Köln zeigt "Europas beste Bauten"
21. Oktober 2020Das Siegerprojekt kommt völlig unscheinbar daher. Und doch leuchten die drei umgebauten Wohnblöcke, errichtet in den 1960-er Jahren für weniger betuchte Menschen, wie ein Wahrzeichen des neuen Bauens. Der Grund: Die unansehnlichen, schlecht isolierten Blocks des Cité du Grand Parc wurden komplett mit Wintergärten bestückt.
″Hier hat man Alltagsarchitektur wiederbelebt - gut für die Menschen, gut für die Umwelt", sagt Ursula Kleefisch-Jobst vom Museum der Baukultur NRW, ″eine sehr kluge Entscheidung der Jury!"
Die Kuratorin verantwortet die Ausstellung zu dem Architekturpreis, mit dem die Europäische Union seit Jahrzehnten herausragende Baukunst in Europa würdigt.
Das ″Museum der Baukultur", eine Institution ohne festes Domizil, zeigt die Ausstellung einen Monat lang (bis 20.11.2020) im Landeshaus in Köln, dem Hauptgebäude des Landschaftsverbandes Rheinland, noch dazu als einziger Station in Deutschland. Vorher war die Schau in Wien zu sehen. Der Preis selbst wurde bereits 2019 vergeben und hat sich, wie Kleefisch-Jobst sagt, wieder einmal als ″Seismograph" für zeitgemäßes Bauen bewährt.
Ökologischer Umbau statt Abriss
So schützt die neue Außenhaut den Siegerbau in Bordeaux zwar vor Hitze und Kälte. Doch sind die lichten Wintergärten mehr als nur ein thermischer Puffer: Die Bewohner der 540 Sozialwohnungen profitieren auch von zusätzlicher Fläche, auf der sie sich treffen und unterhalten können.
Geplant wurde der Umbau von den Architekturbüros Lacaton & Vassal und Frédéric Druot und Christophe Hutin. Ihr Konzept vermeidet so Abriss und Neubau. ″Das war wirtschaftlicher, ökologischer und sozialer", befand die Jury.
Die Kölner Ausstellung stellt aber nicht nur die fünf Finalisten anhand von Modellen, Fotos und Videos vor. Zu bestaunen gilt es auch die übrigen 35 Bauten der sogenannten Shortlist – von rund 400 nominierten Projekten insgesamt.
Was sagen Architekten zum Umgang mit Ressourcen? Was zum Wohnraummangel, zu explodierenden Bodenpreisen, zu neuen Orten sozialer Begegnung? Was heißt Nachhaltigkeit beim Bauen – über energetische Standards und den Einsatz ressourcenschonender Materialien hinaus?
Wohlfühloptik statt Monumentalität
Manche kreative Antwort lässt sich an den 40 Shortlist-Projekten ablesen: Fast zur Hälfte sind es - Ressourcen schonende - Umbauten oder Erweiterungen vorhandener Gebäude.
Dazu zählt etwa auch der Umbau des historischen Pavillons einer psychiatrischen Klinik im belgischen Melle, den das Büro ″architecten de vylder vinck taillieu" in einen vertikalen Freiraum ohne Seele verwandelte.
Mit dem Plasencia Auditorium mit Kongresszentrum entstand im spanischen Plasencia ein futuristisch anmutendes Ensemble mitten in einer strukturschwachen Region. Der umgestaltete Skanderbeg-Platz in Albaniens Hauptstadt Tirana führt vor, wie die Monumentalität der aus kommunistischen Zeiten stammenden Anlage aufgebrochen wurde – zugunsten neuer Wohlfühloptik.
Ins Finale des Mies Award 19 hat es auch ein Bauwerk aus Deutschland geschafft: Der Lobe Block in Berlin, errichtet von den Büros ″Brandlhuber + Emde, Burlon" und ″Muck Petzet Architekten", lässt durch seine außen liegenden Treppen und Terrassen öffentlichen und privaten Raum miteinander verschmelzen - ein radikales Experiment mit unansehnlichem Ausgang.
Den Nachwuchspreis des Mies Award 2019 erhielt das französische Büro ″BAST" für den minimalistischen Anbau einer Schul-Mensa in Montbrun-Bocage nahe Toulouse.
Der Mies van der Rohe Award reiht sich ein in Europas prestigeträchtige Preise für Architektur. 1987 von der Europäischen Kommission, dem EU-Parlament und der Fundació Mies van der Rohe ins Leben gerufen, wird die mit insgesamt 80.000 EUR dotierte Auszeichnung alle zwei Jahre verliehen.
Ausgezeichnet werden Projekte, deren "innovativer Charakter als Orientierung, wenn nicht sogar als Manifest für die Entwicklung zeitgenössischer Architektur dient", wie es in den Statuten heißt. Seit der Verleihung des Mies van der Rohe Awards 2019 im vergangenen Jahr tourt die Ausstellung durch Europa.