Auf der Suche nach einer Nahostpolitik
11. April 2015Seit fast einem Jahr ist der ägyptische Präsident Abdel Fattah al-Sisi im Amt. Nun soll er bald die Bundesrepublik Deutschland besuchen. Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel hatte ihm im März eine Einladung der Bundeskanzlerin überbracht. Damit war die Regierung von ihrer früheren Position abgewichen, dass Parlamentswahlen in Ägypten eine Voraussetzung für einen offiziellen Besuch des Präsidenten seien. Das Parlament war im Jahr 2012 vom Verfassungsgericht aufgelöst worden. Wann Wahlen stattfinden werden ist völlig unklar. In Berlin fragt man sich, ob dieser Sinneswandel einen Schwenk in der deutschen Ägyptenpolitik bedeutet. Dies scheint der Besuch des CDU/CSU-Fraktionsvorsitzenden Volker Kauder in Kairo vor Ostern zu bestätigen. Kauder traf sich in der ägyptischen Hauptstadt mit Präsident Al-Sisi. Im Interview mit der Deutschen Welle begründete er seinen Besuch unter anderem mit wirtschaftlichen Erwägungen. "Die ägyptische Regierung will in nächster Zeit mehr deutsche Investoren ins Land locken", sagte Kauder. Diese Bemühungen sollte man von Seiten der Politik unterstützen.
Kritik an Kauders Nahostreise
Kauders Nahostreise stieß in Berlin auf Kritik. Die Partei Die Linke nannte seinen und Gabriels Besuch in Ägypten geschmacklos. Der Bundesregierung seien Geschäftsbeziehungen wohl wichtiger als die Menschenrechte, sagte die Abgeordnete Christine Buchholz.
Der Grünen-Außenpolitiker Omid Nouripour verlangt eine Erklärung für den Sinneswandel der Kanzlerin. Wenn sie von ihrer Forderung nach Parlamentswahlen als Vorbedingung für einen Besuch Al-Sisis in Deutschland abrücke, sei dies kein Anreiz für den ägyptischen Präsidenten, demokratische Wahlen abzuhalten. Gleichwohl habe er nichts gegen direkte Gespräche mit Al-Sisi. Es komme aber darauf an, was man ihm sage, so Nouripour im Gespräch mit der Deutschen Welle. Die Bundesregierung sollte ihre Kooperationsangebote an Kairo an Bedingungen knüpfen: "Diese Bedingungen können nur sein, dass die Parteienlandschaft gedeihen kann, dass die Medien nicht mehr unterdrückt werden, dass die Zensur endlich aufhört und dass vor allem die politischen Gefangenen endlich freigelassen werden."
Ähnlich differenziert äußerte sich auch der SPD-Nahostexperte Rolf Mützenich. Er habe durchaus Verständnis für Kauders Reise an den Nil, sagte er der DW. Der Fraktionschef der Union sorge sich seit langem um die Lage der Christen im Lande, eine Sorge, die er teile. Trotzdem hätte er es für richtig gehalten, Al-Sisi erst nach der Durchführung von demokratischen Wahlen zu einem offiziellen Besuch an die Spree einzuladen.
"Ich glaube, wir tun gut daran, nicht den alten Fehler zu wiederholen, dass wir in der Region nur nach Stabilitätsankern schauen. Das hat uns in der Vergangenheit viel Glaubwürdigkeit gekostet", so Mützenich. Von Al-Sisi müsse man die Einhaltung der Menschenrechte einfordern. Ein positives Zeichen wäre es, wenn der ägyptische Staatschef die zu Unrecht verurteilten Demonstranten begnadigen würde.
Unruhen im Jemen
Deutliche Kritik an der Nahostpolitik der Bundesregierung übte Grünen-Politiker Nouripour auch im Zusammenhang mit der eskalierenden Lage im Jemen. Dass sich Deutschland in diesem Konflikt auf die Seite von Saudi-Arabien stelle, sei absurd. Der Jemen sei ein vielschichtiges Land mit vielfältigen Problemen, die man nicht durch eine Militärintervention von außen lösen könne. Mit der einseitigen Parteinahme für Saudi-Arabien verspiele Deutschland eine mögliche Vermittlerrolle in diesem Konflikt. Eine Rolle, die Berlin aufgrund seiner langjährigen engen Entwicklungszusammenarbeit mit Sanaa gut angestanden hätte.
Das Auswärtige Amt hatte die saudischen Luftangriffe auf Stellungen der Houthi-Milizen im Jemen als legitim bezeichnet. Die Regierung des Jemen habe sich in einer "außerordentlich bedrohlichen Situation" an die Staatengemeinschaft gewandt, erklärte der Sprecher des Auswärtigen Amtes, Martin Schäfer. "Das ist nach den Regeln des Völkerrechtes legitim, wenn auf die Bitte eines demokratisch gewählten Staatsoberhaupts hin Nothilfe gewährt wird."
Demgegenüber verweist der SPD-Außenexperte Mützenich, immerhin ein Politiker des Regierungslagers, darauf, dass Saudi-Arabien selbst zu dem Chaos im Nachbarland Jemen beigetragen habe. Es sehe in den schiitischen Houthis Agenten des Iran, die es bekämpfen müsse, um den iranischen Hegemonialanspruch zurückzuweisen. Im Jemen gehe es aber nicht in erster Linie um einen Stellvertreterkrieg zwischen Riad und Teheran, sondern eher um eine aus den innerjemenitischen Konflikten erwachsene bürgerkriegsähnliche Situation. "Der Jemen ist ein sehr kompliziertes Gebilde mit einer sehr langen Geschichte", unterstreicht Mützenich.
Ratlos in Bezug auf den Irak
Kompliziert ist auch die Lage im Irak. Auch dort, so Nouripour, habe die Bundesregierung nicht zur Stabilisierung beigetragen. Sie habe Waffen an die Peschmerga geliefert, um die kurdischen Kämpfer gegen den Vormarsch des "Islamischen Staates" (IS) zu unterstützen. Nun aber würden diese Waffen von den Peschmerga eingesetzt, um die Sunniten aus Kirkuk zu vertreiben. "Die Botschaft an die Sunniten ist: wir wollen euch nicht. Das ist fürchterlich und fatal." Nur wenn die Sunniten in die schiitisch dominierten Machtstrukturen des Irak integriert würden, könne das Land stabilisiert werden und mit der Bedrohung durch den "Islamischen Staat" fertig werden.
Der Kölner SPD-Abgeordnete Mützenich ist ratlos, wie man im Irak verfahren sollte, um die Terroristen zu stoppen und den Bürgerkrieg zu beenden. Er persönlich habe die Waffenlieferungen an die Peschmerga mit Skepsis verfolgt, erklärt er. Zumal die bedrohten Jesiden selbst nicht von den Peschmerga, sondern von den Kämpfern der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK und der mit ihr verbundenen syrischen PYD gerettet worden seien. Auf die Frage, wie man den IS am besten bekämpfen könne, habe aber auch er keine Antwort.