Asien bleibt im Zentrum der US-Außenpolitik
2. Juli 2013Die Neuausrichtung der US-amerikanischen Außenpolitik auf Asien ist das Vermächtnis von Kerrys Vorgängerin Hillary Clinton. Sie hatte "Amerikas pazifisches Jahrhundert" ausgerufen und ihren Worten Taten folgen lassen: Ihre erste Reise im neuen Amt führte Clinton Anfang 2009 nach Asien. In einem richtungsweisenden Aufsatz der Zeitschrift "Foreign Policy" betonte Clinton: "So wie Asien entscheidend für Amerikas Zukunft ist, so ist ein engagiertes Amerika unentbehrlich für Asiens Zukunft."
In den vergangenen Monaten waren allerdings Zweifel aufgekommen, ob die USA an ihrem Engagement in Asien festhalten wollen und können, wie Ernest Z. Bower und Noelan Arbis vom Institut für Strategische und Internationale Studien (ISIS) schreiben: "Regionale Partner aus Asien stellen Fragen bezüglich der Nachhaltigkeit und Stärke des amerikanischen Engagements in der Region, da Kerry scheinbar dem Syrien-Konflikt und den israelisch-palästinensischen Beziehungen Vorrang eingeräumt hat, seitdem er am 1. Februar das Amt des Außenministers übernommen hat."
"Schwenk nach Asien" weiterhin gültig
Diesem Eindruck ist Kerry auf dem ASEAN-Regionalforum (ARF) in Brunei entschieden entgegengetreten. Im Rahmen der Eröffnungszeremonie sagte er am 1. Juli mit großem Nachdruck, dass die USA den bereits eingeschlagenen Kurs fortsetzen würden, und dass er sogar hoffe, die Anstrengungen noch vergrößern zu können.
Auf dem Treffen, das der Verband südostasiatischer Nationen (ASEAN) seit 1994 jährlich ausrichtet, sind neben den 18 Mitgliedern des Ostasiengipfels (die zehn ASEAN-Staaten plus Australien, China, Indien, Japan, Neuseeland, Russland, Südkorea und den USA) neun weitere Staaten vertreten.
Kerry setzt damit eine Linie fort, die US-Verteidigungsminister Chuck Hagel vor einem Monat auf der größten regionalen Sicherheitskonferenz der Region, dem Shangri-La Dialogue 2013 (31.05. bis 02.06.), ebenfalls vertreten hatte: "Es ist richtig, dass dem Verteidigungsministerium weniger Finanzmittel zur Verfügung stehen werden als in der Vergangenheit, es wäre aber unklug und kurzsichtig, daraus zu folgern, dass unsere strategische Neuausrichtung darunter leiden werde."
"Keine Eindämmung Chinas"
Die strategischen Herausforderungen, denen sich die USA in Asien stellen müssen, sind vielfältig, wie Bower und Arbis vom ISIS darlegen: Sie reichen von den Territorialstreitigkeiten im Süd- und Ostchinesischen Meer über Nordkoreas Atomprogramm bis zu ethnischen und religiösen Konflikten unter anderem in Myanmar.
Am Beispiel des Südchinesischen Meeres lässt sich der Ansatz der USA verdeutlichen. Kerry äußerte sich in Brunei explizit zu dem Konflikt: "Wir hoffen sehr, dass es bald Fortschritte auf dem Weg zu einem effektiven Verhaltenskodex (code of conduct) gibt, der die Stabilität dieser wichtigen Region sichert." Er betonte zugleich, dass sich die USA nicht direkt in einzelne Konflikte einmischen, aber auf eine Regelung im Rahmen des Völkerrechts drängen würden. Die USA versuchen so, ihren regionalen Partnern den Rücken zu stärken und ein Gegengewicht zu China aufzubauen, ohne auf direkten Konfrontationskurs zu gehen. Das unterstrich Kerry indirekt in Brunei: "Unsere Aktionen dienen nicht der Eindämmung eines Landes oder dazu, ein Gegengewicht zu irgendeinem Land aufzubauen."
Das hält Gerhard Will von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin für wenig glaubwürdig: "Die USA verfolgen eine Strategie der Eindämmung, ohne dass ihnen das immer ganz bewusst zu sein scheint. Sie sprechen davon, China einzubeziehen, wenn man aber konkret schaut, was die USA tun, so wird China oft eben nicht einbezogen." In letzter Konsequenz bedeute das, dass sich die USA und China als klare Rivalen in Südostasien gegenüberstehen. "Das ist eine Strategie, die langfristig keine Perspektive hat."
Diese Strategie werde die ASEAN-Staaten letztlich dazu zwingen, sich klarer als pro-chinesisch oder pro-amerikanisch zu positionieren. Deswegen sei es Kerry beim ASEAN-Regionalforum auch darum gegangen, Vertrauen zurückzugewinnen, meint Will. "Mit dem Rückhalt der USA in wirklichen Krisensituationen ist es nicht so gut bestellt, das zeigt das Beispiel der Philippinen." Als sich philippinische und chinesische Streitkräfte im Sommer 2012 am Scarborough-Riff gegenüberstanden, hätten sich die USA sehr zurückgehalten.
Interessengemeinschaft
Allerdings sieht Will keine Neuauflage des Kalten Kriegs, als sich die USA und Sowjetunion mit klarem Feindbild gegenüberstanden. Die heutige Situation sei viel komplizierter. Die weitreichenden ökonomischen Verknüpfungen zwischen USA und China schaffen nämlich zugleich eine Interessengemeinschaft. Will betont: "Die Strategie der Eindämmung lässt sich mit den ökonomischen Interessen der USA und natürlich auch der Volksrepublik China nicht vereinbaren."
Die Interessengemeinschaft zeigt auch der Fall Nordkorea. Nach einem Treffen zwischen Kerry und dem chinesischen Außenminister Wang Yi zeigten sich beide Seiten einig in ihrer Entschlossenheit, sich dem nordkoreanischen Atomprogramm zu widersetzen.