Alte Kirche am Fuß des Berges Tabor entdeckt
29. Juli 2020Mitten im Heiligen Land, auf halber Strecke zwischen Nazareth und dem See Genezareth, liegt Kfar Kama. In dem Ort soll ein Kinderspielplatz gebaut werden. Bei den üblichen Testgrabungen stießen Experten nun auf die Grundmauern der alten christlichen Kirche.
Nach Informationen der israelischen Antikenbehörde IAA verfügte das zwölf mal 36 Meter messende Gotteshaus - anders als die meisten Kirchen - nicht nur über eine Gebetsnische, sondern zählte gleich drei Apsiden. Das Kirchenschiff und die Gänge waren mit Mosaiken ausgelegt. Ihre bunte Dekoration beschreibt geometrische Muster und zeigt rote, blaue und schwarze Blumendarstellungen. Sie sind teilweise noch erhalten.
Teil eines Klosterkomplexes?
Möglicherweise gehörte die Kirche zu einem größeren Klosterkomplex, vermuten die Altertumsforscher. Neben dem Gotteshaus wurden die Grundmauern mehrerer Räume freigelegt. Sie sollen demnächst weiter erforscht und ausgegraben werden. Bereits in den frühen 1960er Jahren war in Kfar Kama, einem weitgehend von Tscherkessen, einer ursprünglich aus dem Kaukasus stammenden Volksgruppe, bewohnten Ort, eine Kirche freigelegt worden. Möglicherweise war das die Dorfkirche, während man jetzt ein aus der gleichen Zeit stammendes Kloster entdeckt habe, vermutet Professor Moti Aviam vom Kinneret Academic College. Sein Institut war an den Grabungen beteiligt. "Der neue Fund", so Aviam, "unterstreicht die hohe Bedeutung des christlichen Dorfes am Fuß des Berges Tabor."
Doch schon der Berg Tabor, zu dessen Füßen Kfar Kama liegt, ist ein historisch bedeutsamer Ort: Mit seinen 588 Metern Höhe und der markanten, kegelartigen Form ragt er als Landmarke weithin sichtbar aus der Jesreel-Ebene in Galiläa heraus. Alle Verkehrsrouten, die die Jesreel-Ebene durchziehen, sind von hier gut zu kontrollieren, weshalb der Berg zu allen Zeiten eine militärisch-strategische Bedeutung hatte. Früher war der Berg bewaldet.
Er gilt als die Stätte der Verklärung Christi nach den Evangelien. Die Kirche und das Franziskanerkloster auf dem Gipfel sind ein viel besuchtes Ziel von griechisch-orthodoxen Pilgern und Touristen im Norden Israels.
Tabor - der "Nabel der Welt"
Die wechselvolle, von vielen Kämpfen und Eroberungen geprägte Geschichte Tabors reicht bis ins zweite Jahrtausend vor Christus zurück. Schon im Alten Testament wird die Erhebung als Kultstätte erwähnt. Ab 1631 ließen sich dann die Franziskaner auf dem Berg nieder. Ihre in der Zeit von 1921 bis 1924 gebaute Verklärungsbasilika ist bis heute der markante Punkt auf der östlichen Seite des Bergplateaus. Im Nordteil stehen eine Elias-Kirche und ein griechisch-orthodoxes Kloster. Außerdem finden sich hier Reste antiker und mittelalterlicher Befestigungsanlagen.
In der biblischen Überlieferung ist der Berg Tabor der Weltenberg: hebräisch tabbur bedeutet "Nabel (der Welt)". Christen bringen die Verklärung des Herrn mit ihm in Verbindung. Jesus erschien dabei auf dem "Verklärungsberg" seinen Jüngern in göttlicher Gestalt, nachzulesen in den Evangelien von Matthäus, Markus und Lukas. Das Licht, das sie dabei sahen, wird Taborlicht genannt; es spielte eine große Rolle bei den Debatten um den Hesychasmus im 14. Jahrhundert, eine besondere Form von Spiritualität, die im Mittelalter von orthodoxen byzantinischen Mönchen entwickelt wurde. Nach dem Berg wurden zahlreiche Wehranlagen des Mittelalters Tabor genannt, oft Standorte von Wehrkirchen.
Bis nach Europa hat es der Name Tabor geschafft: So wurde 1217 die Stadt Montabaur in Rheinland-Pfalz nach dem Berg benannt. Zur Zeit der Hussitenkriege um 1420 erhielt die Stadt Tábor in Böhmen den Beinamen "Ansiedlung der Verklärten". Und einen Mont Thabor gibt es schließlich auch in den französischen Alpen.
sd/ka (kna/dpa)