Auf der Anklagebank
20. Januar 2010Der Prozess dauerte nur wenige Stunden. Nach einem einzigen Verhandlungstag stand das Urteil gegen den 41jährigen Menschenrechtsanwalt Le Cong Dinh und drei weitere angeklagte Dissidenten fest. Das Oberste Gericht in Ho-Chi-Minh-Stadt, dem ehemaligen Saigon, verurteilte die Männer jeweils zu mehrjährigen Haftstrafen - wegen versuchten Umsturzes der Regierung. Le Cong Dinh selbst muss nach vietnamesischen Medienberichten für fünf Jahre ins Gefängnis. Die härteste Strafe bekamt der Internetunternehmer Tran Huynh Duy Thuc. Wegen "subversiver Aktivitäten gegen den Staat" wurde er zu 16 Jahren Haft verurteilt.
Meinungsfreiheit unerwünscht
Im Juni 2009 war Le Cong Dinh verhaftet worden. In der Vergangenheit hatte der in Vietnam und in den USA ausgebildete Jurist selbst zahlreiche Dissidenten vor Gericht verteidigt. Außerdem hatte er politische Reformen in Vietnam gefordert - und damit den Zorn der kommunistischen Regierung in Hanoi auf sich gezogen. Noch wenige Tage vor der Festnahme vor anderthalb Jahren hatte der vietnamesische Präsident Nguyen Minh Triet gegenüber einer internationalen Juristen-Vereinigung erklärt, sein Land respektiere und unterstütze progressive Anwälte. Die Realität allerdings sieht anders aus: So werden Regimegegner in Vietnam nach wie vor massiv unterdrückt und schikaniert. Die Meinungsfreiheit ist stark eingeschränkt, Dissidenten müssen sich oft unfairen Gerichtsverhandlungen stellen.
Proteste verhallten ungehört
Der Fall hatte auch international Schlagzeilen gemacht. Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch und Amnesty International hatten scharf gegen die Verhaftung Le Cong Dinhs protestiert. Kritik kam auch von Seiten der Europäischen Union - die zwei Prozessbeobachter nach Ho-Chi-Minh-Stadt geschickt hatte - und aus den USA. Als "widersprüchlich" bezeichnete Ian Kelly, Sprecher des Washingtoner Außenministeriums, die Festnahme. Dieser Schritt stehe im krassen Gegensatz zu international geltenden Rechtsstandards - zu denen Hanoi sich aber offiziell bekenne, so Kelly.
Informationen vom Schirm
Die Öffentlichkeit blieb von dem Prozess gegen Vietnams bekanntesten Dissidenten weitgehend ausgeschlossen. So hatten es die Behörden des südostasiatischen Landes angeordnet. Was im Gerichtssaal vor sich ging, das durften Journalisten und Diplomaten nur indirekt verfolgen. Von der Verhandlung selbst waren sie ausgeschlossen, stattdessen mussten sie die Anhörungen aus einem Nebenraum verfolgen - via Fernsehbildschirm.
Autorin: Esther Broders (dpa, afp,ap)
Redaktion: Mathias Bölinger