Asyl-Strafverfahren gegen 19 EU-Staaten
23. September 2015Unmittelbar vor dem EU-Sondergipfel zur Flüchtlingskrise hat die EU-Kommission wegen Verstößen gegen die europäische Asylgesetzgebung zwei Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eröffnet. Versandt wurden zwei Mahnschreiben wegen unzureichender Umsetzung der EU-Asyl-Richtlinie und der Richtlinie zur Aufnahme von Flüchtlingen, wie die Kommission mitteilte. Insgesamt wurden demnach 40 Vertragsverletzungsverfahren gegen insgesamt 19 Länder im Asylbereich eingeleitet.
"Es ist an der Zeit, dass sich die Mitgliedstaaten der Herausforderung stellen und tun, was sie tun müssen", sagte Kommissionsvizepräsident Frans Timmermans in Brüssel. "Unser gemeinsames Asylsystem kann nur funktionieren, wenn alle sich an die Regeln halten." Nur fünf EU-Staaten setzten derzeit die EU-Asylvorgaben vollständig um.
Die betroffenen Staaten haben nach Eintreffen des Mahnschreibens zwei Monate Zeit, sich zu den Vorwürfen zu äußern und gegebenenfalls ihre Praxis zu ändern. Ist die Kommission weiter nicht zufrieden, kann sie eine weitere ausführlich begründete Warnung an das Mitgliedsland verschicken und nach weiteren zwei Monaten Klage vor dem Europäischen Gerichtshof einreichen. Bekommt die Kommission Recht, kann sie die Verhängung von Geldbußen gegen das betroffene Land verlangen.
Krisengipfel der Staats- und Regierungschefs
Europa sieht sich derzeit mit der schwersten Flüchtlingskrise seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs konfrontiert. An diesem Mittwoch kommen die Staats- und Regierungschefs der EU zu einem Gipfel zusammen. Dieser soll sich nach den Plänen von Ratspräsident Donald Tusk vor allem auf das Vorgehen gegen Fluchtursachen und Möglichkeiten zur besseren Sicherung der EU-Außengrenzen konzentrieren. Am Dienstag hatten die EU-Innenminister die Verteilung von 120.000 Flüchtlingen aus Italien und Griechenland auf andere EU-Staaten per Mehrheitsbeschluss durchgesetzt.
Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini warnt unterdessen vor einem internationalen Ansehensverlust der Europäischen Union. "Wir müssen glaubwürdig sein und innerhalb unserer Grenzen tun, was wir außerhalb unserer Grenzen fordern", sagte sie der "Süddeutschen Zeitung" (SZ). "Wir versuchen, in anderen Teilen der Welt für unsere Werte zu werben. Aber das funktioniert nicht, wenn wir es zu Hause nicht schaffen, Respekt vor Minderheiten zu zeigen, beginnend etwa bei Muslimen", mahnte Mogherini.
"Das schwächt unsere Glaubwürdigkeit"
Schon jetzt schade der Umgang mit der Flüchtlingskrise der EU in der Außenpolitik. Der EU-interne Streit werde weltweit wahrgenommen. "Das schwächt unsere Glaubwürdigkeit nach außen sehr", sagte die EU-Außenbeauftragte der "SZ". Die EU werde "erheblich an Einfluss verlieren, wenn wir es nicht schaffen, uns gemeinsam unserer Verantwortung zu stellen". Schädlich seien auch die gegenseitigen Schuldzuweisungen. "Die Worte, die jetzt fallen, und die Zäune, die jetzt errichtet werden, bleiben - zumindest in der Erinnerung."
jj/stu(dpa, afp, rtr)