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Schwieriger Start - Arbeit für Flüchtlinge

Volker Witting17. August 2016

Sie sind überwiegend jung, männlich und gut motiviert. Dennoch ist es nicht einfach, Flüchtlinge in Lohn und Brot zu bringen. Das ist das Ergebnis einer Untersuchung des Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung.

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Kay Kornatzki bleibt optimistisch: "Ja, wir schaffen das", sagt er der Deutschen Welle, die Worte der Bundeskanzlerin zitierend. Er ist Geschäftsführer eines Baulehrhofes in Berlin. Seit März lernen hier auch 13 Flüchtlinge Hochbau, Tiefbau, Ausbau – also die Grundzüge des Bauhandwerkes. Es ist eine Initiative des Berufsförderungswerkes der Fachgemeinschaft Bau. "Der Knackpunkt bei den Flüchtlingen ist die Sprache", erläutert Kornatzki auf dem Lehrbauhof, der derzeit ein wenig verwaist wirkt. Viele der Auszubildenden sind in Ferien oder absolvieren Praktika.

Im März haben hier 13 Flüchtlinge, die aus hunderten ausgewählt wurden, ihre Schnupperausbildung begonnen: Mauern, Schreinern, Deutsch sprechen. Der Bedarf an Bauarbeitern ist groß in Berlin. Allein in den kommenden Jahren werden in der Hauptstadt über 100.000 neue Wohnungen gebaut. "Da brauchen wir jeden", sagt Kornatzki. "Aber der Fachkräftemangel kann in Deutschland wohl nicht nur durch Flüchtlinge kompensiert werden."

Bürokratische Hürden

Kornatazki und seiner Initiative wird die Arbeit mit Flüchtlingen durch bürokratische Hürden immer wieder schwer gemacht. Von seinen ehemals 13 Schützlingen sind nur noch sieben da. "Die anderen wurden abgezogen - Integrationskurs." Diese staatlichen Kurse sind für Flüchtlinge verpflichtend. Dort soll ihnen Deutsch beigebracht werden und eine grundsätzliche Orientierung. Für Kornatzki und seine Initiative ist das katastrophal, weil die überwiegend jugendlichen Flüchtlinge dann herausgerissen werden aus seinem Projekt. "Eine gleichwertige Ausbildung zu den Integrationskursen sollte längerfristig gewährleistet sein. Aber das ist noch schwierig."

Deutschland Kay Kornatzki, Geschäftsführer Lehrbauhof in Berlin
Kay Kornatzki, Geschäftsführer Lehrbauhof in BerlinBild: DW/V. Witting

Von solchen bürokratischen Problemen hätten ihm die Mitarbeiter der untersuchten zehn Flüchtlingsinitiativen immer wieder berichtet, sagt der Hauptautor der Studie "An die Arbeit", Reiner Klingholz vom Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung. Er und seine Mitarbeiter haben sich einmal genauer angesehen, wie die Jobintegration in Deutschland klappt und wie wichtig Flüchtlingsinitiativen dabei sind.

Lokale Initiativen sind bei der Arbeitsvermittlung sehr erfolgreich

Rund 800.000 Menschen sind im vergangenen Jahr als Schutzsuchende nach Deutschland gekommen. Dreiviertel von ihnen sind unter 30 Jahre alt, die meisten männlich. Aber die Rechnung "Heute Flüchtling - morgen neuer Job", gehe nicht auf, sagt Klingholz. Denn nur rund zwei Prozent der Migranten sprechen deutsch, nur wenige haben ein abgeschlossene Berufsausbildung oder eine ordentliche Schulbildung. "Außerdem wollen die meisten möglichst schnell Geld verdienen", ergänzt Klingholz. Den Flüchtlingen klar zu machen, dass es ohne Ausbildung nach deutschen Standards keine guten Jobs mit Perspektive gibt, das sei schwierig.

Deutschland Reiner Klingholz, Institut für Bevölkerung und Entwicklung in Berlin
Hat die Studie erstellt: Reiner Klingholz, Institut für Bevölkerung und Entwicklung in BerlinBild: DW/V. Witting

Im ersten Jahr ihres Aufenthaltes finden durchschnittlich nur acht Prozent der Asylbewerber eine Anstellung. Und auch die großen Unternehmen sind selbst der Bundeskanzlerin viel zu zögerlich. Die Flüchtlingsinitiative "Wir zusammen", in der sich rund 100 deutsche Unternehmen zusammengeschlossen haben, stellte bislang lediglich 450 Flüchtlinge ein. Die Kanzlerin will die Misere nun offen angehen. Mitte September will sie bei einem Flüchtlingsgipfel den Vorstandschefs deutscher Top-Unternehmen ins Gewissen reden, endlich mehr Lehrstellen und Jobs für Flüchtlinge anzubieten.

Konzerne versagen

Nach den Ergebnissen des Berlin-Instituts hilft vor allem: Mehr als eine reine Jobvermittlung. Sich Zeit für Flüchtlinge nehmen. Für Migranten als Bürger einstehen und eine noch bessere Verzahnung der Flüchtlingsinitiativen. Und noch ein Ergebnis verblüfft: Rund 60 Prozent aller Jobs für Flüchtlinge werden über Freunde, Bekannte und Netzwerke vermittelt. Nur rund 20 Prozent über die staatliche Arbeitsvermittlung.

Der Staat habe aber schon gute Rahmenbedingungen geschaffen, heißt es von den Wissenschaftlern. Unternehmen haben nun die Sicherheit, junge Asylbewerber als Auszubildende während ihrer Lehre und zwei weitere Jahre darüberhinaus zu beschäftigen.

Staatliche Rahmenbedingungen sind ok

Für Wissenschaftler Klingholz und den Praktiker Kornatzki vom Berufsförderungswerk Bau in Berlin bleibt die Sprache das wichtigste Instrument für einen Einstieg in die Berufswelt und eine gelungene Integration.

Doch anders als Kornatzki ist Forscher Klingholz weniger optimistisch beim Thema Arbeit für Flüchtlinge. Er sagt: "Wir müssen das schaffen und nun die richtigen Wege suchen."