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Archäologische Arbeit in Krisengebieten

Manasi Gopalakrishnan
12. Februar 2021

Würden Sie ihr Leben opfern, um ein historisches Denkmal zu retten – wie der syrische Archäologe Khaled al-Asaad? Sein Tod unterstreicht die Gefahren, denen Archäologen in Konfliktzonen ausgesetzt sein können.

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Khaled al-Asaad
Der syrische Archäologe Khaled al-Asaad wurde 2015 in Palmyra getötetBild: picture alliance/AP Photo

Vor wenigen Tagen berichteten syrische Staatsmedien, dass möglicherweise die Überreste von Khaled al-Asaad entdeckt worden seien. Der Archäologe, der 2015 im Alter von 82 Jahren von Kämpfern der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) enthauptet wurde, war über 40 Jahre lang Leiter der Ausgrabungen der antiken Stadt Palmyra. "Ich bin aus Palmyra und ich werde hier bleiben, auch wenn sie mich töten", soll Asaad gesagt haben, nachdem der IS Palmyra besetzt hatte.

Antike Ruinenstadt

Palmyra, gerühmt als "Oase in der syrischen Wüste", wurde erstmals im 1. und 2. Jahrhundert v. Chr. in den Archiven von Mari, einer antiken Siedlung im Osten Syriens, erwähnt. Im September 2015 zerstörten IS-Kämpfer große Teile des UNESCO-Weltkulturerbes mit der Begründung, sie seien "anti-islamisch". Khaled al-Asaad wurde ermordet, weil er sich weigerte, den Standort von antiken Objekten preis zu geben, bei deren Ausgrabung er geholfen hatte.

Kulturartefakte und historische Symbole tragen zur kollektiven Identität einer Gruppe oder eines Landes bei, was die Arbeit der Archäologen nicht nur zu einem sensiblen Thema macht sondern oft auch zu einem gefährlichen, wie der Mord an al-Asaad in Syrien zeigt.

Symbolträchtige historische Denkmäler werden oft zur Zielscheibe von Gruppen, die ihre Vorherrschaft behaupten oder den Status quo in Frage stellen wollen. 2001 zerstörte das Taliban-Regime in Afghanistan die Buddha-Statuen von Bamiyan mit der Begründung, sie würden als Götzen dienen. 1992 zerstörten Hindu-Extremisten in der indischen Stadt Ayodhya die Babri-Moschee aus dem 16. Jahrhundert, die wiederum auf einem alten Hindu-Tempel errichtet worden war.

Zugang zu Ausgrabungen wird kontrolliert

Selbst in Friedenszeiten wachen Regierungen strengstens darüber, wer ihre archäologischen Stätten betreten darf und welche Stätten bei der Forschung Vorrang erhalten. Grabungen zu erlauben liege allein in der Hand der jeweiligen Regierungsbehörden, erklärte Susan Pollock, Professorin am Institut für Vorderasiatische Archäologie der Freien Universität Berlin, im Gespräch mit der Deutschen Welle.

Laut Pollock kann der archäologische Dienst eines Landes, also eine Regierungsbehörde, zu dem Ergebnis kommen, dass geplante Projekte nicht ihren Prioritäten entsprechen und daher Änderungen verlangen - oder gleich die Erteilung einer Lizenz verweigern. Das war in Syrien der Fall bevor der Aufstand gegen Präsident Bashar Assad im März 2011 begann, der zu einem gewaltsamen Konflikt führte.

"Vor dem Krieg war die größte Herausforderung der Zugang zu den Stätten und zu archäologischen Geräten", meint Lubna Omar, eine syrische Archäologin die sich immer wieder vergeblich bemüht hatte, an nationalen Projekten mitzuarbeiten. "Die Regierung hatte die Ausgrabungsgenehmigungen fest im Griff."

Arbeiten in Konfliktzonen

Mit Beginn der Kämpfe wurde jegliche Erforschung der antiken Ruinen praktisch unmöglich und gefährlich, so Omar gegenüber der DW.

Archäologen, die in Konfliktgebieten arbeiten, sehen sich oft mit logistischen Problemen konfrontiert, die wiederum für sie und ihre Teams sicherheitsrelevant seien, meinte Pollock, die während des Ersten Golfkriegs in den 1980er Jahren als Archäologin im Irak arbeitete. Als Außenstehende hätten Archäologen selten "Einblick in die Interna eines Konfliktes oder Zugang zu aktuellen Informationen", fügte sie hinzu.

Asaad, der Chefarchäologe von Palmyra, wollte die Ruinen nicht im Stich lassen und arbeitete auch nach der Belagerung der Stadt durch den IS weiter in Palmyra. "Khaled Asaads Identität ist Palmyra", erklärte Omar, die seit Jahren in den USA lebt.

Asaads Engagement für Palmyra ist unbestritten, sein Tod aber wirft laut Pollock eine ethische Frage auf: "Ist es angemessen, archäologische Forschung während eines andauernden gewaltsamen Konflikts zu betreiben? Wenn ja, wo liegen die Grenzen?"

Keine Vergangenheit, keine Zukunft

In Syrien steht die Archäologie vor einer ungewissen Zukunft. Die Arbeit im Bereich des Kulturerbes wurde eingestellt, und wie Omar sind viele Archäologen aus dem Land geflohen. Die, die geblieben sind, müssen sich mit dem Krieg und den schwindenden Aussichten auf Arbeit in ihrem Beruf arrangieren.

Omar hat mittlerweile in Japan promoviert, da es in ihrer Heimat keine Möglichkeit dazu gegeben habe, schrieb sie der DW in einer E-Mail. Sie durfte zwar syrische Artefakte untersuchen, aber nur solche, die vor Jahrzehnten nach Tübingen gebracht worden waren. Wie vielen ihrer Landsleute habe der Krieg in Syrien ihr keine andere Wahl gelassen.

Archäologie zu betreiben bedeutet, vor Ort zu sein und zu bleiben, so wie es Asaad bis zu seinem Tod tat. In Omars Fall war das gar nicht erst möglich. "Was die Zeit nach dem Krieg angeht, kann ich weder meine Fähigkeiten noch mein Wissen nutzen. Ich habe Syrien 2012 verlassen und bin seitdem nicht mehr zurückgekehrt", schrieb sie.

"Seit ich 2016 in die USA gezogen bin, kann ich nicht mehr reisen, zuerst wegen Donald Trumps Einreiseverbot und jetzt, weil ich keinen gültigen Reisepass habe. Ich habe keine Chance, ihn zu erneuern, während ich in den USA bin. Kurz gesagt, ich bin gefangen, und meine Forschung ist leider gestorben."

Adaption aus dem Englischen: Dagmar Breitenbach