Armee im Reformstress
6. Oktober 2011"Heiliger Sankt Florian, verschon' mein Haus, zünd' andere an!" Diese Hoffnung hegen wohl alle Lokalpolitiker, die in diesen Tagen beim Verteidigungsminister vorstellig werden: Ihre Kaserne möge bitte nicht unter jenen sein, die für immer geschlossen werden. Auch die Ministerpräsidenten pochen darauf, dass ihr Bundesland nicht zu stark belastet wird.
Knapp 400 Standorte hat die Bundeswehr in Deutschland, und für den Erhalt eines jeden lassen sich gute Argumente finden. So manche Kleinstadt lebt gut von den Soldaten, die dort wohnen, einkaufen und ihr Bier trinken gehen. Aber längst nicht alle Standorte werden die Bundeswehrreform überleben, deren Details Minister Thomas de Maizière (CDU) am 26. Oktober vorstellen will.
Banges Warten auf das Stationierungskonzept
"Die Verteilung von Bundeswehrstandorten ist kein Strukturprogramm für die Länder und Kommunen", beugt der Minister der Kritik aus den Regionen vor. "Die Streitkräfte müssen weiter in der Fläche vertreten sein", hält Oberst Ulrich Kirsch dagegen. Der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes, der die Interessen der Soldaten vertritt, hält nichts von der Konzentration auf Großstandorte. "Wenn wir aus der Fläche verschwinden, verschwinden wir aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit und der Gesellschaft."
Noch hält der Minister unter Verschluss, welche Standorte dem Rotstift zum Opfer fallen. Bisher hat er nur die großen Linien der Reform verkündet: 170.000 Berufs- und Zeitsoldaten soll die Truppe künftig nur noch haben, derzeit sind es gut 200.000.
Dazu kommen 5 -15.000 junge Männer, die freiwillig Wehrdienst leisten, nachdem die Wehrpflicht in diesem Jahr im Eilverfahren abgeschafft wurde. Diese kleinere Freiwilligenarmee soll besser strukturiert werden und sich noch stärker auf die Auslandseinsätze ausrichten. "Das heißt aber keineswegs, dass zwangsläufig mehr deutsche Soldaten in Auslandseinsätze entsandt werden", sagt Minister de Maizière.
Kleiner, aber nicht billiger
Ein großer Einschnitt ist auch bei den zivilen Beschäftigten der Bundeswehr geplant, hier werden 20.000 Stellen gestrichen. "Völlig überzogen" findet das der SPD-Verteidigungspolitiker Rainer Arnold. "Wenn die Soldaten sich auf ihre Kernaufgaben konzentrieren, brauchen sie mehr und nicht weniger Unterstützung durch zivile Mitarbeiter."
Ein Auslöser der Reform war das ehrgeizige Ziel der schwarz-gelben Bundesregierung, innerhalb von vier Jahren mehr als 8 Milliarden Euro bei den Streitkräften einzusparen. Davon ist längst nicht mehr die Rede. In der Anfangsphase kostet die Umstrukturierung sogar zusätzliches Geld. Wenn mittelfristig gespart wird, dann deutlich weniger als erhofft. "Sie sparen nichts, Herr Minister", stichelt die Opposition. Finanziell gesehen sei die "größte Reform in der Geschichte der Bundeswehr" nur ein Reförmchen.
Frust in der Truppe
Den Bundeswehrverband treibt noch eine andere Sorge um: Viele Soldaten sind reformmüde. Seit 20 Jahren werde die Bundeswehr umgebaut, der Dienst sei zu einem Dauerprovisorium geworden. Eine Konzentration auf spezielle Fähigkeiten und eine engere Zusammenarbeit mit den Armeen der Nachbarländer könnte die Soldaten entlasten, sagt der Vorsitzende Kirsch, der die Streitkräfte vor dem Burnout sieht.
Stattdessen plane der Bundesverteidigungsminister, das volle Spektrum der militärischen Fähigkeiten zu erhalten. Das bedeute mehr Arbeit für jeden einzelnen Soldaten. In der Geschäftsstelle des Bundeswehrverbandes, berichtet Kirsch, stehe das Telefon nicht still: Viele Soldaten rufen an, weil sie der Bundeswehr den Rücken kehren wollen.
Autorin: Nina Werkhäuser
Redaktion: Bettina Marx