Argentinien steht wieder kurz vor der Pleite
31. Mai 2020Inmitten einer schweren Wirtschafts- und Finanzkrise setzt Argentinien auf einen neuen Kredit des Internationalen Währungsfonds (IWF). "Wir arbeiten sehr konstruktiv mit dem IWF zusammen", sagte Wirtschaftsminister Martín Guzmán (Artikelbild) in Buenos Aires. "Argentinien setzt auf ein neues Programm." Der IWF hat Argentinien bereits den größten Kredit seiner Geschichte über 57 Milliarden US-Dollar gewährt. Allerdings ist der Fonds in Argentinien äußerst unpopulär. Viele Menschen machen ihn für die sozialen Härten nach der jüngsten Staatspleite 2001 verantwortlich.
Das südamerikanische Land blickt auf eine wechselvolle Wirtschaftsgeschichte zurück. Einst eines der reichsten Länder der Welt litt es zuletzt immer wieder unter extremer Inflation, Kapitalflucht und einem ständigen Wechsel der Wirtschaftspolitik mit jeder neuen Regierung. "Das Vertrauen in Argentinien ist beschädigt", räumte Guzmán ein. "Wir brauchen wirtschaftliche Kontinuität."
IWF: Schulden sind untragbar
Die zweitgrößte Volkswirtschaft Südamerikas steckt in einer schweren Krise. Die Inflationsrate betrug zuletzt mehr als 50 Prozent, für das laufende Jahr wird mit einem Rückgang der Wirtschaftskraft von 5,7 Prozent gerechnet. Das Land leidet unter einem aufgeblähten Staatsapparat, geringer Produktivität der Industrie und einer großen Schattenwirtschaft, die dem Staat viele Steuereinnahmen entzieht. Der IWF hatte die Schulden Argentiniens als untragbar bezeichnet - das Land sitzt auf Schulden im Volumen von insgesamt 323 Milliarden Dollar (Stand Ende 2019).
Derzeit verhandelt die Regierung mit den privaten Gläubigern über einen Schuldenschnitt. "Wir sitzen alle am Verhandlungstisch, aber es fehlt noch eine gute Wegstrecke", sagte Wirtschaftsminister Guzmán. "Wir brauchen eine nachhaltige Lösung, die den beschränkten Möglichkeiten Argentiniens Rechnung trägt. Wir wollen nur Versprechen geben, die wir auch halten können."
Bei einer Staatspleite verlieren Investoren alles
Insgesamt will die argentinische Regierung nach ausländischem Recht ausgegebene Staatsanleihen im Wert von rund 66 Milliarden US-Dollar umschulden. Sie hat ein Zahlungsmoratorium bis 2023, eine kräftige Kürzung der Zinszahlungen und einen geringfügigen Schuldenschnitt angeboten. Die Gläubiger, zu denen große Investmentgesellschaften wie Blackrock, Fidelity, Greylock Capital und Ashmore zählen, lehnen die Offerte bislang ab.
Gibt es keine Einigung mit den Gläubigern, würde dies als Zahlungsausfall gewertet und das Land technisch gesehen als Pleite gelten. Damit wäre es vom internationalen Kapitalmarkt abgeschnitten, was die Schulden-Aufnahme verteuern dürfte. Für die Investoren hingegen besteht in den Verhandlungen das Risiko, bei einem Scheitern am Ende mit nichts dazustehen.
nob/haz (dpa, rtr)