Asylpolitik in Stichpunkten
6. November 2014Ob es Kriege und Bürgerkriege im Mittleren Osten sind oder die Auswirkungen des Klimawandels auf wirtschaftliche und gesellschaftliche Strukturen afrikanischer Länder - regionale und globale Krisen treiben weltweit immer mehr Menschen in die Flucht. Die meisten bleiben in der Region, aus der sie kommen. Aber die, die es bis nach Europa schaffen, stellen auch die EU-Staaten vor große Herausforderungen. In Deutschland sind vor allem die Kommunen unter Druck, die die Flüchtlinge unterbringen müssen. Viele Regelungen gehen an der Realität vorbei. Parteien und Verbände arbeiten daran, die Strukturen dem geänderten Bedarf anzupassen. Der Bundestag debattiert Gesetzesänderungen.
Die Lage: Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) rechnet mit künftig 200.000 Asyl-Erstanträgen pro Jahr. Damit kämen fast doppelt so viele Flüchtlinge nach Deutschland wie 2013. Im vergangnenen Jahr sind EU-weit nach Angaben Eurostats 435.000 Asylbewerber registriert worden. 70 Prozent dieser Menschen haben Deutschland, Italien, Großbritannien, Schweden und Frankreich aufgenommen. Auf Deutschland entfallen über ein Viertel der Fälle. Gemessen an der Einwohnerzahl sind aber Schweden und Malta die Hauptaufnahmeländer.
Kritik am Dublin-System: Die geltende Regelung der EU sieht vor, dass die Flüchtlinge dort ihren Asylantrag stellen müssen, wo sie das Gebiet der Union betreten. Das belastet die Randstaaten außerordentlich. Italien ist beispielsweise wegen der vielen Mittelmeerflüchtlinge dazu übergegangen, die Hilfesuchenden einfach weiterziehen zu lassen. Die EU macht ihre Außengrenzen mit Hilfe von Sicherheitskräften und teilweise durch Zäune fast unüberwindbar. Dadurch blockiert sie sichere Fluchtwege für die Vertriebenen. Das ist nicht mit einem humanitär-orientierten Asylrecht zu vereinbaren.
Quoten für EU-Staaten: In der EU ist eine Debatte über eine gerechtere Verteilung der Flüchtlinge entbrannt. Bundesinnenminister Thomas de Maizière hat vorgeschlagen, dass jedes Land der Union Asylsuchende im Verhältnis zu seiner Einwohnerzahl aufnehmen soll. Das wäre gut für Italien und Deutschland, belastet die anderen Mitgliedsländer aber stärker. Die Chancen, dass dieser Vorstoß Erfolg hat, sind also denkbar schlecht.
Flüchtlinge in Deutschland: Asylsuchende finden in Deutschland eine ganze Reihe von Bedingungen vor, die abschreckend auf sie wirken sollen. Das Bundesverfassungsgericht hat vor zwei Jahren festgestellt, dass für Asylbewerber kein menschenwürdiges Leben mit den gesetzlich vorgesehenen Leistungen möglich ist. Deswegen sollen Flüchtlinge nun besser versorgt werden. Aber nicht so gut, dass es "Anreize für Wanderungsbewegungen" gebe, wie das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) es ausdrückt. Künftig berechnen sich die Zuwendungen nach dem sogenannten Asylbewerberleistungsgesetz am aktuellen statistisch festgestellten Bedürfnissniveau - das sind deutlich höhere Leistungen als bisher. Auch die Gesundheitsversorgung soll sich etwas verbessern.
Geld statt Sachleistungen: Nach dem Aufenthalt in einer Erstaufnahmeeinrichtung bekommen Flüchtlinge künftig auch bevorzugt Geld - bisher waren es in einigen Bundesländern vor allem Bedarfsgüter oder Gutscheine. Jetzt müssen Asylbewerber auch nicht mehr vier Jahre warten, bis sie wie Sozialhilfeempfänger behandelt und unterstützt werden. Kinder und Jugendliche bekommen von Anfang an Geld aus dem Bildungs- und Teilhabepaket des Familienministeriums, das für arme Familien geschnürt worden ist.
Schneller an die Arbeit: Das neue Gesetz sieht vor, dass Flüchtlinge drei Monate nach ihrem Asylantrag arbeiten dürfen. Bisher müssen sie neun Monate warten. Eine Regelung bleibt: Es darf keinen geeigneten Deutschen oder EU-Bürger für den Job geben. Das muss jetzt nur noch 15 Monate lang nachgewiesen werden statt wie bisher vier Jahre. Diese Vorrangprüfung soll nicht für Asylsuchende gelten, die eine Qualifikation als Facharbeiter haben. Sozialverbänden und vielen Arbeitgebern ist das aber noch zu restriktiv. Sie möchten das Potential an Arbeitskraft und Qualifikation nutzen, das noch blockiert wird.
Unterbringung: Bisher mussten sich Flüchtlinge immer an einem vorgegebenen Ort in Deutschland aufhalten. Das gab beispielsweise Schwierigkeiten, wenn sie Verwandte in einem anderen Bundesland besuchen wollten. Diese Residenzpflicht entfällt nun nach drei Monaten.
Die Kostenfrage: Es gibt auch weiterhin wachsende Probleme, die vielen Menschen, die in Deutschland Asyl suchen, unterzubringen. Deswegen ist eine Vereinfachung des Baurechts für Flüchtlingsunterkünfte im Gespräch, damit Asylsuchende auch in Randlagen und Gewerbegebieten beherbergt werden können. Das Asylbewerberleistungsgesetz bürdet die Kosten für die Unterbringung den Ländern und Kommunen auf, was diese - nach eigenen Angaben - an den Rand ihrer Kapazitäten bringt. Die Medien berichten zur Zeit verstärkt über alarmierende Wohnsituationen in heruntergekommenen und schlecht versorgten Unterkünften.