1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Merkel und Hollande wollen durchgreifen

Sabine Kinkartz, Berlin24. August 2015

Europäische Registrierungszentren in Italien und Griechenland, eine faire Lastenverteilung und eine schnelle Rückführung von abgelehnten Bewerbern: In der EU-Flüchtlingspolitik soll sich einiges ändern.

https://p.dw.com/p/1GKrT
Deutschland Francois Hollande und Angela Merkel PK in Berlin
Bild: T. Schwarz/AFP/Getty Images

Eigentlich wollten die Bundeskanzlerin und der französische Präsident bei ihrem Treffen in Berlin allein über die Ukraine reden, doch die dramatische Entwicklung in der Flüchtlingskrise stellt alles andere in den Schatten. "Es gibt Momente in der europäischen Geschichte, wo wir vor außergewöhnlichen Situationen stehen", sagte Francois Hollande in Berlin. "Heute ist so eine außergewöhnliche Situation, aber eine, die anhalten wird, solange die Krisen nicht gelöst sind." Europa könne nicht abwarten und nur Tag für Tag versuchen, mit der Situation umzugehen. "Wir müssen uns organisieren und unsere Politik absprechen."

Das soll schnell passieren und die deutsch-französische Achse baut entsprechenden Druck auf. Dabei sind es nicht nur die Bilder von tausenden Flüchtlingen, die sich über das Mittelmeer, über Italien, Griechenland, Mazedonien und Serbien den Weg nach Mittel- und Nordeuropa suchen, die Angela Merkel und Francois Hollande aufgeschreckt haben. Es ist auch die Angst vor den Folgen, vor weiteren rechtsextremen Ausschreitungen wie denen im sächsischen Heidenau.

Beschämende Bilder

"Ich verurteile die gewalttätigen Ausschreitungen auf das Schärfste" sagte die Bundeskanzlerin. Die aggressive, fremdenfeindliche Stimmung sei in keiner Weise akzeptabel. "Es ist abstoßend, wie Rechtsextremisten und Neonazis versuchen, dumpfe Hassbotschaften zu verkünden. Aber es ist genauso beschämend, wie Bürgerinnen und Bürger, sogar Familien mit Kindern, durch Mitlaufen diese Dinge noch einmal unterstützen." Deutschland sei ein Land, das die Würde jedes einzelnen Menschen respektiere.

Deutschland Sachsen Ausschreitungen vor Asylunterkunft in Heidenau
Rechtsextreme Krawalle vor der Flüchtlingsunterkunft in HeidenauBild: picture-alliance/dpa/A. Burgi

Die Krawalle in Heidenau hätten auch ihn "wirklich aufgerüttelt", ergänzte der französische Präsident. Nichts könne ein solches Vorgehen rechtfertigen. Für ihn ist aber auch klar, dass die Verantwortung für die Flüchtlinge nicht einem einzelnen Land überlassen werden könne, sondern ganz Europa davon betroffen sei. Noch gehen die EU-Mitglieder recht unterschiedlich mit dem Flüchtlingsandrang um. Die einen winken die Ankommenden einfach durch, andere halten die Standards möglichst niedrig. Genau in diesen Punkten wollen Merkel und Hollande nun durchgreifen.

Mahnung an die EU-Länder

Alle EU-Staaten sollen das vereinbarte gemeinsame Asylrecht vollständig umsetzen und realisieren. Dabei geht es um die Registrierung und um Mindeststandards der Unterbringung und der Gesundheitsversorgung. "Wir bitten die EU-Kommission, dafür Sorge zu tragen, wenn Mitgliedsstaaten diese Vereinbarungen nicht einhalten", fordert Merkel.

Des Weiteren soll es in der EU eine einheitliche Definition darüber geben, welche Balkan-Staaten als sogenannte sichere Herkunftsländer anzusehen sind und welche nicht. Vor neun Jahren hatte die EU-Kommission eine Liste sicherer Herkunftsländer vorgeschlagen, konnte sich damit aber nicht durchsetzen. Kommissions-Präsident Jean-Claude Juncker kritisierte bereits mehrfach, es sei unlogisch, wenn die EU-Mitgliedstaaten beschließen würden, die westlichen Balkanstaaten zu Beitrittskandidaten zu machen, sie aber nicht zugleich als sicher einstuften. Im September soll das Thema nun erneut behandelt werden.

Kosovo Plementina Abgeschobene Roma Familie
Armut ist kein Grund für Asyl: Roma im KosovoBild: picture-alliance/dpa/J. Kalaene

Flüchtlingsströme kanalisieren

Deutschland und Frankreich drängen darauf, dass die von den Staatschefs bereits beschlossenen Registrierungszentren für Flüchtlinge in den Ersteinreiseländern Griechenland und Italien noch in diesem Jahr aufgebaut werden sollen. "Das ist unerlässlich, um die Flüchtlinge zu registrieren, die an unseren Küsten ankommen und nach Europa wollen", so Hollande. Alle EU-Länder könnten dort gemeinsam Personal zur Verfügung stellen. "Das muss jetzt schnell geschehen, wir können keine Verzögerung akzeptieren", ergänzte Angela Merkel.

Gleichzeitig müssten gemeinsame Standards für die Rückführung eingeführt werden. "Man muss unterscheiden zwischen Menschen, die ein Recht auf Asyl haben und denen, die aus verständlichen Gründen hier her kommen, die aber nicht akzeptiert werden können", so Hollande. Für diejenigen, die eine Aufenthaltsberechtigung bekommen, müsse es dann eine faire Lastenverteilung geben. Ein Punkt, der unter den EU-Ländern besonders umstritten ist. Viele weigern sich, mehr Flüchtlinge aufzunehmen.

Hoffnung setzen die Bundeskanzlerin und der französische Präsident auch in den EU-Afrika-Gipfel, der im Herbst auf Malta stattfinden soll. Dort geht es unter anderem darum, Rückführungsabkommen mit afrikanischen Ländern abzuschließen. Es müssten aber auch Fluchtursachen bekämpft werden. Merkel geht davon aus, dass weitere Gelder bereitgestellt werden sollen, um bessere Lebensbedingungen in den Flüchtlingslagern an der Grenze zu Syrien, also im Libanon, in Jordanien, aber auch in der Türkei zu schaffen.