Armee entmachtet Präsident Touré
22. März 2012Ein Putsch in der Nacht zum Donnerstag (22.03.2012) - der Ärger vieler Soldaten darüber, wie lax Präsident Amadou Toumani Touré der Tuareg-Rebellion im Norden Malis begegnete, war einfach zu groß. Die Meuterer des "Nationalen Komitee für die Wiedererrichtung der Demokratie und die Wiederherstellung des Staates" (CNRDR) wollten das "inkompetente Regime" des Präsidenten beenden, wie sie in einer Erklärung über das tags zuvor gekaperte Staatsfernsehen bekannt machten.
Doch wieso dieser Putsch fünf Wochen vor den regulären Präsidentschaftswahlen, bei denen Amadou Toumani Touré, genannt ATT, ohnehin nicht wieder antreten wollte? Möglicherweise war es eine Lektion für den Staatschef, der von vielen Seiten beschuldigt wurde, dem Aufstand nicht die nötige Aufmerksamkeit entgegen zu bringen. Für Younouss Hamèye Dicko, Chef der Oppositionspartei RDS, der Versammlung für Demokratie und Solidarität, liegt das auf der Hand: "Der Präsident hat sich in der Beilegung des Konfliktes im Norden feige verhalten", sagt der Politiker. "Alles wurde mit einer Lässigkeit behandelt, dass man sich fragen musste, ob es überhaupt jemanden gab, der darüber nachdenkt, wie man diese Situation löst, die immerhin seit einigen Jahren vorherrscht."
Unzufriedenheit und Frustration
Auch Pierre Boiley im französischen Zentrum für Afrika-Studien in Paris betont: "Die Soldaten hatten einfach die Nase voll. Sie wollten auch nicht mehr warten." Die ehemalige malische Kultur- und Tourismusministerin Aminata Traoré, heute Mitglied der Zivilgesellschaft, drückt es noch drastischer aus: "Die Militärs fühlten sich gedemütigt: Nicht nur bezahlen sie den Kampf im Norden mit Menschenleben, sondern wurden dann auch noch für die Lage verantwortlich gemacht." Das hätten sie sich nicht länger bieten lassen wollen.
Der deutsche Mali-Experte Alexander Stroh vom Giga-Institut in Hamburg weist darüber hinaus darauf hin, dass viele Soldaten kein Interesse daran hätten, "sich im Norden aufzuopfern für eine Sache, für die sie kein besonderes Interesse empfinden."
Staatsstreich überraschte selbst Experten
Viele Malier, aber auch ausländische Experten wurden dennoch überrascht von der Plötzlichkeit und Heftigkeit der Ereignisse. "Es hat wohl alle ausländischen Beobachter frappiert, dass es zu diesem Putsch gekommen ist", so Alexander Stroh. Einen solchen Putsch habe weder die afrikanische, noch die internationale Gemeinschaft vorhergesehen.
Stroh lobt jedoch die Art und Weise, wie etwa die afrikanische Wirtschaftsgemeinschaft Ecowas auf den Staatsstreich reagiert hat: "Die Ecowas hat sehr schnell darauf hingewiesen, dass man die Vereinbarung hat, dass nicht-verfassungsgemäße Mittel nicht die Politik bestimmen sollen". Indem der westafrikanische Staatenbund, aber auch die Afrikanische Union den Putsch verurteilt hätten, übten sie - nach Ansicht von Stroh - Druck aus auf die Putschisten, es nicht darauf anzulegen, an der Macht zu bleiben.
Tuareg-Rebellen unbeeindruckt vom Putsch
In der Tat haben die Putschisten bereits angekündigt, so schnell wie möglich zu einem demokratisch gewählten System zurückkehren zu wollen. Das würde dann fast ein bisschen an die Anfänge des Amadou Toumani Touré erinnern: Denn der gestürzte Präsident war selbst einmal Mitglied des Militärs und hatte 1991 gegen Diktator Moussa Traoré geputscht. Er führte Mali in die Demokratie und übergab die Macht nach einem Jahr einer zivilen Regierung unter Alpha Oumar Konaré. Nachdem ATT 2001 aus der Armee ausgeschieden war, wurde er 2002 regulär zum Präsidenten gewählt und 2007 im Amt bestätigt - bis zu seinem Sturz in der Nacht zum 22. März 2012.
Die Tuareg-Rebellen im Norden des Landes zeigen sich indes unbeeindruckt von Staatsstreich und Ärger des Militärs. Einer der Rebellen, Abdoul Karim Ag Matasa, eigenen Angaben zufolge einer der führenden Köpfe der MNLA, sagte im Gespräch mit der DW: "Der Putsch ändert nichts für uns. Die Kämpfe gehen weiter, so lange unser Gebiet nicht befreit wurde."