Diva der Herzen: Anna Netrebko wird 50
Die berühmteste Opernsängerin der Gegenwart hat Charisma - und Ecken und Kanten. Am 18. September wird die Sopranistin Anna Netrebko 50 Jahre alt.
"Mi chiamano…"
..."Ich heiße Mimi", so beginnt die Heldin der berühmten Oper "La Bohème" von Puccini ihre Erzählung. Unsere Heldin heißt nicht Mimi, sondern Anna. Ein märchenhafter Aufstieg: Es war einmal ein tolles Mädchen, klug, fleißig und musikalisch überdurchschnittlich begabt. Geboren am 18. September 1971 im südrussischen Krasnodar.
Von der Putzfrau zur Solistin
Inmitten der Wirren der Perestroika geht Anna Netrebko mit 16 Jahren Ende der 1980er-Jahre zum Studium ans Konservatorium ins ferne und kalte Sankt Petersburg. Am Theaterplatz, nur wenige Meter von ihrem Studienort entfernt, liegt eines der bedeutendsten Opernhäuser der Welt: das Mariinsky-Theater. Dort möchte sie landen, um jeden Preis, sei es als Putzfrau (so heißt es zumindest).
Valery Gergiev: der Entdecker
Der aufsteigende Stardirigent Valery Gergiev wird ihr erster Mentor. Der heutige Chefdirigent der Münchner Philharmoniker sitzt damals noch nicht ganz fest im Sattel, erkennt aber das große Talent der jungen Sängerin und fördert es mit allen Mitteln. Längst haben beide unabhängig voneinander Karriere gemacht, doch Netrebko und Gergiev sind bis heute ein Tandem in der Musikwelt (Bild aus 2013).
Der Durchbruch: Donna Anna in Salzburg
Nach den ersten erfolgreichen Auftritten an bedeutenden Opernbühnen wird Netrebko für eine der wichtigsten Opernrollen der Welt engagiert. 2002 ist ihr großes Jahr. Die Rolle der Donna Anna (unter Nikolaus Hanoncourt) bei den Salzburger Festspielen wird ihr Sprungbrett zum Opernstar. Hier ist sie mit Thomas Hampson als Don Giovanni zu sehen.
Der Netrebko-Hype
Anfang der 2000er-Jahre entwickelt sich ein regelrechtes Netrebko-Fieber. Tausende Euros werden für Karten ausgegeben (in Wien trat sie als Manon auf, Bild). Anna Netrebko gilt als "Primadonna Assoluta" der Oper. Sie sei "die Verkörperung der Anmut und Weiblichkeit", wie es damals etwas sexistisch im deutschen Feuilleton zu lesen war. Auf jeden Fall ist sie eine Meisterin der vokalen Perfektion.
Anna für alle
Tausende von Interessierten stehen 2007 auf dem Bebelplatz in Berlin und schauen sich die Übertragung der Oper "Manon" aus der Staatsoper an. Aus Anlass der letzten Aufführung wurde die Oper, mit Anna Netrebko in der Hauptrolle, auf eine große Videoleinwand übertragen
Familie im Fokus der Öffentlichkeit
Das Privatleben der Sängerin gerät ins Visier der Öffentlichkeit, zum Beispiel ihre Beziehung zu dem aus Uruguay stammenden Sänger-Kollegen (Bass-Bariton) Erwin Schrott. Der Sohn Tjago, geboren 2008, Anna Netrebkos Ein und Alles, stammt aus dieser Verbindung.
Trennung von Kunst und Leben
Doch die Beziehung zerbricht. Was bleibt, sind große Momente der Kunst (hier ist das Paar als Don Giovanni und Donna Anna in der Mozart-Aufführung in Baden-Baden, 2013, zu sehen). Und der Sohn Tjago.
Staatliche Vereinnahmung
Gewollt oder ungewollt wird die erfolgreichste russische Sopranistin zur Favoritin der russischen, staatlich gesteuerten Presse. 2008 verleiht der russische Präsident Wladimir Putin höchstpersönlich Anna Netrebko die Auszeichnung "Volkskünstlerin der Russischen Föderation" - die höchste Auszeichnung für Kulturschaffende in seinem Land.
Bewunderung für Angela Merkel
Begeistert ist Anna Netrebko von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Sie nennt sie "die coolste Frau der Welt". Die Wertschätzung scheint auf Gegenseitigkeit zu beruhen.
Lässt sie sich instrumentalisieren?
Schlechtes Kalkül oder Dummheit? 2014 tritt Anna Netrebko in ihr größtes politisches Fettnäpfchen: Sie lässt sich mit dem prorussischen Separatistenführer Oleg Tsarev fotografieren, samt Flagge des selbst ausgerufenen "Neurussland". Der Krieg in der Ostukraine dauert bis heute an. Mehr als 13.000 Menschen haben ihr Leben an der Front gelassen.
Bayreuth-Absage
Die Medien stürzen sich auf die Sängerin. Wie hier beim Opernball in Wien, als Anna ihre große Liebe zu Wagner verkündete: "Wagner ist mein Lieblingskomponist", verriet sie. Daraus wurde allerdings nicht viel: Nach einem "Test-Singen" der Partie der Elsa in "Lohengrin" in Dresden und Sankt Petersburg sagte Netrebko kurzfristig ihr Bayreuth-Debüt 2019 ab.
Anna tanzt
Manchmal wünscht man sich etwas weniger Anna. Etwa bei ihren berühmt-berüchtigten Tanzeinlagen. Auch bei der Wahl ihres Outfits zeigt Netrebko nicht immer einen stilsicheren Geschmack - wie etwa hier beim Konzert auf dem Roten Platz in Moskau anlässlich der Eröffnung der Fußballweltmeisterschaft 2018.
Privates Glück
Privat hat Anna Netrebko offenbar ihr Glück gefunden: Seit 2014 ist die Sängerin mit dem aserbaidschanischen Tenor Yusif Eyvazov (hier bei der Verlobung in Salzburg) liiert. Die Allianz hat auch Einfluss auf Eyvazovs Karriere. So gut wie jeder Vertrag von Netrebko sieht auch eine Klausel für ihren Ehemann vor.
Königin der dramatischen Rollen
In den großen dramatischen Rollen bleibt sie weiterhin unangefochten ein Star. Auch wenn ihr manchmal kleinere Misserfolge passieren, wie etwa im Sommer 2021 in Salzburg. Die Rolle als "Tosca" in der Titelpartie überzeugte jedenfalls nicht alle Kritiker. Trotzdem bleibt Anna eine Diva, die weltweit gefragt ist. Herzlichen Glückwunsch, Primadonna der Herzen.