Präsidentschaftswahl im Bürgerkrieg
3. Juni 2014Warum lässt Präsident Baschar al-Assad mitten im Bürgerkrieg wählen?
Der Urnengang solle dem syrischen Machthaber helfen, Legitimität für seine Herrschaft zu beanspruchen, erklärt Julien Barnes-Dacey, Nahost-Experte der europäischen Denkfabrik European Council on Foreign Relations (ECFR). "Das erlaubt ihm, den Syrern und der Welt zu sagen, dass er ein neues Mandat habe und dass die Frage einer Machtübergabe an jemand anderes völlig abwegig sei", sagt Barnes-Darcey im DW-Gespräch. Für den ECFR-Experten steht jedoch außer Frage, dass dieser Wahlprozess eine Art von Betrug sei.
Wie reagieren syrische Oppositionsgruppen?
Die Syrische Nationale Koalition (SNC) als ein Dachverband von Oppositions- und Rebellengruppen bezeichnete die Wahl als Farce. "Das Assad-Regime ist niemals gewählt worden, steht aber für eine 44 Jahre andauernde Familien-Diktatur", schreibt die Organisation in einer Erklärung. Vor Baschar al-Assad hatte schon dessen Vater Hafez das Land beherrscht. Wenn ein Drittel der Syrer auf der Flucht sei, könne es keine echten Wahlen geben, betonte der SNC.
Wie reagiert das Ausland auf die Wahl?
Das westliche Ausland und viele arabische Staaten lehnen den Urnengang strikt ab. Die Gruppe der "Freunde Syriens", zu der auch Deutschland, die USA und Frankreich gehören, verurteilte die Wahl als illegitim. Damit verstoße die Führung in Damaskus gegen Genfer Friedensvereinbarungen. Die "Freunde Syriens" bezeichneten den Urnengang als "Demokratie-Parodie".
Welche Kandidaten stehen zur Wahl?
Auf dem Wahlzettel werden drei Namen stehen: Amtsinhaber Baschar al-Assad, Ex-Staatsminister Hassan al-Nuri und der Abgeordnete Maher al-Hadschar. Eine Wiederwahl Assads gilt als sicher. Barnes-Dacey zufolge will Assad mit den beiden Gegenkandidaten signalisieren: "Schaut, wir haben mehrere Kandidaten, das ist eine legitime Wahl. Es ist nicht unsere Schuld, wenn die Opposition sich weigert, teilzunehmen." Allerdings sind die Mitbewerber um das Präsidentamt nach Ansicht des syrischen Menschenrechtsaktivisiten Mustafa Haid von der zivilgesellschaftlichen Organisation Dawlaty nur Statisten. "Mindestens einer von ihnen sagte, dass Assad sein Führer sei und er würde das Gleiche tun, was Assad jetzt tut", kritisiert Haid. Die syrische Organisation Dawlaty setzt sich von Beirut aus für Demokratie und Menschenrechte ein.
Vertreter der Exilopposition hätten auch dann nicht antreten können, wenn sie den Wahlprozess akzeptiert hätten. Kandidaten müssen laut Wahlgesetz die vergangenen zehn Jahre in Syrien gelebt haben.
Wo kann überhaupt gewählt werden?
Da die zersplitterten Rebellengruppen die Wahl ablehnen, können nur die Syrer in den Gebieten unter Regierungskontrolle ihre Stimme abgeben. Die Millionen Flüchtlinge innerhalb und außerhalb Syriens können laut Barnes-Dacey nicht mit wählen. Viele fragten sich außerdem, warum sie wählen sollten, wenn der Wahlsieg Assads ohnehin feststehe.
Syrer im Ausland konnten bereits am 28. Mai in vielen Ländern mitwählen, wenn sie sich in den syrischen Botschaften registrieren ließen. Das war in Ländern wie Libanon oder Brasilien möglich. Deutschland und Frankreich erlaubten den jeweiligen Botschaften die Abstimmung dagegen nicht. Der SNC begrüßte ausdrücklich die Weigerung von Deutschland und Frankreich.
Welche Bedeutung hat die Wahl für den weiteren Konflikt?
Nach Ansicht des Menschenrechtsaktivisten Haid werden die Diskussionen über eine politische Lösung nach dem Urnengang noch schwieriger. Assad schlage die Tür für einen Dialog ganz zu, wenn er unter solchen Umständen eine neue Amtszeit beanspruche. Damit erscheine der bewaffnete Kampf noch stärker als einzige Möglichkeit, erklärt Haid. Für Barnes-Dacey sind Wahlen angesichts der Kämpfe und der tiefen Spaltung der Gesellschaft derzeit ohnehin zweitrangig. Einfluss auf den Lauf der Ereignisse habe vor allem das Geschehen auf dem Schlachtfeld.