Anschlag in Halle: Wer waren die Opfer?
19. Oktober 2019Es ist der 9. Oktober, kurz nach zwölf Uhr mittags, als Fußgängerin Jana L. durch das Paulusviertel im Norden von Halle/Saale läuft. Sie kommt gerade von der Haltestelle am Wasserturm und möchte nachhause - sie wohnt ganz in der Nähe. Als sie an der örtlichen Synagoge vorbeikommt, hört sie einen lautet Knall: einen vom mutmaßlichen Attentäter Stephan B. gebauten Sprengsatz. Mit diesem will er die Tür der Synagoge aufsprengen, um dort ein Massaker anzurichten. Die 40-Jährige glaubt irrtümlich wohl an einen jugendlichen Krawallmacher, der mit Feuerwerkskörpern durch die Gegend wirft - eine tragische Fehleinschätzung der Situation. "Muss das sein, wo ich gerade hier lang laufe?", schreit sie Stephan B. noch an. Als sie an ihm vorbeiläuft, schießt er ihr mehrmals in den Rücken.
Jana L.: Schlagerfreundin voller Lebensfreude
Nach allem, was man weiß, hatte Jana L. keinerlei persönliche Verbindung zu Stephan B. Er erschoss sie vollkommen willkürlich. Menschen, die Jana L. kannten, beschreiben sie als stets fröhlich. Sie war großer Musikfan, hörte am liebsten Schlager. Auf sozialen Medien postete sie noch wenige Tage vor der Tat ein Foto von einem Konzert des Schlagerstars Stefan Mross, der sich auf seiner Facebook-Seite wiederum nach der Tat fassungslos äußerte: "Wir sind zutiefst betroffen. Der Amoklauf in Halle hat uns unseren treusten Fan aus Halle genommen... Lebensfreude, Musikfan und treuer Anhänger unserer Schlagermusik. Das war Janas Leben."
Von den Musikerinnen Ella Endlich und Andrea Berg hatte Jana L. in der Vergangenheit ebenfalls Autogramme gesammelt und gemeinsame Fotos geschossen. "Ich bin Jana bei vielen meiner Konzerte und Autogrammstunden begegnet," sagte Andrea Berg der Bild-Zeitung. "Was in Halle passiert ist, lässt mich zutiefst bestürzt und unendlich traurig zurück", so die Schlagersängerin weiter.
Kevin S.: Glühender HFC-Fan
Auch das Leben des 20-jährigen Kevin S. war von einer besonderen Leidenschaft geprägt: Er war glühender Anhänger des Fußball-Drittligisten Hallescher FC. Kevin S. war das zweite Opfer von Stephan B. Der aus dem rund 20 Kilometer entfernten Merseburg stammende Maler starb, als er seine Mittagspause im Imbiss "Kiez-Döner" verbrachte. Am Tattag war er in Halle auf einer Baustelle ganz in der Nähe eingesetzt. Stephan B. wählte auch sein zweites Opfer offenbar zufällig aus.
Die Mitglieder des Fanclubs "Liberta Crew Chemie Halle" trauern auf ihrer Facebook-Page um den treuen Fan Kevin S., haben ein Gedenkvideo gepostet. Zur öffentlichen Gedenkfeier in Merseburg diese Woche sollten Trauernde in Fankleidung kommen: "Kevin war Teil der HFC Familie und auch oft bei unseren Auswärtsfahrten im Bus zugegen. Wir wünschen der Familie viel Kraft in dieser schweren Zeit", so das Statement des Fanclubs. Auch der Verein reagierte: Bei einem Pokalspiel kurz nach der Tat trat die Mannschaft mit Trauerflor an.
Freunde und Bekannte der Opfer haben bei der örtlichen Saalesparkasse in Halle ein Spendenkonto für die Familien der beiden Opfer eingerichtet. Über die Plattform "openPetition" werden außerdem Unterschriften für die Errichtung zweier Gedenktafeln gesammelt. Sie sollen an den Stellen eingelassen werden, an denen die beiden Morde geschehen sind.
#hallezusammen
Auch das Ehepaar Jens und Dagmar Z. aus Landsberg-Wiedersdorf gehört zu den Opfern des mutmaßlichen Rechtsterroristen. Sie überlebten den Angriff schwer verletzt. Auf seiner Flucht kam Stephan B. in den kleinen Ort östlich von Halle und klopfte an die Tür von Jens Z.´s Elternhaus. Jens Z. und seine Frau waren die einzigen, die er dort antraf. Er verlangte nach den Schlüsseln für ein Auto. Als Jens Z. sich weigerte, ihm die Schlüssel auszuhändigen, schoss der Attentäter ihm in den Nacken. Die dazu geeilte Dagmar Z. traf er in den Oberschenkel. Beide waren in Lebensgefahr und mussten operiert werden. Inzwischen geht es beiden besser, wie der Vater von Jens Z. der "Bild"-Zeitung berichtete.
An diesem Samstag versammelten sich in Halle Tausende Menschen zu einem großen Konzert im Gedenken an die Opfer des Anschlags. Unter dem Motto #HalleZusammen wollten die Veranstalter ein "Signal für ein offenes und friedliches Miteinander und eine Botschaft gegen Antisemitismus" aussenden.