1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

"Annan-Plan für Syrien nicht gescheitert"

Rachel Gessat31. Mai 2012

Tom Koenigs, Vorsitzender des Bundestagsausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe, setzt nach dem Massaker in Hula weiter auf Diplomatie. Von der Bundesregierung verlangt er mehr Engagement.

https://p.dw.com/p/154Ri
Tom Koenigs 2007 Foto: AP /Herbert Knosowski
Bild: AP

Deutsche Welle: Herr Koenigs, die Bundesregierung hat den syrischen Botschafter zur 'Persona non grata' erklärt und ihn aufgefordert, das Land zu verlassen. Ist das nicht eine hilflose Geste angesichts der Gräueltaten, die in Hula geschehen sind?
 
Tom Koenigs: Es ist zwar eine hilflose Geste, trotzdem ist sie notwendig. Man kann nicht einfach darüber hinweggehen, wenn das syrische Volk in solch brutaler Weise gequält und gemeuchelt wird. Da ist es gut, dass auch andere Staaten sich zu diesem Schritt entschlossen haben. Es gibt für einen syrischen Diplomaten dieses Regimes in Deutschland nichts mehr zu sagen.

Kofi Annan, der Sonderbeauftragte der UNO für Syrien, hat am Montag (29.05.2012) in Damaskus noch einmal mit dem syrischen Präsidenten Baschar al-Assad und Vertretern der Opposition gesprochen. Dabei hat er auf die Einhaltung des 6-Punkte-Plans gedrängt. Ist der UN-Friedensplan nicht schon gescheitert? Gibt es Ihrer Einschätzung nach überhaupt noch eine Chance für einen diplomatischen Erfolg?

Es gibt keine andere Möglichkeit, als auf die Diplomatie zu setzen. Auch die Ausweisung des Botschafters ist ja ein diplomatisches Signal, das Assad unter Druck setzen soll und ihm klar machen soll, dass er vollkommen isoliert ist. Der Druck muss aber auch auf die Staaten ausstrahlen, die bisher noch zu ihm halten oder zumindest einer völligen Isolation im Wege stehen: die beiden Veto-Mächte China und Russland. Auch auf sie muss dieser Druck wirken, denn auf Dauer kann sich kein zivilisierter Staat hinter einen Machthaber wie Assad stellen. Man sollte den Friedensplan nicht für gescheitert erklären, denn auch jeder neue Friedensplan müsste eigentlich dieselben Elemente enthalten.

Nun sind unter dem Eindruck des Massakers vermehrt Stimmen laut geworden, die laut über eine militärische Option nachdenken: der US-Generalstabschef Martin Dempsey - und nun auch der französischer Präsident Francois Hollande. Könnte man mit einem militärischen Eingreifen das Blutvergießen stoppen?

Wenn man das so könnte, würde man wahrscheinlich schon viel eher zu so einer Maßnahme geraten haben. Ich glaube, niemand - auch Hollande nicht - glaubt, dass man mit einem schnellen Mandat dort Frieden schaffen kann. Trotzdem: das nicht auszuschließen vergrößert vielleicht den Druck.

Sie sind ja nicht nur Vorsitzender des Bundestagsausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe, sondern auch Mitglied der Grünen-Fraktion und damit Oppositionspolitiker. Wie sehen Sie die Rolle der Bundesregierung?

Insgesamt ist ja die Bundesregierung bedauerlicherweise in den Vereinten Nationen nicht besonders präsent oder aktiv. Man traut sich da nicht, eine Führungsrolle einzunehmen. In Syrien hat man sich aber mehrfach darum bemüht, eine Resolution im Sicherheitsrat zu schaffen.

Wenn man das unterlegen würde mit stärkeren Hilfsaktionen, zum Beispiel mit einer deutlich erklärten Aufnahme von Flüchtlingen oder stärkerem finanziellem Engagement, würde das sicher mehr helfen. Ich würde mir wünschen, dass - gerade nach der Erfahrung des Bosnien-Krieges 1992 bis 1995 - Deutschland sich deutlicher positioniert. Vielleicht zusammen mit Hollande, der ja offensichtlich da klarer denkt und auch spricht. Natürlich kann das nur im Konzert der europäischen Staaten gehen. Aber wenn ich mir anschaue, wie zum Beispiel im Weißen Haus die Sicherheitsberater von Barack Obama sehr eindeutig dafür sind, alles zu tun, um Massaker, Völkermord und schwere Kriegsverbrechen zu verhindern, dann muss ich sagen: Mehr Aktivität wäre möglich und wäre auch wünschenswert.

Sie selbst waren mehrfach Sonderbeauftragter der UN für Friedenssicherungsmissionen, 2002 in Guatmala und 2006/2007 in Afghanistan. Geben die Erfahrungen, die Sie dort gemacht haben, Hoffnung auf einen positiven Ausgang in Syrien?

Meine Erfahrung sagt mir, dass der Prozess in Syrien sehr lange dauern wird. Man muss sich sehr langfristig darauf einstellen, schlechte Nachrichten zu bekommen - und dann hoffentlich auch ein paar gute. Deshalb würde ich sagen, Kofi Annans Mission ist noch nicht gescheitert . Er selber hat gesagt, dieses wird ein langer Prozess sein und es wird darauf ankommen, wie viel Unterstützung er von den Mitgliedsstaaten bekommt - politisch, diplomatisch und materiell. Ich glaube, wir sollten alles tun, die Mission zu unterstützen. Zum Beispiel, indem wir Personal dort hinschicken und auch intensiv von dort berichten. Denn der Bericht über das Massaker kommt ja jetzt über die Vereinten Nationen. Auch das ist wichtig.

In this photo taken Monday, April 9, 2012, Syrian refugees are seen at a camp in Reyhanli, Turkey. Turkey's prime minister accused Syria of infringing its border and said Tuesday that his country is considering what steps to take in response, including measures "we don't want to think about." (Foto:Germano Assad/AP/dapd)
Syrien Flüchtlinge TürkeiBild: dapd
France's Socialist Party former first secretary and candidate for the party's primary elections for the 2012 presidential election Francois Hollande gestures as he speaks during a meeting in Paris, Thursday, oct. 13, 2011. He face Martine Aubry in next Sunday runoff vote. (Foto: AP/Michel Euler)
Schließt ein militärisches Eingreifen in Syrien nicht mehr aus: Frankreichs Premier Francois HollandeBild: AP
epa03240983 UN international envoy Kofi Annan arrives for a press conference in Damascus, Syria, 29 May 2012. Media reports on 29 May said Annan had told Syrian President Bashar al-Assad during talks that "Bold steps" are needed to end the bloodshed in Syria, even as several Western powers expelled top Syrian diplomats to protest the rising death toll. EPA/YOUSSEF BADAWI
Drängt auf die Umsetzung des UN-Friedensplans: Sonderbeauftragter Kofi AnnanBild: picture-alliance/dpa
Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen