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Der Art-Cologne-Gründer Rudolf Zwirner im DW-Interview

Stefan Dege13. April 2016

Er gehört zu den Gründern der Art Cologne. 50 Jahre danach zieht Rudolf Zwirner im DW-Interview Bilanz. Ein Gespräch über die Anfänge, über Fehler und Erfolge.

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Der Kunstmarkt-Experte Rudolf Zwirner vor abstrakten Bildern von René Daniels. Foto: Thilo Rückeis
Bild: picture-alliance/Tagesspiegel/T. Rückeis

DW: Herr Zwirner, was hat Sie angetrieben, als Sie 1967 den Kölner Kunstmarkt aus der Taufe hoben?

Rudolf Zwirner: Es gab viele Gründe. Zum einen betraf 1966 die erste stärkere Rezession auch den Kunsthandel. Der wesentlich wichtigere Grund aber war, dass sich das Interesse der deutschen, bundesrepublikanischen Sammler zu fast 100 Prozent auf "entartete" Künstler, also die im Dritten Reich verfemte Kunst, richtete. Als moderne, zeitgenössische Kunst war nur die 'Ecole de Paris' gefragt. Das Interesse für die junge Kunst meiner Generation – wie Gerhard Richter und Sigmar Polke – war gleich Null. Junge deutsche und amerikanische Künstler hatten schon ein Oevre, aber für sie gab es keinen Markt. Diese Situation war auf Dauer nicht haltbar. So haben Heinz Stünke und ich Anfang 1967 versucht, die Avantgarde-Galerien Deutschlands für fünf, sechs Tage nach Köln zu bekommen.

Mit dieser Idee sind wir zum damaligen Kölner Kulturdezernenten Kurt Hackenberg gegangen und waren überrascht, dass er diese Idee begeistert aufgriff und uns die Räume im Gürzenich gab, dann auch im Kunstverein und in der Kunsthalle und später verschaffte er uns das Entrée in der Messe. Und wie gesagt: Wirtschaftlich ging es uns damals sehr schlecht.

Warum war diese Idee eines Kunstmarktes zur damaligen Zeit so revolutionär ?

Bis zu diesem Zeitpunkt war Kunst niemals außerhalb der auratischen Räume von Museen und Galerien zu sehen. Es herrschte die alte Ideologie, dass Kunst grundsätzlich etwas Erhabenes und keine Ware ist. Für einfache Leute, die nicht Käufer sein konnten oder wollten, war es schwer, diese Räume zu betreten. Kunst galt als was Besonderes, war nicht irgendein Konsumartikel, der auf einer Messe oder auf einem Markt ausgestellt werden könnte. Andy Warhol war vermutlich der Erste, der diese Trennung von 'High and Low' aufhob und seine Atelierarbeit als 'Factory' bezeichnete. Meine Generation brachte den Wechsel: Kunst gehörte in die Öffentlichkeit, auf Plätze und auf Messen. Wir waren begeistert. Dagegen fand das die Väter-Generation, Galeristen wie Kahnweiler, die vor und nach dem ersten Weltkrieg Galerien betrieben, völlig unangemessen. Besonders die Vorstellung, dass Preise öffentlich sichtbar wurden, dass jeder auf dem Preisschild sehen kann, was ein Picasso kostet, war für diese Generation noch unvorstellbar. Und entsprechend groß waren die Aggressionen der Älteren.

Einblicke in den Eingangsbereich der Kunstmesse Art Cologne. Foto: KölnMesse
Die Art Cologne feiert JubiläumBild: Koelnmesse GmbH

Waren sie von Ihrem Erfolg überrascht?

Ja, sehr. Wir hatten gehofft, dass vielleicht 2000 Besucher in den Gürzenich kommen würden. Und überließen dem etwas schlitzohrigen und hochintelligenten Hackenberg auch gerne die Eintrittsgelder. Dafür bezahlten wir eine geringe Pauschale für den Gürzenich. Und dann stellte sich heraus, dass 15.000 bis 20.000 Besucher kamen. Noch überraschender war, dass jeder der 18 Galeristen ungewöhnlich hohe Umsätze machte, besonders mit Druckgraphik. Da ging das Geschäft mit der Kunst der 1960er Jahre erst richtig los.

Hat diese Kunstmesse unseren Umgang mit Kunst verändert?

Ja, absolut! Enorm sogar! Es gibt heute viele Messen weltweit. Der Kreis der Interessenten hat sich verhundertfacht. Kunst ist nicht mehr nur etwas für Hochgebildete, sehr Vermögende. Die Kunst ist auch für breite Kreise zugänglich, zum Teil durch die Produktionsverfahren, aber eben vor allem durch die Messen die überall stattfinden. Kunst ist heute sehr viel stärker in die Öffentlichkeit gerückt.

Nun war der Kölner Kunstmarkt, aus der die Art Cologne entstand, nicht immer auf der Erfolgsspur. Welche Fehler wurden aus Ihrer Sicht gemacht?

Die größten Fehler habe ich selbst gemacht. Erstens habe ich den Termin nicht vom Herbst auf das Frühjahr verlegt, weil ich nicht durchschaute, wie stark der Anteil der Amerikaner sein würde. Und die amerikanische Kundschaft kam im Allgemeinen im Juni, Juli nach Europa, um Ferien zu machen. Zum anderen habe ich den großen Fehler gemacht zu sagen, wir brauchen keine internationalen Galerien, denn die Kunst muss international sein. Ich hätte ahnen können, dass das so nicht funktioniert. Der dritte große Fehler war, dass wir nicht schneller und energischer in Richtung Messe gezogen sind, denn mit 18 Galerien haben wir unter den Kollegen Ärger erzeugt, die alle mitmachen wollten. Einerseits wollten wir nicht zu exklusiv sein, sondern eine Messe. Andererseits blieben wir exklusiv – ein Widerspruch, der fatal war. Es entstanden Konkurrenzmessen. Und am Ende stellten wir fest, dass die internationale Messe mit internationaler Beteiligung viel erfolgreicher war. Wir hätten uns nach dem Erfolg der ersten Messe viel schneller breiter aufstellen müssen.

Die Konkurrenz wurde immer mächtiger – in Basel, Miami, London. Wo sehen Sie die Zukunft der Art Cologne?

Das mit den Fehlern ist nur die halbe Wahrheit. Auch ohne die genannten Fehler hätten wir diese Konkurrenz mit Basel verloren, denn in den Anfangsjahren war es so, dass die amerikanischen und ausländischen Sammler einmal im Jahr in die Schweiz gingen. Meist hatten sie Bankverbindungen in der Schweiz, machten Geschäfte mit Bankern. Zum andern war ein Großteil der amerikanischen Sammler jüdisch und wollte unter gar keinen Umständen deutschen Boden betreten. Für sie war Basel. Eine Reihe von Sammlern hat mir gesagt: 'Wir freuen uns Deutsch zu sprechen, aber wir können Dich leider nicht besuchen. In Basel sehr gerne, in Köln aber mit Sicherheit nie!' Das war in den 1960er Jahren noch sehr stark: Das Interesse war da, aber bitte nicht in Deutschland.

Hat sich das geändert?

Aber erheblich! Es fing an, dass das Tel Aviver Museum deutsche Kunst ausstellte, danach wurde sie in New York gezeigt. Allmählich kamen die Sammler auch nach Deutschland. Dieser Wechsel spielte sich aber erst in den 1980er Jahren ab.

Wo sehen Sie Ihr Baby, die Art Cologne, in Zukunft?

Das Baby wird es in den nächsten Jahrzehnten schwer haben, weil sich das große Geschäft – über eine Million – von New York zunehmend über Hongkong auch nach Asien verlagert. Die deutsche und europäische Kundschaft wird diese hochpreisigen Dinge nicht mehr kaufen. Es wird den Markt für Nicht-Hochpreisiges zwar immer geben, aber die ganz großen Galerien werden Köln nicht besuchen, sondern Basel, Hongkong, Miami, vielleicht auch Sao Paulo. Das große internationale Kunstgeschäft spielt sich in New York ab oder in China, dem fernen Osten. Um so nötiger ist es, dass die Stadt Köln sich für die Art Cologne stark engagiert – wie zu Hackenbergs Zeiten: Mit Ausstellungen etwa im Museum Ludwig, damit Köln als internationaler Kunst-Standort wahrgenommen wird.

Rudolf Zwirner, Jahrgang 1933, ist Kunsthändler, Galerist und Ausstellungskurator. Die von ihm geleitete Galerie Zwirner gehörte in den 1970er bis 1990er Jahren zu den maßgebenden Galerien für zeitgenössische Kunst in Europa. Das Gespräch mit Rudolf Zwirner führte Stefan Dege