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Anzahl der Ministerien ändert sich in Budapest nicht, Kanzleramt wird ausgebaut

23. Mai 2002

– In Ungarn soll den Minderheiten mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden

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Budapest, 22.5.2002, BUDAPESTER ZEITUNG, deutsch, Andreas Gulya

Jeder politisch Interessierte weiß, dass für ein so kleines Land wie Ungarn die Regierungsbürokratie sehr aufgebläht ist. Vor den Wahlen kamen dann auch fahrplanmäßig die Versprechen, "sollten wir gewählt werden, verkleinern wir den Staatsapparat". Aber dann, aus Koalitionszwängen, oder aber weil man zu viele verdiente Parteigenossen unterbringen muss, platzt jedes Mal die Seifenblase. Diesmal wird es dem Vernehmen nach auch nicht viel anders. Denn zwei Ministerien werden zwar aufgelöst, dafür aber zwei neue geschaffen. So bleibt die Anzahl der Ministerien bei vierzehn.

Zwei Ministerposten ohne Portefeuille werden allerdings auch der Vergangenheit angehören: Es wird weder für die zivilen Geheimdienste noch für die Koordinierung der PHARE-Angelegenheiten einen Ministerposten geben. Es ist interessant zu beobachten, dass nach Viktor Orbán auch Péter Medgyessy das Kanzleramt weiter ausbaut. Diesem Amt wird Elemér Kiss diesmal schon als Minister vorstehen. Bereits unter Gyula Horn hatte Kiss dieses Amt, allerdings nur als politischer Staatssekretär, schon einmal erfolgreich inne. Der Jurist gilt als erste Wahl. Ihm werden auch die zivilen Geheimdienste unterstehen, die dem Staatssekretär András Tóth unterstellt sein werden. Tóth gilt als Technokrat und graue Eminenz der Sozialisten, seine Berufung untermauert seine bisherige Stellung in der Partei.

Auch den in Ungarn lebenden Minderheiten wird mehr Aufmerksamkeit gezollt als bisher. Denn ebenfalls ein Staatssekretär wird dieses politisch immer wichtiger werdende Feld beaufsichtigen. Dabei schielt man heimlich auf die Roma, die früher oder später den Ausgang der Wahlen stärker beeinflussen werden. Das Amt für Auslandsungarn verliert seine Selbstständigkeit und zieht ebenfalls ins Amt des Ministerpräsidenten. Weitere Kompetenzen erhält das Kanzleramt durch die Eingliederung des Tourismus sowie der Regionalentwicklung. Dafür wurden die Aufsicht über das Schatzamt sowie die Treuhand an das Finanzministerium abgegeben.

Aufgelöst werden die Ministerien Soziales und Familie sowie Verkehr. Die bisherigen Aufgaben des ersteren werden überwiegend vom Gesundheitsministerium übernommen, das zweite geht, abgesehen vom Bereich Wasserwirtschaft im Wirtschaftsministerium auf. Neu geschaffen wurden das Arbeitsministerium sowie das Ministerium für Informatik und Nachrichtentechnik.

Das Arbeitsministerium wird von Péter Kiss geleitet, der bereits unter Horn dieses Ministerium inne hatte. Der junge Politiker gilt als eine Führungsfigur der linken Parteiszene. Allem Anschein nach besitzt er innerhalb der MSZP (Ungarische Sozialistische Partei- MD) einen starken Rückhalt. Wegen dieser starken Basis gab es jetzt bei der Besetzung des Ministerpostens keinen Gegenspieler. Die Vorteile des wiedergeschaffenen Ministeriums liegen auf der Hand: Es verschafft den Sozialisten mit Sicherheit einen viel besseren Kontakt zu den breiten Schichten der Beschäftigten.

Das Ministerium für Informatik und Nachrichtentechnik gilt als ein Zukunftsministerium, das an den Koalitionspartner SZDSZ (Bund Freier Demokraten - MD) abgegeben wurde. Hier geht es nicht nur um Frequenzen und damit indirekt um die Medien sowie ertragreiche Übertragungstechniken, sondern auch um Strukturfragen. Denn in Ungarn ist zum Beispiel im Schulwesen, der Wissenschaft und Staatsbürokratie das Internet noch unterentwickelt. Das Bildungsministerium ist ebenfalls ein Zukunftsministerium, denn hier hat man den Zugang zur Jugend, die für jede Partei als Wählerpotential von entscheidender Bedeutung ist. Dazu kommt, dass es in Ungarn seit der Wende noch keine durchgreifende Reform gab, was und wie in den Schulen unterrichtet werden sollte, um Ungarn ein modernes Antlitz zu verleihen.

In der Horn-Regierung galt Bálint Magyar als einer der erfolgreichsten Minister. Er bekleidete zwischendurch auch den Posten des Parteivorsitzenden, gilt nach wie vor als eine tonangebende Stimme in seiner Partei. Deswegen war es für die Liberalen klar, dass der ehemalige Minister sein Werk fortsetzen sollte. Diesmal hatten mit István Hiller aber auch die Sozialisten einen vorzeigbaren Kandidaten. Durch einen umstrittenen Schachzug versuchte man diesen gordischen Knoten durchzuschlagen, Magyar soll Minister, Hiller sein Staatssekretär werden. Hierdurch hat man das Reinheitsprinzip durchbrochen, dass Minister und Staatssekretär der selben Partei angehören sollten. Fürs erste hat man das Problem aus dem Wege geräumt, aber die Sozialisten murren weiter.

Interessant wird es auch im Innenministerium. Die ursprüngliche Idee, dass man dieses Ministerium in zwei Teile spaltet, für Polizei und Kommunalverwaltungen, kann aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht realisiert werden. Im Moment ist nicht daran zu denken, dass Regierung und Opposition sich auf eine Verfassungsänderung einigen könnten. Für die Uniformierten wird es auf jeden Fall eine neue Situation geben, denn sie werden von der MSZP-Ministerin Mónika Lamperth befehligt. Aus ihrem resoluten Auftreten kann man mit Sicherheit schließen, dass diese Landeskräfte kein Führungsdefizit aufweisen werden. (fp)