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Argentinien kämpft um Bonität

Jan D. Walter30. November 2012

Ein Gerichtsurteil in New York hat Argentinien an den Rand der Zahlungsunfähigkeit gebracht. Damit werden die Erinnerung an den Staatsbankrott von 2001 wieder wach. Das Vertrauen in die Regierung schwindet weiter.

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A Liberal Libertario party member offers one dollar for 5 Argentine pesos to protest against the lack of freedom, such as the right to freely dispose of their own money, in Buenos Aires, Argentina, Monday, May 28, 2012. Argentina is making it harder for people to buy U.S. dollars to pay for travel abroad. A new rule published Monday says anyone wanting to buy dollars for travel must first prove their money was obtained legally, and provide the tax agency with trip details including why, when and where they are traveling. President Cristina Fernandez is cracking down to keep hard currency from flowing out of Argentina, which needs the dollars to maintain its central bank reserves and pay debts. (AP Photo/Natacha Pisarenko)
Argentinien BanknotenBild: AP

Angeblich hat Argentinien 40 Milliarden US-Dollar an Devisenreserven. "So lauten zumindest die offiziellen Zahlen", sagt Federico Foders. Doch der Lateinamerika-Experte des Kieler Instituts für Weltwirtschaft hegt offene Zweifel an den Angaben der Regierung: "Dann könnten sie ja die fällige Rückzahlung von fünf Milliarden US-Dollar leicht bedienen."

Portrait von Prof. Dr. Federico Foders, Kieler Ökonom und Lateinamerika-Experte vom Institut für Weltwirtschaft Kiel (IfW); (Foto: IfW Kiel)
Lateinamerika-Experte Federico Foders: "Devisen werden knapp"Bild: IfW Kiel

Diese Summe sollte Argentinien am 15. Dezember zurückzahlen: Mit 3,5 Milliarden hatte der Staat gerechnet. Doch am 21. November entschied ein New Yorker Richter, dass das Land zum selben Termin weitere 1,3 Milliarden Dollar zurückzahlen muss. Eine Woche später gab ein Berufungsgericht zwar dem Antrag der Regierung statt, das Urteil auszusetzen. Doch Ende Februar wird Argentinien wieder vor der gleichen Forderung stehen.

Alte Schulden

Der Ursprung der Zahlungsschwierigkeiten liegt mehr als zehn Jahre zurück: Nachdem Argentinien Ende der 90er-Jahre in eine tiefe Wirtschaftskrise rutschte, meldete der Staat Ende 2001 Staatsbankrott an. Mit zuletzt zwölf Prozent Zinsen auf Staatsanleihen hatte der Staat noch in der Krise Investoren gefunden und einen Schuldenberg von rund 100 Milliarden US-Dollar angehäuft.

Customers of the Banco Patricios read a notice in a window of the bank in downtown Buenos Aires, Thursday, March 19, 1998. Banco Patricios announced that the Central Bank will suspended all banking activities for 30 days due a steep decline in deposits. The suspension means depositors will be unable to withdraw their funds, or carry out other transactions during the 30-day period. (AP Photo/Daniel Muzio)
In der Krise Ende der 90er Jahre standen die Argentinier vor geschlossenen BankenBild: AP

Die Verhandlungen um die Rückzahlung zogen sich bis 2005. Am Ende ließen sich die allermeisten Gläubiger darauf ein, rund zwei Drittel ihrer Forderungen fallen zu lassen, die Laufzeiten zu verlängern und die Zinsen zu senken.

Einige Bond-Inhaber bestanden aber weiter auf den vollen Wert ihrer Anleihen - und tun es bis heute. Dazu gehören auch einige Hedgefonds des US-Milliardärs Paul Singer, der damals Schuldscheine günstig aufkaufte in der Hoffnung, eines Tages den vollen Betrag zu erhalten.

Beharrliche Gläubiger

Diesem Ziel hilft er auf die Sprünge, indem er die Forderungen rigoros einklagt. Im Oktober hatten die Behörden in Ghana auf Antrag eines seiner Hedgefonds das Segelschulschiff der argentinischen Marine beschlagnahmt. Zuvor hatte die "Libertad" jahrelang Häfen außerhalb Lateinamerikas gemieden, um eine Pfändung zu verhindern. Schon Néstor Kirchner, der verstorbene Ehemann und Vorgänger der heutigen Präsidentin, hatte einst seinen Staatsbesuch in Deutschland abgesagt, weil er die Pfändung seines Dienstflugzeugs befürchtete.

Ein Zweimaster mit eingeholten Segeln liegt an einem Kai. (Foto: REUTERS)
Die argentinische Fregatte "Libertad" wurde im Auftrag von Gläubigern gepfändetBild: Reuters

Auch die Klage in New York führen Singer-Hedgefonds. "Argentinien hat damals alle Dollar-Anleihen nach New Yorker Recht ausgegeben, deshalb ist dort der Gerichtstand", erklärt Volkswirt Foders. Das gelte auch für die umgeschuldeten Titel.

Zweifelhafte Wirtschaftspolitik

Wenn allen Gläubiger, die sich nicht mit dem Schuldenschnitt abgefunden haben, das gleiche Recht zugesprochen wird, würden ihre Forderungen gegen den argentinischen Staat sogar knapp zwölf Milliarden US-Dollar betragen, berichtet Moody's. Die Ratingagentur bewertet Argentinien mit B3 und korrigierte Mitte September die Aussicht von stabil auf negativ. Standard&Poor's senkte seine Bewertung Anfang November von B auf B- (das etwa Moody's B3 entspricht) - ebenfalls mit negativer Aussicht.

Der Ratingagentur Fitch war der Sachverhalt Grund genug, die Bonität des Landes gleich um fünf Stufen herabzusetzen: von B auf CC - die zweitniedrigste Stufe vor dem D, das einen tatsächlichen Ausfall anzeigt. Ein Gerichtsentscheid hatte dazu geführt, dass sich Fitch "nicht mehr wohlfühlte" mit der alten Bewertung, wie es eine Unternehmenssprecherin gegenüber der DW ausdrückte.

Bemängelt wird nicht allein die Bereitschaft, Kredite zu bedienen, sondern die Wirtschaftspolitik der Regierung von Cristina Kirchner allgemein: komplizierte Importregeln, hohe Zölle, Verstaatlichung ausländischer Firmen. Diese Rahmenbedingungen wecken Zweifel, ob das Wachstum mittelfristig ausreicht, um Auslandsschulden zu begleichen, wie es im Bericht von Standard&Poor's heißt.

Schlechte Aussichten

"Vor diesem Hintergrund dürften auch neue Auslandskredite noch teurer werden", befürchtet Foders vom Kieler Institut für Weltwirtschaft. Ob das zu einer Krise führt, sei ungewiss. Diese würde sich aber wohl kaum auf die umliegenden Länder ausweiten, denn "Brasilien und vielen anderen Ländern geht es gut."

Argentinien aber könnten noch schwerere Zeiten bevorstehen. "Die Regierung beschränkt Bürgern und Unternehmen den Zugang zu Devisen. Allein das könnte ein Zeichen dafür sein, dass die Devisenreserven knapp werden", meint der Volkswirt. Im Februar, wenn die Zahlung dann doch fällig wird, dürfte sich zeigen, wie es tatsächlich um Argentiniens Bonität steht.