Angolas Bevölkerung leidet unter billigem Rohöl
5. März 2015Rosa Cirilo ist verzweifelt. Ihr Handel mit Medikamenten und medizinischer Ausstattung für Krankenhäuser ist praktisch zusammengebrochen. Sie kann dringend benötigte Schmerzmittel und andere Medikamente nicht mehr nach Angola importieren. Die Überweisungen an die Pharmafirmen im Ausland kommen nur noch mit großen Verzögerungen von mehreren Monaten an. Oder auch gar nicht. Ihre Bank begrenzt Überweisungen in Dollar und Euro ins Ausland, sagt Rosa Cirilo. Der Grund dafür sei Devisenknappheit, ausgelöst durch die Ölkrise.
"Wenn es so weitergeht, muss ich mein Geschäft bald schließen", sagt Rosa Cirilo im Gespräch mit der DW.
"Wir Angolaner sind dringend auf Medikamente aus dem Ausland angewiesen. Angola produziert keine eigenen Medikamente. Alles kommt aus dem Ausland, vor allem aus Deutschland, Portugal, Polen, den USA oder Brasilien. Und wenn die Exporteure kein Geld bekommen, dann sitzen wir in Angola auf dem Trockenen. So einfach ist das."
Auswirkungen auf Gesundheitsversorgung
Die Auswirkungen bekommt auch Dr. Luis Filipe zu spüren. Der Angolaner betreibt in Luanda eine erfolgreiche Klinik und hat sich auf chinesische Heilkunde spezialisiert. Bis zu 90 Patienten betreuen Filipe und seine Mitarbeiter täglich. Trotzdem überlegt er jetzt, seine Klinik zu schließen. "Ich hatte einen großen Vorrat an Akkupunkturnadeln und Besteck für chirurgische Eingriffe, das nur einmal verwendet werden darf. Dieses Material ist jetzt aufgebraucht. Ich bekomme auf dem Markt kein neues und kann deswegen meine Patienten nicht mehr fachgemäß behandeln."
Der angolanische Arzt vergleicht die Gesundheitsversorgung in Angola mit "einem Krebsgeschwür im Endstadium". Die Situation betreffe vor allem die Ärmeren, denn "die Reichen setzen sich einfach in ein Flugzeug und lassen sich im Ausland behandeln, in Namibia, Südafrika oder in Portugal."
Unter drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts werden in Angola für die Gesundheitsversorgung ausgegeben. Zuletzt hatte sich die Situation im Gesundheitssektor etwas verbessert. Die Ölkrise gefährdet jetzt die wenigen kleinen Fortschritte in den vergangenen Jahren: "Angola hat immer noch eine der höchsten Säuglingssterblichkeitsraten der Welt, über 80 von 1000 Kindern erreichen in Angola nicht das fünfte Lebensjahr. Einschnitte im Gesundheitssektor sind fatal", sagt Rafael Marques, Menschenrechtsaktivist und Betreiber des Blogs Makaangola.
Abhängigkeit vom Rohöl rächt sich
Rafael Marques bemängelt vor allem, dass Angolas Wirtschaft in den vergangenen Jahren ausschließlich auf Erdöl gesetzt habe. An anderen Wirtschaftszweigen - zum Beispiel Landwirtschaft oder Fischerei - habe man kein Interesse gezeigt: "Das Öl sprudelte - und damit die Einnahmen derjenigen, die an der Quelle waren. Und das waren der Präsident, einige Generäle und Parteibonzen. Zudem wurden in den Boom-Jahren keine Reserven geschaffen, mit denen man jetzt eine solche Krise hätte auffangen können."
Tatsächlich brummte seit dem vergangenen Jahrzehnt das Geschäft mit dem Öl, vor allem seit 2002 der Bürgerkrieg zwischen der MPLA und den UNITA-Rebellen beendet wurde. Die Produktion war von 600.000 Barrel täglich im Jahr 2002 auf über 1,8 Millionen angestiegen - das entspricht nahezu der Leistung Nigerias, des größten afrikanischen Rohölproduzenten.
Fallender Rohölpreis, steigende Spritpreise
Wie reagiert Angolas Politik auf die fallenden Rohölpreise? Als eine der ersten Maßnahmen beschloss die Regierung von Präsident José Eduardo dos Santos, die Spritpreise im Lande um 20 Prozent zu erhöhen. Die scheinbar widersinnige Entwicklung hat folgenden Hintergrund: Mehr als 80 Prozent des Sprits in Angola wird aus Ländern wie Südafrika, Portugal oder Gabun importiert. Denn Angola besitzt bislang nur eine einzige Raffinerie. Und diese Spritpreise wurden seit Jahren künstlich subventioniert. Die Subventionierung der Spritpreise kostete den angolanischen Staat jährlich 3,5 Milliarden US-Dollar. Diese Subventionen wurden nun gekürzt.
Menschenrechtsaktivist Marques sagt, auch unter dieser Maßnahme litten vor allem die ärmeren Schichten. "An die Eliten verteilt man Coupons für verbilligtes Benzin. Die Armen müssen währenddessen erheblich höhere Preise für die Sammeltaxis bezahlen. Mit den Transportpreisen steigen auch die Preise für Grundnahrungsmittel oder Produkte des täglichen Gebrauchs, angefangen beim Brot, bis hin zum Klopapier."
Gefahr sozialer Unruhen?
Dabei gilt Luanda bereits seit Jahren als teuerste Stadt der Welt. "Angola produziert fast gar nichts selbst. Fast alle Konsumgüter werden teuer importiert", erklärt Filipe. "Durch die Devisenknappheit und die Restriktionen bei den Überweisungen verschärft sich die Lage jetzt sogar noch: Die Preise steigen."
Menschenrechtsaktivist Marques sieht eine düstere Zukunft für Angola: "Wenn die internationalen Prognosen bezüglich des Rohölpreises zutreffen und der Preisverfall des Rohöls in den nächsten zwei Jahren anhält, dann stehen Angola große soziale Aufstände bevor."