dann wird sich die Gewerkschaft damit überhaupt keine Freunde machen." Man müsse in Bayreuth die besonderen Verhältnisse in Rechnung stellen, sagt Hohl. "Wir sind ein Saisonbetrieb und kein normales Opernhaus, das das ganze Jahr über bespielt wird.“

Gleiches Recht für alle

Wolfgang Wagner mit seiner Tochter Eva Wagner-Pasquier 2008 (Foto: dpa)
Wolfgang Wagner mit seiner Tochter Eva Wagner-Pasquier bei seiner Abschiedfeier 2008Bild: picture-alliance/ dpa

Ursache für das plötzliche Einschreiten von ver.di sind die veränderten Rechtsverhältnisse der Festspiele seit dem Ausscheiden des langjährigen Festspielleiters Wolfgang Wagner im September 2008. Bereits bei Gründung der Festspiel GmbH in den frühen 1970ern war diese Regelung getroffen worden. Statt eines Patriarchen an der Spitze entscheiden jetzt vier öffentliche Institutionen über das kaufmännische Wohl und Wehe auf dem Grünen Hügel. Damit unterscheidet sich das Festspielhaus von Bayreuth rechtlich nicht mehr von anderen öffentlichen Theaterhäusern. Also sollte für die 50 Festangestellten und rund 150 Saisonkräfte auch dieselbe Entlohnung gelten, so ver.di-Vertreter Hans Kraft.

Unterstützung von der Festspielleitung

Grundsätzlich, so lässt es die Festspielleitung wissen, sei man offen für die Verhandlungen. Zur feierlichen Eröffnung am 25. Juli könnte Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer gleich das fehlende Geld mitbringen, ebenso Kanzlerin Angela Merkel und Bayreuths Oberbürgermeister Michael Hohl. Festspielchefin Katharina Wagner bezeichnet die Tarifverhandlungen sogar als längst überfällig. Die Streikdrohungen so knapp vor der Eröffnung seien hingegen wenig hilfreich.

Autorin: Susanne Lettenbauer
Redaktion: Petra Lambeck