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Politik

Auch Selenskyj erntet Kritik für Telefonat

Alexander Sawizkij | Roman Goncharenko
27. September 2019

Während Regierungsvertreter in Kiew das Telefonat zwischen Trump und Selenskyj herunterspielen, gibt es von anderer Seite harsche Kritik am Präsidenten. Dessen Anbiederung an Trump sei eine "außenpolitische Katastrophe".

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Präsident der Ukraine Wolodymyr Selenskyj in New York
Bild: Getty Images/D. Angerer

Nach der Veröffentlichung des für die US-Politik so brisanten Gesprächsprotokolls wirddas Telefonat zwischen Donald Trump und seinem ukrainischen Amtskollegen Wolodymyr Selenskyj auch in Kiew ein Top-Thema. Ähnlich wie Selenskyj in New York reagieren auch in Kiew Regierungsvertreter, Politiker und manche Experten betont gelassen. Man hofft offenbar, dass die umstrittene Passage, in der der US-Präsident darum bittet, Ermittlungen gegen seinen politischen Rivalen und ehemaligen Vize-Präsidenten Joe Biden aufzunehmen und das damit verbundene mögliche Amtsenthebungsverfahren keine negativen Folgen für die Ukraine haben würden.

Politiker zeigen Verständnis für Selenskyj 

Auch die europakritischen Äußerungen Selenskyjs würden das Verhältnis zu Deutschland und Frankreich nicht verschlechtern, sagte Vizeregierungschef Dmytro Kuleba am Donnerstag. Selenskyj hatte Trump am Telefon gesagt, die Europäische Union, aber auch Deutschland und Frankreich würden zu wenig für die Ukraine tun. "Sie setzten die Sanktionen (gegen Russland) nicht um", sagte Selenskyj laut der vom Weißen Haus veröffentlichten Fassung des Gesprächs. "Sie tun weniger für die Ukraine als sie sollten", so Selenskyj. "Unser Präsident lässt sich nicht in den US-Wahlkampf hineinziehen", lobte Wassyl Mokan, Parlamentsabgeordneter der Selenskyj-Partei "Diener der Volkes" in einem Fernsehinterview.

Mychailo Wolynez von der Vaterlandspartei der früheren Ministerpräsidentin Julia Tymoschenko meinte, das Telefonat würde keinen großen Einfluss auf Selenskyjs Beliebtheitswerte haben. "Die wichtigsten politischen Akteure in der Ukraine wissen Bescheid, dass Präsident Selenskyj und seine Regierung noch politische Neulinge sind", sagte Wolynez im Gespräch mit der DW. "Man hat Verständnis dafür." Auch der Kiewer Politik-Experte Viktor Neboschenko erwartet keine großen Auswirkungen. Der Skandal sei lediglich ein Versuch der US-Demokraten, den Druck auf Trump zu erhöhen. "Wenn wir eine Chance hätten zu hören, was Merkel und Macron über ukrainische Politiker sagen," glaubt Neboschenko, "wäre das hundertmal schlimmer." 

Joe Biden mit seinem Sohn Hunter (links): Archivbild
Joe Biden (r.) mit seinem Sohn Hunter (l.)Bild: Getty Images/AFP/A. Wong

Experte: "Außenpolitische Katastrophe"

Zu den kritischen Stimmen im Parlament zählt Olexij Hontscharenko von der Partei "Europäische Solidarität" des ehemaligen Präsidenten Petro Poroschenko. Am Donnerstag teile Hontscharenko mit, er habe beim Präsidialamt die Veröffentlichung der ukrainischen Fassung des Gesprächs mit Trump beantragt. Selenskyj gebe dort eine schlechte Figur ab, kritisierte der Oppositionspolitiker. Insbesondere die Aussage des Präsidenten, dass der neue Generalstaatsanwalt "zu 100 Prozent" sein Mann sei, sorgt für Kritik.

Olexander Leonow vom Kiewer Zentrum für politische Studien bezeichnet die Rolle Selenskyjs beim Telefonat mit Trump sogar als "außenpolitische Katastrophe". Selenskyj habe sich bewusst in den Machtkampf zwischen Trump und Biden verwickeln lassen, so Leonow im DW-Gespräch. Sollte Biden oder ein anderer Kandidat der US-Demokraten die Präsidentenwahl 2020 gewinnen, würde die Ukraine und Selenskyj persönlich "vor ernsten Herausforderungen" stehen.

Ex-Außenminister: Ukraine in US-Geschichtsbüchern

Auch die Kritik an Merkel und Macron findet Leonow ungerecht. "Selenskyj hat offensichtlich das Vertrauen europäischer Führer zerstört… Man kann nur hoffen, dass unsere Partner mit Verständnis auf diesen Vorfall reagieren würden." 

Emmanuel Macron und Angela Merkel, 25.08.2019
Selenskyj über Merkel (r.) und Macron (l.): "Sie setzen die Sanktionen nicht durch"Bild: picture-alliance/AP Photo/I. Langsdon

"Möglicherweise wird die Ukraine als erster Staat in die US-Geschichte eingehen, der zu einem Impeachment-Verfahren geführt hat", schrieb der ehemalige ukrainische Außenminister Pawlo Klimkin auf Facebook. "Das ist eine zweifelhafte Ehre, aber wenigstens wissen jetzt alle, was wir können", scherzte Klimkin. In den sozialen Netzwerken kursieren derweil viele Witze über das Telefonat. Besonders beliebt waren Vergleiche der US-Politdramaserie "House of Cards" mit der ukrainischen Comedy-Serie "Diener des Volkes", in der Selenskyj vor seiner Wahl zum Präsidenten die Hauptrolle spielte.