Glauben in Deutschland
Lieder wie "Du bist Kirche" hallen durch die Gotteshäuser, aber von Slogans wie diesen fühlen sich immer weniger Menschen in Deutschland angesprochen. Die offiziellen Mitgliederzahlen der beiden großen christlichen Kirchen sinken langsam aber stetig. Der Erzbischof von München, Reinhard Marx, gibt unumwunden zu, dass die Zahl der Kirchenaustritte seit Jahren größer als die der Eintritte. Man könne die Situation "nicht schönreden".
Aus der katholischen Kirche sind beispielsweise 2006 rund 85.000 Menschen ausgetreten. Die Zahl der Eintritte wird mit nur 15.000 beziffert. Ähnlich ist es bei der evangelischen Kirche. Weniger als zwei Drittel aller Bundesbürger sind überhaupt noch Mitglied einer christlichen Glaubensgemeinschaft. Rund 25 Millionen Menschen gehören der katholischen Kirche an, ebenso viele der evangelischen.
Drei Millionen Muslime
Hingegen ist die Zahl der Muslime - der drittgrößten Glaubensgemeinschaft in Deutschland - in den vergangenen Jahren stetig gewachsen. In den 1960er Jahren zählte man noch rund zwei Millionen Menschen, nun sind es mehr als drei Millionen. Mit dem Koordinierungsrat der Muslime in Deutschland existiert seit 2007 auch der lang ersehnte einzige Ansprechpartner, um mehr Rechte wie zum Beispiel schulischen Religionsunterricht flächendeckend durchzusetzen.
Christliche Amtskirchen in der Bredouille
In den christlichen Kirchenzentralen schrillen seit Jahren die Alarmsirenen, auch weil der Mitgliederschwund gleichzeitig geringere Einnahmen über die Kirchensteuer bedeutet. Die katholische Kirche nimmt gerade einmal rund 4,2 Milliarden Euro im Jahr ein, die evangelische sogar nur noch 3,9 Milliarden. Das bedeutet unter anderem: Kirchen schließen, vermieten oder verkaufen. Selbst im Internet werden zahlreiche nicht mehr benötigte Gotteshäuser und Pfarrgebäude angeboten. Ob Konferenzraum oder Konzertsaal, Geschäft oder Restaurant - Möglichkeiten für eine andere Nutzung gibt es genug. Nur vor Moscheen, die derzeit in vielen deutschen Städten entstehen, schrecken die Kirchenoberen zurück.
Der Benedetto-Effekt
Einen Hoffnungsschimmer für die Katholische Kirche gab es 2005: Der Tod des alten Papstes Johannes Paul II., die Wahl des Deutschen Joseph Ratzinger zu seinem Nachfolger und der Weltjugendtag in Köln waren emotionale Momente, die gerade bei der jungen Generation eine Welle der Religiösität auslösten. Manche sahen bereits gar einen "Benedetto-Effekt", der aber nicht für einen dauerhaften Anstieg der Mitgliederzahlen sorgte. Die Nachwuchssorgen sind geblieben.
Kirchentage auf der Suche nach der Ökumene
Und so bleiben die Gläubigen eher unter sich: Jedes Jahr kommen 20.000 bis 30.000 Menschen zum evangelischen Kirchentag oder zum Katholikentag, der abwechselnd zu Pfingsten von den jeweiligen Laienorganisationen veranstaltet wird. Vertreter der Amtskirchen nehmen zwar auch daran teil, beäugen das bunte Treiben aber eher skeptisch.
Denn die Veranstaltungen entsprechen weniger dem Bild einer konservativen Glaubensgemeinschaft. Vielmehr betonen sie die Ökumene, suchen auch mit kleineren Konfessionen in Deutschland wie dem Islam oder der Orthodoxie den direkten Dialog und probieren neue Formen der Religiösität aus. Zu den modernen Tönen zählen zum Beispiel auch politische Debatten oder Diskussionsrunden über Kinofilme. Das ist gerade für junge Leute attraktiver als Gottesdienste der Amtskirchen, die als altmodisch und verstaubt verschrien sind.