Armutskonferenz macht Druck
17. Oktober 2018Arbeitslosigkeit, Niedriglohnjobs und das Alleinerziehen von Kindern sind in Deutschland die Hauptursachen für Verarmung. Das geht aus dem Schattenbericht der Nationalen Armutskonferenz hervor. Darin kommen auch Betroffene zu Wort. Dem Bericht unter dem Titel "Armut stört" zufolge leben rund 16 Prozent der Bevölkerung an der statistischen Armutsgrenze.
Viele Menschen hätten nicht genug zum Leben, sagte die Sprecherin der Nationalen Armutskonferenz, Barbara Eschen. Das trifft demnach an erster Stelle die Arbeitslosen, von denen 70,5 Prozent unter der Armutsgrenze leben. Bei Alleinerziehenden sind es 32,5 Prozent. Am seltensten zählen Paare mit zwei Kindern zu den Armen (acht Prozent). Unter Frauen ist Einkommensarmut weiter verbreitet als unter Männern. Von den Senioren gilt jeder Fünfte als arm.
Obwohl Wirtschaft und Arbeitsmarkt boomten, sei für viele Menschen in Beschäftigung Armut "bittere Realität", so Eschen weiter. Dem Bericht zufolge verdoppelte sich in Deutschland die Erwerbsarmut in den vergangenen zehn Jahren. Demnach stieg zwischen 2004 und 2014 der Anteil der "working poor" an allen Erwerbstätigen auf 9,6 Prozent. "Prekäre Beschäftigung schafft Unsicherheit, führt in Altersarmut und behindert die Lebensplanung", erklärte Eschen in Berlin. Sie forderte die Anhebung des Mindestlohns sowie höhere Regelsätze in der Grundsicherung. Zudem müsse bei Hartz-IV-Empfängern auf Sanktionen verzichtet werden.
Besonders problematisch sind laut Nationaler Armutskonferenz die Minijobs, die derzeit rund 7,5 Millionen Menschen verrichten. Diese ermöglichten in der Regel keinen Einstieg in gute Arbeit, sondern seien "berufliche Sackgassen mit mangelnden Perspektiven, niedrigen Einkommen und oftmals schlechten Arbeitsbedingungen", kritisierte Erika Biehn von dem Bündnis. Insbesondere Frauen seien hiervon betroffen. Die Bundesregierung müsse sich daher "für gute Arbeit und sozialversicherungspflichtige Beschäftigung" einsetzen, statt "Arbeit um jeden Preis" zur Devise zu machen.
Die stellvertretende Sprecherin der Konferenz, Werena Rosenke, kritisierte zudem einen Mangel an bezahlbarem Wohnraum in deutschen Städten. Dies betreffe zunehmend einkommensarme Haushalte, Alleinerziehende, Studierende, Geflüchtete oder Senioren. Der soziale Wohnungsbau müsse deshalb stärker gefördert werden, erklärte Rosenke, die auch der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe als Geschäftsführerin vorsteht.
"Minijobs, Befristungen und Leiharbeit eindämmen"
Der Sozialverband VdK nannte Kinderarmut, Einkommensarmut und Altersarmut in einem reichen Land wie Deutschland "skandalös". VdK-Präsidentin Verena Bentele forderte die Bundesregierung auf, Armut zu bekämpfen, "indem man prekäre Arbeitsverhältnisse wie Minijobs, Befristungen und Leiharbeit eindämmt".
Armut wird im Vergleich zu den Löhnen gemessen. Wenn die Einkommen steigen, steigt auch die Armutsgrenze. In Deutschland galten im Jahr 2017 Single-Haushalte mit weniger als 999 Euro Nettoeinkünften als arm. Die Armutsgrenze für Familien mit zwei Kindern lag bei 2099 Euro. Vor zwölf Jahren waren es noch 1545 Euro.
Die Nationale Armutskonferenz ist ein Bündnis von in Deutschland tätigen Organisationen. Zu den Mitgliedern gehören Gewerkschaften, Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege, bundesweit tätige Fachverbände und Selbsthilfeorganisationen.
Der Schattenbericht, der am diesjährigen Internationalen Tag zur Beseitigung der Armut zum dritten Mal veröffentlicht wurde, versteht sich als Parallelbericht zur Armuts- und Reichtumsberichterstattung der Bundesregierung.
stu/mak (afp, kna, epd)