Asien-Cup: Palästinensische Fußballer im Zwiespalt
12. Januar 2024Die letzten Vorbereitungsspiele auf den Asien-Cup 2024 liefen gar nicht mal schlecht für die palästinensische Auswahlmannschaft. Ein knappes 0:1 gegen Usbekistan und ein torloses Unentschieden gegen Saudi-Arabien. Unter normalen Umständen würde sich die Aufmerksamkeit nun auf einen gelungenen Start in das Turnier richten, das vom 12. Januar bis 10. Februarin Katar ausgetragen wird.
Doch die Umstände sind nicht normal. Der heftige Gegenschlag der israelischen Armee nach dem Terrorangriff der islamistischen Hamas am 7. Oktober dauert an. Die Hamas wird von vielen Ländern als Terrororganisation eingestuft . Aus Gaza, der Heimat vieler palästinensischer Spieler, kommen laufend schlechte Nachrichten.
"Es ist herzzerreißend", erklärt Mittelfeldspieler Mohammed Rashid in einem Podcast. "Ich habe enge Freunde verloren. Solche Nachrichten erwarten wir eigentlich ständig."
Schwierige Situation für die Spieler
Die Lage lasse sich nicht ausblenden, sagt der Trainer des palästinensischen Teams, Makram Daboub. Er ist Tunesier. "Die Spieler sind die meiste Zeit im Hotel oder im Bus, verfolgen die Nachrichten auf ihren Handys und kommunizieren mit ihren Familien", so Daboub. "Sie sind in ständiger Angst angesichts der anhaltenden Aggression und des Krieges."
Die Situation sei schwierig, sagte auch Torhüter Rami Hamada nach der Ankunft in Katar. Man wolle den Menschen in der Heimat eine Freude bereiten - "auch wenn es nur eine ganz einfache ist". Er bedankte sich bei den Katarern für den freundlichen Empfang und die Unterstützung. Der WM-Gastgeber von 2022 sieht sich politisch in dem Konflikt ohnehin in der Vermittlerrolle.
Klar ist: Bei den Gruppenspielen des palästinensischen Teams gegen den Iran (1:4), die Vereinigten Arabischen Emirate (18. Januar) und Hongkong (23. Januar) geht es nicht nur um Tore und Punkte.
Die dritte Teilnahme in Folge an der Kontinentalmeisterschaft sei "eine Quelle des Stolzes, nicht nur für mich, sondern für alle Palästinenser", sagte Oday Dabbagh. Der Angreifer gilt als bester Spieler seines Teams. Auch Susan Shalabi, die Vizepräsidentin des palästinensischen Fußballverbandes PFA, betonte im Deutschlandfunk: "Über den Fußball können wir unsere nationale Identität ausdrücken."
Maßnahmen gegen Israel gefordert
Allerdings sind die Rahmenbedingungen sehr belastend: Viele Spieler haben Familie und Freunde im Gazastreifen oder im Westjordanland, wo seit Kriegsausbruch ebenfalls kein Fußball mehr gespielt wird. "Wir wollen die Familie eines Spielers herausholen. Bei der kleinen Tochter ist das geglückt, aber seine Frau ist noch in Gaza. Der Druck für den Spieler ist enorm", berichtete Shalabi. Auch das Team selbst sei durch die Folgen des Krieges und die damit verbundenen Sanktionen geschwächt. Drei potenzielle Kaderspieler hätten es nicht rechtzeitig aus dem Gazastreifen geschafft, berichtete die PFA.
Der Verband erhob schwere Vorwürfe gegen Israel und forderte vom Internationalen Olympischen Komitee, dem Fußball-Weltverband FIFA und dem asiatischen Kontinentalverband AFC "dringende Maßnahmen". Laut Shabali sind bisher mehr als 80 aktive Fußballerinnen und Fußballer im Gazastreifen getötet worden - viele von ihnen seien Kinder und Jugendliche gewesen, so die PFA-Funktionärin: "Ich gehe davon aus, dass die Dunkelziffer wesentlich höher ist."
Nach Angaben des Verbands hat Israel zudem neun Sportstätten zerstört. Das Yarmouk-Stadion, eines der größten Wahrzeichen des palästinensischen Sports, werde außerdem vom israelischen Militär als Internierungslager zweckentfremdet. "Das ist ein Verbrechen, und die internationalen Sportverbände können dies nicht tolerieren, verschweigen oder ignorieren", ließ die PFA verlauten.
Vorbereitung fern der Heimat
Von den Kriegsereignissen überschattet fand die Vorbereitung der palästinensischen Auswahlmannschaft in Algerien und Saudi-Arabien statt. Palästina wird von den Vereinten Nationen nicht als Staat anerkannt, ist aber seit 1998 FIFA-Mitglied. In der FIFA-Weltrangliste belegt das Team aktuell den 99. Platz.
Normalerweise würden die Spiele der palästinensischen Auswahl in der Heimat gebannt verfolgt werden. Doch in den wenigen noch existierenden Bars und Restaurants läuft längst kein Fußball mehr auf den Großbildschirmen.