Bauen für Flüchtlinge - der deutsche Biennale-Pavillon
10. März 2016Wo sollen all die Menschen wohnen, die als Flüchtlinge nach Deutschland kommen: in Sammelunterkünften oder in Wohnungen übers Stadtgebiet verteilt? Was erleichtert ihre Integration? Und wie verhindern wir einen Kampf um Wohnraum, der in vielen Gemeinden jetzt schon knapp ist? Solche Fragen wirft der deutsche Pavillon auf der Architektur-Biennale 2016 in Venedig auf. Generalkommissar Peter Cachola Schmal stellte am Donnerstg (10.03.2016) in München sein Konzept vor. Titel der Schau: "Making Heimat. Germany, Arrival Country".
Die Wohnfrage ist ein Politikum
Kein Zweifel: Auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise könnte Schmals Frage kaum brisanter sein, politisch ist sie ohnehin: Allein im Jahr 2015 zählte Deutschland etwa eine Million Neuankömmlinge. Um den Bedarf an Wohnraum zu decken, müssten bis 2020 jährlich 400.000 neue Einheiten gebaut werden, prognostiziert eine Studie der Wohnungswirtschaft. "Die neue Völkerwanderung" hat das Pavillon-Team um Generalkommissar Schmal, der auch das Deutsche Architektur Museum (DAM) in Frankfurt leitet, seine Präsentation des Pavillon-Konzeptes überschrieben. Zentrale Frage sei: "Ist das deutsche Haus offen?"
Sind Einwanderer die "neuen Deutschen"?
Wie Pilze schießen überall in Deutschland Flüchtlingsunterkünfte aus dem Boden. Städte und Gemeinden ziehen in großer Eile Leichtbauhallen und Containerburgen hoch. Leerstehende Fabriken oder ehemalige Kasernen werden umgebaut. "Schnelles Bauen für wenig Geld, darum geht es", sagte die Projektkoordinatorin Anna Scheuermann der Deutschen Welle. Es ist das "größte Investitionsprogramm seit dem Krieg" ergänzte Kurator Oliver Elser, "milliardenschwer".
"Making Heimat. Germany, Arrival Country" nimmt deshalb die Integration von Flüchtlingen in den Blick. Ein Großteil der Menschen, so Schmal, werde mittelfristig in Deutschland bleiben. "Ein Teil von ihnen wird zu Einwanderern, also zu neuen Deutschen!" Der deutsche Biennale-Pavillon soll Entwürfe für Flüchtlingsunterkünfte vorstellen. Die meisten lassen sich ab sofort in einer frei zugänglichen Datenbank begutachten. Die Idee dahinter: Entscheider in Behörden sollen eine Auswahl bekommen.
Vorbild Offenbach: Ankunftsstadt statt Getto
Außerdem setzen sich die Macher des Pavillons mit dem Buch "Arrival City" von Doug Saunders auseinander. Die These des britisch-kanadischen Journalisten: Ob Migration funktioniert oder nicht, habe wenig mit kulturellen Klüften oder religiösen Gegensätzen zu tun. Die Ziele der Neuankömmlinge seien - egal, aus welchem Land sie stammten oder in welche Stadt sie gingen - die gleichen. "Doch ob sie Arbeit finden, soziale Netzwerke aufbauen, ihren Kindern Schulbildung und eine Zukunft ermöglichen können, hängt stark davon ab, ob die Stadt auf sie vorbereitet ist", so Saunders Fazit. Auch die Frankfurter Wissenschaftler um Schmal wollen Thesen aufstellen und analysieren, was aus städtebaulicher Sicht für eine Integration von Einwanderern notwendig ist. Als Positivbeispiel nennen sie Offenbach. "Offenbach ist kein Getto, Offenbach ist anders, Offenbach ist Ankunftsstadt", loben die deutschen Biennale-Kuratoren die hessische 120.000-Einwohner-Stadt.
Schmal: "Deutschland ist ein Einwanderungsland"
Generalkommissar Schmal fordert ein Bekenntnis der Politiker zum Einwanderungsland Deutschland. "Wir fordern, dass wir endlich zugeben, dass wir ein Einwanderungsland sind. Wir brauchen Einwanderungsgesetze und Einwanderungsministerien", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Für die Integration sei der Wohnungsbau ein wichtiges Kriterium, betonte er. Schon heute könne es sich der deutsche Mittelstand kaum leisten, in einer Großstadt wie München, Frankfurt oder Hamburg zu leben. "Die Flüchtlingssituation verschärft den Blick auf ein großes Krisenthema, das in Deutschland in den kommenden Jahren absolut bestimmend und auch wahlentscheidend sein wird: Das ist der Wohnungsmarkt."
Die Architekturbiennale findet vom 28. Mai bis zum 27. November in Venedig statt. Der deutsche Beitrag soll im Frühjahr 2017 außerdem in Frankfurt zu sehen sein.