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Tansania: Auf der Jagd nach Dynamitfischern

Julia Amberger
16. Dezember 2016

Die Korallenriffe vor Tansania sind Urlaubsparadies und Tatort zugleich: Dynamitfischer zünden bis zu 50 Bomben pro Tag und werfen sie ins Meer. In Ostafrika ist diese Fangtechnik fast ausgerottet - außer in Tansania.

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Fischer vor der Küste von Tansania
Ein einfaches Fischerboot vor der Küste TansaniasBild: Julia Amberger

Südlich der Metropole Daressalam, direkt am Meer, ducken sich etwa 50 einfache Steinhäuser in einen Palmenwald. Omari Mussa, bis vor kurzem Fischer, ist in einem von ihnen aufgewachsen. Seine Haut ist von der Sonne gegerbt, an der linken Hand hat er nur noch einen Finger - die anderen hat er verloren, weil er eine Bombe zu spät losgeworfen hat. Mussa hat die Brassen und Barben nicht mit Netz oder Angel gefangen, sondern mit Dynamit. "Das  ist gefährlich", sagt er. "Trotzdem haben das alle hier gemacht. Das Fischen mit den normalen Methoden lohnt sich kaum noch."

Wer eine Bombe über einem dicht besiedelten Korallenriff abwirft, tötet auf einen Schlag bis zu hundert Fische - und verdient eine Menge Geld. Die Druckwelle lässt die Luftblase aller Lebewesen in einem Umkreis von fünf bis 20 Metern platzen, je nachdem wieviel Sprengstoff die Bombe enthält. Die Fische sinken auf den Grund, dort sammeln die Fischer die größten auf. Im Bruchteil einer Sekunde verwandelt die Bombe leuchtend bunte Riffe in Unterwasser-Wüsten. Deshalb ist das Dynamitfischen illegal.

Eine Fischergemeinde südlich von Daressalam in Tansania
Eine Fischergemeinde südlich von DaressalamBild: Julia Amberger

Mehr als 300 Explosionen in 30 Tagen

"Als wir gerade aufgehört hatten, hier mit Bomben zu fischen, gab es lange keine Fische mehr", sagt Mussa. "Erst jetzt werden es allmählich wieder mehr". Er hat das Dynamitfischen aufgegeben, sein Geld verdient er jetzt als Koch. Jeden Tag kontrolliert er außerdem im Auftrag des WWF, wie viele Fische die Fischer gefangen haben, und vor allem: wie. Wie hat ihn die Umweltorganisation überzeugt? "Ich bin hier aufgewachsen mit den bunten Korallenriffen. Ich will nicht, dass sie zerstört werden", sagt er.

Tansania ist nicht nur eines der beliebtesten Reiseziele bei Afrika-Touristen. Es ist auch dabei, Afrikas Nummer eins im Bergbau zu werden. Je näher es seinem Ziel kommt, desto mehr Dynamit kursiert auf dem Markt - es wird zum Sprengen gebraucht. Über Kriminelle gelangt es zunehmend in die Hände von Fischern. Ein Wissenschaftler zählte letztes Jahr mehr als 300 Bombenexplosionen in 30 Tagen im Meer. Vor der Metropole Daressalam waren es knapp 10 pro Stunde. "Das Fischen mit Dynamit zerstört nicht nur die Unterwasser-Welt. Es treibt die Menschen an der Küste auch in neue Straftaten - weil ihre Nahrungsgrundlage, der Fisch, knapp wird", sagt Marcel Kroese, der für das von der EU finanzierte Smart-Fish-Programm für nachhaltiges Fischen arbeitet.

Auf dem Fischmarkt im Zentrum von Daressalam in Tansania
Auf dem Fischmarkt im Zentrum von Daressalam landen auch viele mit Dynamit gefangene FischeBild: Michael Markovina

Bomben aus Plastikflaschen, Dynamit und Dünger

Zwar explodieren auch in den Nachbarländern hin und wieder Bomben im Meer. Doch dort wird der illegale Handel mit Sprengstoff mit bis zu 30 Jahren Gefängnisstrafe geahndet, um Terroristen mögliche Versorgungswege zu kappen. In Tansania wird das Bergbau-Gesetz, das den Handel mit Sprengstoff kontrolliert, jetzt erst überarbeitet. Es stammt noch aus dem Jahr 1963. Bei illegalem Besitz sieht es derzeit eine Strafe von umgerechnet gerade einmal 2,50 Euro vor.

Soviel kostet eine Stange Dynamit. Daraus können sich die Fischer zwei Bomben bauen: Sie kippen das Pulver in zwei Plastikflaschen, mischen es mit Diesel und Dünger, Zündschnur rein - fertig. Tansania ist das einzige Land in Afrika, in dem immer noch kommerziell mit Dynamit gefischt wird - auch wenn das verboten ist.

Spezialtruppe soll Dynamitfischer aufspüren

Längst handelt es sich beim Dynamitfischen um organisiertes Verbrechen, das das Land durchdringt und seine Sicherheit bedroht. Deshalb hat die Regierung im Juni die Task Force MATT gegründet - ein Multi-Agency-Task-Team gegen Umweltkriminelle. Beamte aus dem Bergbau-, dem Fischerei- und dem Justizministerium sollen das Problem gemeinsam lösen, mit Unterstützung von Polizei und Militär.

Ihre Mission führt sieben Mitglieder der Task Force hinaus aufs Meer. Dort sollen sie Dynamitfischer aufgreifen. Chrispin Kilulu ist ein kräftiger Polizist mit Schnauzbart. Er lehnt er an der Reling und sieht einem Soldaten im Overall zu, der ein Maschinengewehr in die Truhe unter dem Fahrersitz hievt. "Wenn wir Fischer erwischen, versuchen sie, ihre Bomben in unser Boot zu schleudern", sagt er. "Dann müssen wir uns wehren."

Tansania Daressalam Fischer
Fischerboote vor der Insel ZanzibarBild: Michael Markovina

Mit Taucheranzügen und Schwimmflossen in die Tiefe

Etwa sechs Kilometer vor der Küste stellt der Steuermann den Motor ab. Tiefblau ist das Wasser, der Zeiger des Messgeräts deutet auf minus 44 Meter. "Die Dynamitfischer kommen hierher, weil es hier viele Thunfische gibt", erklärt Kilulu.

Weiter vorne schaukelt ein Holzboot, 10 Personen, darunter auch Kinder, ziehen ein Netz an Bord. Vermutlich eine Fischer-Familie. Dynamit-Fischer sind das nicht: "Die tragen immer Taucheranzüge und Schwimmflossen", erklärt Kilulu. Hier draußen arbeiten sie mit Tauchflaschen, die so marode sind, dass der Sauerstoff aus ihnen zischt, wenn man sie unachtsam abstellt. Wie viele beim Dynamitfischen schon gestorben sind, weiß niemand genau.

Kilulu und sein Team fahren wieder zurück. Dynamitfischer haben sie keine gesehen. "Dafür haben wir Präsenz gezeigt", sagt Kilulu. Die Task Force MATT setzt nun auch Undercover-Agenten in der Dealerszene ein, um die Chefs der Dynamit-Mafia aufzuspüren. Nur so, glauben Kilulu und seine Kollegen, können sie das Bombenfischen beenden.