Attentat von Sarajevo spaltet Balkan
28. Juni 2014Der 100. Jahrestag des Attentats von Sarajevo, an dem sich der Erste Weltkrieg entzündete, hat den Graben zwischen Bosniern und Serben weiter vertieft. Die muslimischen Bosnier erinnerten in Anwesenheit zahlreicher ausländischer Gäste an die Ermordung des österreichisch-ungarischen Thronfolgers Franz Ferdinand. Der Neffe von Kaiser Franz Josef war zusammen mit seiner Frau Sophie am 28. Juni 1914 einem Pistolenattentat des serbischen Nationalisten Gavrilo Princip zum Opfer gefallen.
Während die Bosnier in Princip einen Terroristen sehen, ist er für die Serben ein Volksheld und Freiheitskämpfer. Die bosnischen Serben haben die offiziellen Gedenkveranstaltungen deshalb boykottiert. Statt bei der Zeremonie in Sarajevo versammelten sie sich im ostbosnischen Andricgrad, einem historisierenden Stadtteil von Visegrad in der Republik Srpska, etwa acht Kilometer von der serbischen Grenze entfernt. Hunderte Menschen würdigten dort den Pistolenschützen Princip als "Freiheitskämpfer gegen die Fremdherrschaft aus Wien". Österreich-Ungarn hatte das damalige Bosnien-Herzegowina seit 1878 annektiert.
"Getrennte Trauer - getrennte Freude"
"Wir sind niemals zusammen gewesen, weder in Trauer noch in Freude", zitierten mehrere Medien den Präsidenten der serbischen Landeshälfte in Bosnien-Herzegowina, Milorad Dodik. "Das sagt alles über das heutige Bosnien als Staat - einen Staat mit Gewalt nur unter Hilfe der internationalen Gemeinschaft." Die bosnischen Serben, die rund ein Drittel der Bevölkerung stellen, wollten auf Basis der "Freiheitsideen" Gavrilo Princips ihre "Autonomie stärken bis zur Unabhängigkeit", so Dodik.
In Sarajevo wiederum wurde der Jahrestag des Attentats mit zahlreichen historischen Ausstellungen und Veranstaltungen begangen. Als Höhepunkt stand ein Konzert der Wiener Philharmoniker auf dem Programm - im wiederaufgebauten Rathaus, das die Serben zu Beginn ihrer Belagerung Sarajevos 1992 zerbombt hatten. Eine Gedenktafel am Gebäude, deren Text "serbische Kriminelle" als Zerstörer des Rathauses benennt, war zuvor bereits zum Politikum geworden. Die Serben hatten darauf mit einer Gedenktafel für ihren einstigen Oberbefehlshaber Ratko Mladic geantwortet, der sich zurzeit vor dem UN-Kriegsverbrechertribunal verantworten muss.
Auslöser des Ersten Weltkriegs
Nicht lange nach dem Anschlag auf Franz Ferdinand vor 100 Jahren war es zur Kriegserklärung Österreich-Ungarns an Serbien gekommen. Dadurch griffen innerhalb weniger Tage alle bestehenden Bündnisvereinbarungen. Ab August 1914 befanden sich das Deutsche Reich und Österreich-Ungarn mit den ihrerseits verbündeten Entente-Staaten Frankreich, Großbritannien und Russland im Ersten Weltkrieg. Bis 1918 starben in Europa und anderen Teilen der Welt fast zehn Millionen Soldaten und mehr als sechs Millionen Zivilisten.
jj/kle (dpa, afp)