Neue Spieler am Tisch
12. November 2008Am Samstag (15.11.2008) werden sich die so genannten G-20 Länder in der US-Hauptstadt Washington zusammenfinden, um die verheerenden Folgen der anhaltenden Krise auf den Finanzmärkten zu beraten und gemeinsame Lösungen zu finden. Teilnehmen werden neben den klassischen Industrieländern weitere wichtige Wirtschaftskräfte wie zum Beispiel Brasilien, Russland, Indien und China, kurz: die BRIC Staaten. Aus der Sicht der Industrieländer ist ein Weg aus der globalen Finanzkrise ohne Beteiligung dieser Entwicklungsländer nicht denkbar.
Die Unruhe auf den internationalen Finanzmärkten zieht auch das Wirtschaftswachstum in Mitleidenschaft. Der Abschwung in den USA droht sich zur schärfsten Rezession seit Anfang der 80er Jahre auszuweiten. Die Europäische Kommission rechnet für 2009 in der Eurozone nur noch mit einem minimalen Anstieg des Bruttoinlandsprodukts um 0,1 Prozent. Selbst das Wunderland China distanziert sich für 2009 von einem zweistelligen Wachstum und spricht nur von acht bis neun Prozent. Diese düsteren Aussichten haben alle betroffenen Länder zum Nachdenken gebracht, im Westen und Osten: Sie brauchen eine gemeinsame Strategie, betont Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier: "Es sind sich alle bewusst, dass diese Krise auf den internationalen Finanzmärkten nur zu bewältigen sein wird, wenn man die neuen Spieler auf der internationalen Bühne mit einbezieht." Man brauche Regeln, die überall akzeptiert werden, erklärt der deutsche Außenminister. Deshalb sei auch der Kreis der Eingeladenen größer als bei G-7- oder G-8-Treffen.
Einladung als freundliches Entgegenkommen
Die BRIC-Staaten gehören nach Ansicht Steinmeiers nicht mehr an den Katzentisch, sondern an den Konferenztisch. Andere Länder muslimischer Prägung, wie die Türkei, Indonesien und andere Golfstaaten, müssten ebenfalls beteiligt werden. Denn diese Schwellenländer hätten Ressourcen, nach denen sich die Industrieländer die Finger leckten. Die Einladung zum Weltfinanzgipfel sei ein freundliches Entgegenkommen, so Politikprofessor Gu Xuewu von der Universität Bochum: "Die Schwellenländer verfügen über Riesensummen an Liquidität. Insbesondere China besitzt die größte Devisenreserve der Welt." Außerdem betreffe die wirtschaftliche Globalisierung in großem Umfang die Schwellenländer wie Indien, Brasilien und China. Daher sei es ein positives Zeichen, diese einzuladen. "Sie können zwar nicht zu einer substanziellen Lösung beitragen. Aber die Industrieländer brauchen sie, um die vereinbarten Rettungspakete umzusetzen", begrüßt Gu die geplante Zusammenarbeit.
Die Schwellenländer haben in den letzten Jahren gezeigt, dass sie hohes Wachstumspotential besitzen und gleichzeitig hohen Anspruch auf politische Gestaltung erheben. Das selbstbewusste Auftreten und der starke Wille dieser Länder, mit den Industrieländern auf der gleichen Augenhöhe zusammen zu arbeiten, müsse berücksichtigt werden, sagt Steinmeier. "Ich weiß aus vielen Gesprächen, die ich in China, Indien, Brasilien und Südafrika geführt habe, dass dort die wachsende Mitverantwortung für die Zukunft dieser Welt gesehen wird", erklärt er. "Wir müssen deshalb auch die Möglichkeit schaffen, dass sie in den internationalen Foren und Formaten dieser Verantwortung Rechnung tragen." Bei den Bemühungen, die Krise auf der Welt zu bewältigen, sieht Steinmeier nach eigenen Worten ermutigende Schritte.
Ende der moralischen Überlegenheit
Dennoch hat die gemeinsame Lösung einer Wirtschaftskrise einen kleinen ideologischen Beigeschmack. Das kommunistische China zum Beispiel lacht über die Rettungsmaßnahmen der kapitalistischen Länder wie die Verstaatlichung. Diese seien sozialistischer Prägung, hieß es aus Peking.
Alle westlichen Industrieländer, allen voran die USA, müssten sich nun die Kritik gefallen lassen, dass sie einen zügellosen Kapitalismus betrieben haben, sagt Axel Berkofsky vom European Studies Center in Brüssel. Jahrelang hätten sie auf die Schwellenländer wie China gezeigt und mit erhobenem Zeigefinger vor Sozialismus und der Einmischung des Staates in die Wirtschaft gewarnt, erklärt Berkofsky. Schadenfreude bei den Schwellenländern oder in China komme jetzt aber trotzdem nicht auf, ist sich der Experte sicher. "Ich denke auch, dass die moralische Überlegenheit der Industrieländer nicht mehr auftritt wie vor der Finanzkrise."
Der wirtschaftlichen Globalisierung folgt die politische Annährung. Die anhaltende Finanzkrise hat alle Länder auf die wahre Härteprobe gestellt. Die einen wollen sich retten, die anderen wollen sich dagegen profilieren.