Antworten aus London erwartet
25. Juni 2016Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will von der britischen Regierung erfahren, wie es nach dem Austrittsvotum der Briten weitergeht. London müsse nun sagen, wie es sich die Beziehungen zur Europäischen Union weiter vorstelle, sagte Merkel zum Abschluss eines Spitzentreffens von CDU und CSU in Potsdam. Dabei wolle sie die britische Regierung nicht zur Eile drängen. Allerdings müsse sich die Staatengemeinschaft auch im eigenen Interesse mit dem möglichen Folgen befassen können.
Die Austrittsverhandlungen sollten Merkel zufolge nicht als Abschreckung für andere EU-Mitgliedstaaten geführt werden, in denen ähnliche Referenden gefordert werden. Vielmehr müsse den Menschen in den verbleibenden 27 EU-Staaten der Mehrwert der EU deutlich gemacht werden. "Wichtig ist: Solange Großbritannien diesen Antrag nicht gestellt hat und das Abkommen nicht fertig ist, bleibt Großbritannien weiter volles Mitglied der EU mit allen Rechten und Pflichten", betonte die Kanzlerin.
CSU-Chef Horst Seehofer mahnte, die EU müsse näher an die Menschen heranrücken. In vielen wichtigen Fragen sei Europa noch mehr gefordert als bisher. Allerdings warnte Seehofer: "In den vielen kleinen Alltagsfragen darf sich Europa nicht so verzetteln, wie oft in der Vergangenheit." Welche Folgen die Austrittsentscheidung der Briten haben werde, sei noch nicht abzuschätzen.
Auf ihrer Klausurtagung in Potsdam wollten sich CDU und CSU darum bemühen, im Streit um die Flüchtlingspolitik wieder eine gemeinsame Linie zu finden. Beide Parteichefs bezeichneten die schon vor einiger Zeit angesetzten Gespäche nach Abschluss als gut und konstruktiv. Nun sollen in sechs Kongressen Positionen zu verschiedenen "Megathemen" wie Digitalisierung, Entwicklungshilfe und Sicherheit erarbeitet werden. Seehofer wollte sich nicht darauf festlegen, mit Merkel als Kanzlerkandidatin in die Bundestagswahl 2017 zu ziehen.
Britischer EU-Kommissar tritt zurück
Als Reaktion auf das Brexit-Votum seiner Landsleute erklärte der britische EU-Finanzkommissar Jonathan Hill seinen Rücktritt. Er könne als EU-Kommissar nicht einfach so weitermachen, als sei nichts geschehen, sagte Hill in Brüssel. Seine Aufgaben soll vorerst EU-Vize-Kommissionschef Valdis Dombrovskis mit übernehmen, wie Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker mitteilte. Der frühere lettische Regierungschef Dombrovskis ist in der Kommission für die Gemeinschaftswährung zuständig. Das Recht, anstelle von Hill einen neuen EU-Kommissar zu benennen, liegt solange bei Großbritannien, wie es noch Mitglied der Union ist.
Die anstehenden Austrittsverhandlungen soll nach Angaben aus Brüssel der belgische Diplomat Didier Seeuws leiten. Er werde im EU-Ministerrat die sogenannte Brexit Task Force führen. Nachdem bei dem Referendum am Donnerstag knapp 52 Prozent der Briten für einen Austritt aus der EU gestimmt hatten, drängten EU-Kommission, EU-Parlament und andere Gremien auf einen zügigen Beginn der Verhandlungen.
ago/kle (dpa, afp, rtr)