Auch die Steuer macht teuer
30. Dezember 2002Wer mit den Füßen auf einer Herdplatte steht und den Kopf in einer Gefriertruhe hat, dem geht es statistisch gesehen gut, denn die Statistik bildet bekanntlich Durchschnittswerte. Doch von Durchschnittswerten hat der Bürger nichts, wenn er an der Kasse sein Portemonnaie zückt und feststellt: Der Handel hat bloß das D-Mark-Schild durch Euro ersetzt.
Ministerin: Preise erreichen gastronomische Höhen
Der Euro ist ein Teuro - dem stimmte im Frühjahr sogar die Europäische Kommission zu. Sie hatte erstmals Zahlen veröffentlicht, nach denen vor allem die Gastronomie kräftig zugeschlagen hat: Cafe- und Restaurantbesuche sowie Hotelübernachtungen seien deutlich teurer geworden, aber auch einfache Dienstleistungen wie Friseurbesuche. Im Mai stand das Thema Euro als Preistreiber sogar auf der Tagesordnung der europäischen Verbrauerschutzminister. "Wir wissen, dass sich die langfristigen Finanzierungen, die Miete zum Beispiel, durch den Euro nicht nach oben verändert haben", sagte die deutsche Ministerin Renate Künast damals. Sie erklärte aber auch: "Die Menschen sehen sehr genau, dass zum Beispiel bei den Lebensmittelläden oder Restaurants so mancher einen blauen Brief in Mathematik gehabt haben muss." Sprich: Die Preise seien "etwas nach oben korrigiert" worden.
Gefühlte Inflation
Das Statistische Bundesamt in Wiesbaden versuchte abzuwiegeln. Die Teuerung sei nur subjektiv empfunden – statistisch gesehen hielte sich der Preisanstieg in Grenzen. Das erklärte zumindest der Präsident des Statistikamtes, Johann Hahlen: "Das Preisklima in Deutschland hat sich seit Beginn des Jahres deutlich beruhigt." Im Juni 2002 rechnete das Amt mit der niedrigsten Preissteigerung seit Oktober 1999 – nämlich 0,9 Prozent. Die eigentlichen Preiserhöhungen, so Johann Hahlen, hätten ohnehin schon vor dem Euro-Start stattgefunden, um im neuen Jahr auf rundere Euro-Preise zu kommen. Bei 60 Prozent der Fälle sei es auf einen höheren Preis hinausgelaufen, nur bei 40 Prozent sei es zu Senkungen gekommen. Was zu Recht für Verstimmung gesorgt habe, findet Hahlen. "Aber es ist eben ein Unterschied zwischen der subjektiven Wahrnehmung einer Veränderung und dem Durchschnittsbild."
Erhöhung schon vor dem Euro
Auch die Bundesbank, die sich als eine Art Patentante des Euro sieht, fühlte sich bei der Ehre gepackt und untersuchte 35 Waren und Dienstleistungen mit insgesamt 18.000 Einzelpreisen. Ergebnis: Heftige Preiserhöhungen habe es bereits im November und Dezember 2001 gegeben. Im Januar 2002 seien dann über zwei Drittel der Preise exakt umgerechnet worden. Beim restlichen Drittel hätten die Betriebe nochmal hingelangt und aufgerundet, besonders im Gastgewerbe, in Friseur- und Kfz-Handwerk und an den Kinokassen. Aber die Bundesbank betont: Der Euro sei nicht an allem schuld. Steuererhöhungen seien hinzugekommen, die Rundfunk- und Fernsehgebühren seien erhöht worden, und schließlich habe ein witterungsbedingter Ernteausfall in den Mittelmeerländern Obst und Gemüse im Frühjahr drastisch verteuert. Auch ohne Euro.