Spirale eines andauernden Scheiterns
7. Oktober 2016Fünf Atomtests hat Nordkorea in den vergangenen zehn Jahren durchgeführt. Fünfmal hat der UN-Sicherheitsrat Sanktionen verhängt oder verschärft. Die verurteilenden Worte von Seiten des Westens ähneln sich seit Jahren, nach jedem neuen Test. Und Nordkorea zeigt ein ums andere Mal, dass die Internationale Gemeinschaft bis heute kein Mittel gefunden hat, um den Atomkonflikt dauerhaft zu lösen. Unterdessen wechseln sich Aktion und Reaktion weiter ab.
Montag, 9. Oktober 2006
Vor genau zehn Jahren schockiert der damalige Diktator Kim Jong Il die Welt mit dem ersten nordkoreanischen Atomtest. In Europa ist es noch mitten in der Nacht, als im Nordosten des ostasiatischen Landes um 10:36 Uhr Ortszeit die Erde bebt. Die Sprengkraft wird vom südkoreanischen Geheimdienst auf 0,55 Kilotonnen TNT geschätzt und liegt damit deutlich unter der der ersten Atombombe (die von den USA über Hiroshima abgeworfene Bombe hatte eine Sprengkraft von ungefähr 12,5 Kilotonnen). Aber die Botschaft ist eindeutig. Und das Ausland empört.
George W. Bush am 9. Oktober 2006:
"Die USA verurteilen diese Provokation. Einmal mehr hat Nordkorea damit gegen den Willen der Internationalen Gemeinschaft verstoßen. Die Internationale Gemeinschaft wird darauf antworten."
Es ist der Ausgangspunkt einer Spirale, die sich seitdem immer weiterdreht, ohne dass sich eine Lösung abzeichnet. Fünf Tage später verabschieden die 15 Mitglieder des UN-Sicherheitsrates einstimmig Sanktionen gegen Nordkorea.
UN-Resolution 1718, verabschiedet am 14. Oktober 2006
Die Resolution verbietet Nordkorea jeden weiteren Atomtest oder ballistischen Raketenstart. Das Land wird aufgefordert, sein Atomprogramm auszusetzen und an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Durch Resolution 1718 werden unter anderem Vermögen von Personen, die in das nordkoreanische Atomprogramm involviert sind, eingefroren. Für die Betroffenen gilt zudem ein Reiseverbot. Daneben gibt es ein Handelsembargo. Darunter fallen beispielsweise Panzer, Kampffahrzeuge, großes Kriegsmaterial, Kampfflugzeuge, Hubschrauber und Kriegsschiffe. Und natürlich alles, was mit einer Weiterentwicklung des nordkoreanischen Atomprogramms in Verbindung steht.
Durch die Resolution ist außerdem der Export verschiedener Luxusgüter nach Nordkorea untersagt. Drittstaaten sind aufgefordert, Frachtgut zu inspizieren, wenn der Verdacht besteht, dass biologische, chemische oder Nuklearwaffen illegal nach Nordkorea exportiert werden sollen. An der Umsetzung aber hapert es. Nicht alle Staaten halten sich daran. Und Nordkoreas Verbündeter China unterstützt die Führung in Pjöngjang weiter und inspiziert keine Warenlieferungen nach oder aus Nordkorea.
Montag, 25. Mai 2009
Gut zweieinhalb Jahre vergehen. Ungeachtet internationaler Proteste startet Nordkorea am 5. April 2009 eine Trägerrakete mit einem Satelliten. Der UN-Sicherheitsrat verurteilt den Schritt, Nordkorea kündigt daraufhin die sogenannten Sechs-Parteien-Gespräche (mit Südkorea, China, Japan, Russland und den USA) über sein Atomprogramm auf. Am 25. Mai lässt Kim Jong Il zum zweiten Mal einen Atomtest durchführen.
Javier Solana, damals EU-Außenbeauftragter:
"Dieses unverantwortliche Handeln Nordkoreas erfordert eine entschiedene Reaktion von Seiten der Internationalen Gemeinschaft. Die Europäische Union wird gemeinsam mit ihren Partnern über angemessene Maßnahmen diskutieren."
Die Antwort der Völkergemeinschaft kommt im Juni.
UN-Resolution 1874, verabschiedet am 12. Juni 2009
Die bestehenden Sanktionen werden verschärft und auf weitere Personen, Unternehmen und Waren ausgedehnt. Drittländer müssen den UN-Sicherheitsrat benachrichtigen, bevor sie Waffen nach Nordkorea verkaufen. Bei Frachtkontrollen sichergestellte verdächtige Waren müssen zerstört und das UN-Gremium darüber informiert werden. Auch Geldtransfers an die Adresse der nordkoreanischen Regierung werden eingeschränkt. Überweisungen, die eine Weiterentwicklung des Atomprogramms unterstützen könnten, sind verboten. Darlehen von UN-Mitgliedsstaaten an Nordkorea dürfen explizit nur für humanitäre Zwecke gegeben werden.
Wieder vergehen zweieinhalb Jahre. Nordkorea hat mittlerweile mit Kim Jong Un einen neuen Führer. Nach dem Tod seines Vaters im Dezember 2011 hat er die Amtsgeschäfte übernommen. Anfängliche Hoffnungen auf einen Kurswechsel erfüllen sich nicht. Seit einer Verfassungsänderung im April 2012 bezeichnet sich das Land selbst als Atommacht. Im Dezember desselben Jahres testet Nordkorea eine Langestreckenrakete. Der UN-Sicherheitsrat reagiert mit einer weiteren Resolution.
UN-Resolution 2087, verabschiedet am 22. Januar 2013
Unter anderem werden die Rechte von Drittstaaten dargelegt, Warenexporte oder -importe zu konfiszieren und zu zerstören, wenn der Verdacht besteht, dass sie mit dem nordkoreanischen Atomprogramm in Verbindung stehen. Außerdem wird das Reiseverbot gegen Personen, die mit dem Atomprogramm zu tun haben, noch einmal bekräftigt.
Kim Jong Un zeigt sich unbeeindruckt. Zum ersten Mal seit seiner Amtsübernahme befiehlt er selbst einen Atomtest.
Dienstag, 12. Februar 2013
Gegen 12 Uhr mittags Ortszeit verzeichnen Erdbebenwarten nahe dem nordkoreanischen Kernwaffentestgelände Punggye-Rye einen künstlich verursachten Erdstoß. Die Stärke wird mit 4,9 bis 5,2 auf der Richterskala angegeben. Es ist der bislang stärkte Atomtest des Landes. Nach südkoreanischen Angaben liegt die Sprengkraft bei sechs bis sieben Kilotonnen.
NATO-Presseerklärung, 12. Februar 2013:
"Der nordkoreanische Atomtest stellt eine offenkundige Verletzung gültiger UN-Resolutionen dar. Wir verurteilen ihn aufs Schärfste. "
Wieder kommt der Sicherheitsrat zusammen, wieder werden Sanktionen verschärft.
UN-Resolution 2094, verabschiedet am 7. März 2013
Resolution 2094 zielt darauf ab, weitere Fortschritte des nordkoreanischen Atomprogramms zu erschweren. So wird der Zugang zu internationalen Bankensystem und zu nötigem technologischen Equipment zur Urananreicherung behindert. Dadurch sollen Geldströme an die nordkoreanische Führung gestoppt werden. Bestehende Sanktionen werden ausgeweitet: Mehr Einzelpersonen werden mit einem Reiseverbot belegt, das Vermögen von zwei weiteren Unternehmen wird eingefroren. Auch die Liste der verbotenen Exportgüter wird länger: Künftig dürfen keine Edelsteine, Yachten, Luxusautos und Rennwagen mehr nach Nordkorea importiert werden.
Die Lage auf der Koreanischen Halbinsel spitzt sich in den folgenden Monaten zu. Pjöngjang kündigt unter anderem an, sein Atomprogramm weiter ausbauen zu wollen.
Auf die Spannungen des Jahres 2013 folgt dann zunächst wieder eine vergleichsweise ruhige Phase.
Schlagartig verschlechtert sich die Situation zu Beginn des Jahres 2016.
Mittwoch, 6. Januar 2016
Nordkorea testet nach eigenen Angaben zum ersten Mal eine Wasserstoffbombe. Experten zweifeln aber aufgrund der zu kleinen Sprengkraft daran und gehen von einem "herkömmlichen" Atomtest aus.
Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier, 6.1.2016:
"Mit der erneuten Verletzung von Resolutionen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen stellt sich Nordkorea gegen die Grundsätze der Völkergemeinschaft und gefährdet die regionale und internationale Sicherheit."
Der UN-Sicherheitsrat beschließt die bislang schärfste Ausweitung der Sanktionen. 19 Seiten umfasst das Papier.
UN-Resolution 2270, verabschiedet am 2. März 2016
Das bestehende Handelsembargo wird ausgeweitet und betrifft künftig auch kleine und leichte Waffen. Außerdem darf niemand mehr Rohstoffe wie Eisen, Kohle, Gold, Titan oder Seltene Erden aus Nordkorea kaufen. Auch Treibstoff für Flugzeuge oder Raketen darf nicht mehr geliefert werden. Zusätzlich müssen mit der neuen Resolution sämtliche Frachtlieferungen – Importe wie Exporte – kontrolliert werden, auch ohne begründeten Verdacht. Ziel ist es, dem Regime die Finanzierung seiner Atom- und Raketenprogramme weiter zu erschweren.
UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon begrüßt das Vorgehen. Da Nordkorea mit wiederholten Provokationen immer wieder gegen das Völkerrecht verstoße, habe die Internationale Gemeinschaft das Land mit dieser Resolution an seine völkerrechtlichen Verpflichtungen erinnern müssen.
Nordkorea allerdings erinnert seinerseits die Welt an die Bedrohung, die von dem Land ausgeht.
Freitag, 9. September 2016
Nur neun Monate nach dem vierten führt Nordkorea auf dem Testgelände Punggye-Ri seinen fünften und bislang letzten Atomtest durch. Und gleichzeitig auch der stärkste. Ausländische Experten schätzen die Sprengkraft auf etwa zehn Kilotonnen.
US-Präsident Barack Obama, 9. September 2016:
"Um es ganz klar zu sagen: Die USA erkennen Nordkorea nicht als Atomstaat an und werden das auch nie tun. Der heutige Atomtest stellt eine eklatante Verletzung diverser UN-Sanktionen dar."
Der UN-Sicherheitsrat kündigt neue Sanktionen an.