Araber, Muslime und der US-Wahlkampf
19. Juni 2016Omar Mateen hat 49 Menschen getötet - Besucher eines Schwulenclubs in Orlando im US-Bundestaat Florida. Es gibt Vermutungen, er könne selber homosexuelle Neigungen gehabt haben. Zugleich aber bekannte der US-Amerikaner mit afghanischen Wurzeln sich zur Terrororganisation "Islamischer Staat". Das Massaker wirkt sich auch auf den US-Präsidentschaftswahlkampf aus.
In den vergangenen Wochen waren die Demokraten zuversichtlich, dass ihre Kandidatin Hillary Clinton die Wahlen gewinnen könne - unter einer Voraussetzung: dass nichts Aufsehenerregendes passiert, dass der republikanische Kandidat Donald Trump für sich ausnutzen könne. Eben dieses Aufsehenerregende, der Mord an fast 50 Menschen, hat sich nun ereignet. Im Fokus steht ein Muslim - und arabische Politologen beschäftigt die Frage, wie sich der Ausgang der Wahlen auf den Nahen Osten auswirken könnte.
Hoffnungsträgerin Clinton
In den vergangenen Jahren waren die meisten Araber mit der Außenpolitik der USA nicht sehr glücklich. Für ihren Geschmack war Präsident Obama zu sehr auf Distanz zu den Problemen der Region gegangen - vor allem zu dem Krieg in Syrien, in den der US-Präsident sich kaum einmischen wollte.
Diese politisch-strategische Zurückhaltung dürfte sich nach den Wahlen ändern, erwartet der ägyptische Analyst und Direktor des Fernsehsenders "Al-Araby" in Washington, Mohamed Elmenshawy, im Gespräch mit der DW. Sollte Hillary Clinton als Siegerin aus den Wahlen hervorgehen, werde sie eine andere Syrien-Politik verfolgen als Barack Obama. "Dann wird sie einige Dinge entschlossener angehen", erwartet Elmenshawy. So dürfte sie etwa weniger zögern, gemäßigte Rebellen zu bewaffnen.
Allerdings, schränkt Elmenshawy ein, werde sie keinen grundsätzlich anderen Kurs fahren, sondern nur die Akzente anders setzen. "Das liegt schlicht daran, dass es derzeit keine US-amerikanischen Interessen gibt, die einen Eingriff in diesen Krieg rechtfertigen würden."
Das Rätsel Trump
Schwieriger sei es, Voraussagen zur Nahost-Politik eines möglichen Präsidenten Donald Trump zu machen. Trump habe sich im Wahlkampf widersprüchlich geäußert. Das mache es sehr schwierig, auf seinen künftigen Kurs zu schließen.
Anhaltspunkte lassen sich gleichwohl finden. So wurde Trump vom Fernsehsender NBC gefragt, wie er die Bemühungen der westlichen Staaten bewerte, den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad zur Aufgabe zu bewegen. Seine Antwort: Das würde das Chaos in der Region nur verstärken. "Wir haben in Libyen und im Irak Chaos angerichtet. Stürzt Assad, wird sich Syrien in die gleiche Richtung entwickeln." Zudem kündigte er an, im Falle eines Wahlsiegs werde er die in den USA lebenden syrischen Flüchtlinge des Landes verweisen.
Auch hatte Trump den Rückzug der US-Truppen aus dem Irak kritisiert. Die USA hätten das Land nicht verlassen dürfen, ohne die Erdölvorkommnisse zu sichern. Darum gehe das Öl direkt an den Iran und zudem an den "Islamischen Staat". "Der IS hat viel Geld, weil er viel Öl hat - und weil wir schlicht naiv sind", zitiert ihn eine französische Nachrichtenagentur.
Warten auf klare Signale
Wie die übrigen arabischen Länder der Region hoffen auch die Golfstaaten auf einen Sieg Hillary Clintons. Aus ihrer Sicht spreche einiges für die Kandidatin der Demokraten, sagt der Politikwissenschaftler Abdulkhaleq Abdulla aus Dubai. So habe Clinton große außenpolitische Erfahrungen. Zudem habe sie klare Standpunkte - ganz unabhängig davon, ob man diese teile oder nicht. Darin unterscheide sie sich von Trump.
Obamas Außenpolitik habe sich vor allem dadurch ausgezeichnet, dass er militärische Optionen oft ausgeschlossen habe, sagt Abdulla. Im Umgang mit bisherigen Gegnern der USA wie etwa dem Iran und Kuba habe er auf Reformen gesetzt. Zugleich sei er von den alten Freunden der USA abgerückt. Eines sei sicher, so Abdulla: Ganz gleich, wer sich im Rennen um das Präsidentenamt durchsetzen werde - der künftige Amtsinhaber werde auf jeden Fall eine klarer akzentuierte Außenpolitik betreiben als Obama. Das werde dazu beitragen, die Abstimmung zwischen Washington und den arabischen Regierungen wieder zu verbessern.
Auch Mohamed Elmenshawy geht davon aus, dass sich die amerikanisch-arabischen Beziehungen wieder bessern werden. So lieferten die USA seit Jahrzehnten Waffen in die Golfregion. Das werde auch in Zukunft so bleiben.
Knackpunkt Israel
Geringe Auswirkungen wird der Ausgang der Wahlen nach Ansicht arabischer Experten auf das amerikanisch-israelische Verhältnis haben. Bislang hätten sämtliche US-Regierungen ihre Freundschaft zu Israel betont. Das werde sich auch nach der kommenden Wahl nicht ändern, erwartet Abdulla. Mohamed Elmenshawy geht außerdem davon aus, dass Trump im Falle eines Wahlsiegs eine harte Haltung gegenüber den Palästinensern an den Tag legen werde.
Hillary Clinton erklärte unterdessen, sie glaube an eine Zwei-Staaten-Lösung. Gleichzeitig erklärte sie aber auch ihre Freundschaft gegenüber Israel. "Es dürfte schwierig werden, zu einem dauerhaften Friedensvertrag zwischen Israel und Palästina zu kommen", hatte sie im Februar dieses Jahres erklärt.
Die Beziehungen zwischen Clinton und Netanjahu seien nicht gut, sagt der Politologe Elmenshawy. Angesichts der rechten Strömungen in der israelischen Regierung und der Ernennung des Nationalisten Avigdor Lieberman zum israelischen Außenminister sei es schwierig, politische Fortschritte zu erzielen. Im Falle eines Wahlsiegs, vermutet Elmenshawy, werde Clinton möglicherweise warten, bis der israelischen Regierung wieder mehr Politiker der gemäßigten Mitte angehören. Das könnte ihr erlauben, sich als Vermittlerin zu engagieren.