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Separatisten melden klare Mehrheit

12. Mai 2014

Allen Warnungen zum Trotz haben die Separatisten in der Ostukraine ihr "Referendum" abgehalten. Angeblich stimmte eine überwältigende Mehrheit der Wähler für die Abspaltung der Regionen Donezk und Luhansk von Kiew.

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Uniformierter im Osten der Ukraine gibt beim Referendum seine Stimme ab (foto: reuters)
Bild: reuters

Bei dem international kritisierten "Referendum" prorussischer Aktivisten haben sich nach deren eigenen Angaben 89 Prozent für die Abspaltung der selbst ernannten "Volksrepublik" Donezk von der Ukraine ausgesprochen. Im benachbarten Gebiet Luhansk haben nach Darstellung von Separatisten fast 96 Prozent für eine Unabhängigkeit von Kiew gestimmt. Das teilte der Vizechef der selbst ernannten Wahlkommission, Alexander Malychin, nach einer Meldung der Nachrichtenagentur Interfax mit.

Die Anführer der beiden "Volksrepubliken" sprachen am Sonntagabend von einer überwältigenden Beteiligung. Laut Aktivisten sollen in Donezk 71 Prozent und in Luhansk mehr als 80 Prozent der Berechtigten abgestimmt haben.

"Wahllokale" neben Barrikaden

Vor den Wahllokalen hatten sich zum Teil lange Menschenschlangen gebildet. Einwohner warfen ihre Stimmzettel in durchsichtige Urnen, auf die die schwarz-blau-rote Flagge der "Volksrepubliken" geklebt war. Teilweise waren "Wahllokale" auf der Straße oder - wie in der Separatisten-Hochburg Slowjansk - direkt an den Barrikaden der moskautreuen Kämpfer aufgebaut.

In Krasnoarmejsk gab es bei einem Militäreinsatz angeblich einen Toten und einen Verletzten. Nach Berichten russischer Medien hatten ukrainische Regierungstruppen in einem Wahllokal die Stimmabgabe für das Referendum gestoppt. In einem darauffolgenden Handgemenge fielen mehrere Schüsse.

In der ostukrainischen Stadt Slawjansk haben sich Regierungstruppen erneut Gefechte mit prorussischen Kräften geliefert. Die Separatisten hätten den Fernsehturm sowie Soldaten mit Granatwerfern beschossen, teilte Innenminister Arsen Awakow am Montag bei Facebook mit. Es gebe keine Verletzten. Awakow warf den Kämpfern vor, sich in Wohnungen von Zivilisten zu verschanzen. Die russische Staatsagentur Ria Nowosti meldete, die Regierungseinheiten hätten Kontrollpunkte der Separatisten am Stadteingang angegriffen. Das Mobilfunknetz sei gestört. Die Stadt mit 125 000 Einwohnern wird weitestgehend von den Separatisten beherrscht und ist vom Militär umstellt, das mit einem "Anti-Terror-Einsatz" die Macht in der Region zurückgewinnen will.

Auch in der russischen Hauptstaft Moskau beteiligten sich etliche Menschen in einer improvisierten Wahlstation unter freiem Himmel an der Abstimmung. Sie stammten angeblich alle aus den Regionen Donezk und Luhansk. Proukrainische Medien berichteten unterdessen von massiven Wahlfälschungen.

Schlange vor Wahllokal in Mariupol (Foto: Reuters/Marko Djurica)
In vielen Wahllokalen herrschte großer AndrangBild: Reuters

Nur erster Schritt hin zu "Neurussland"

Der Separatistenführer Denis Puschilin kündigte an, in einem nächsten Schritt wollten die Aktivisten nun staatliche und militärische Strukturen bilden. Der "Volksgouverneur" von Donezk, Pawel Gubarew, sagte dem russischen Staatsfernsehen: "Das Referendum bedeutet uns alles." Die Schaffung eines neuen Staatssubjekts sei aber nur der erste Schritt auf dem Weg zur Bildung eines Landes "Neurussland" auf dem Gebiet der Südostukraine, betonte er. Ein Anschluss an Russland nach dem Vorbild der ukrainischen Schwarzmeerhalbinsel Krim ist zunächst nicht geplant.

Das Außenministerium in Kiew teilte mit, das "vom Kreml inspirierte, organisierte und finanzierte" Referendum sei rechtlich wertlos und werde keinerlei "rechtliche Folgen für die territoriale Integrität der Ukraine haben". Die Organisatoren "dieser kriminellen Farce" hätten die Verfassung und die Gesetze der Ukraine verletzt.

Eine Sprecherin der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton erklärte, die Europäische Union erkenne die "angeblichen Referenden" nicht an. Die Organisatoren der Abstimmungen seien nicht demokratisch legitimiert, die Abhaltung der Befragungen widerspreche den Zielen des Genfer Abkommens. Frankreichs Präsident François Hollande verurteilte das Referendum als "sinnlos" sowie "null und nichtig". Das einzige Votum, das zähle, sei die geplante landesweite Präsidentschaftswahl am 25. Mai. US-Verteidigungsminister Chuck Hagel warnte Russland davor, sich für einen möglichen "kurzfristigen Sieg" auf lange Sicht weltweit zu isolieren.

EU berät über neue Sanktionen

Der russische Präsident Wladimir Putin will sich erst nach einer Analyse des Ergebnisses zu der Abstimmung in der Ostukraine äußern. Das sagte sein Sprecher Dmitri Peskow der Moskauer Zeitung "Kommersant".

Er nahm die prorussischen Separatisten in Schutz, die entgegen einer Aufforderung Putins an der Befragung festgehalten hatten. Das militärische Vorgehen der Regierung in Kiew habe ihnen keine andere Wahl gelassen. Die Androhung schärferer Sanktionen der EU und der USA gegen Russland nannte Peskow eine "absolute Dummheit".

Die geplante Verschärfung der EU-Sanktionen gegen Russland steht an diesem Montag im Zentrum von Beratungen der EU-Außenminister in Brüssel. Die Minister wollten über zusätzliche Einreiseverbote und Kontensperrungen entscheiden, sagten Diplomaten. Bisher gelten solche Maßnahmen schon gegen 48 Personen.

Gysi nach Moskau gereist

Der deutsche Bundestagsabgeordnete und Fraktionschef der Linkspartei,Gregor Gysi, ist inzwischen in Moskau gelandet, um dort Gespräche über die Ukraine-Krise zu führen. "Ich will meinen Beitrag zur Deeskalation leisten", sagte er beim Parteitag der Linken, der am Wochenende in Berlin stattfand.

Gysi will unter anderem mit dem Präsidenten der Staatsduma, Sergej Naryschkin, zusammenkommen. Er gehört zu den Politikern, den USA und EU bereits mit Sanktionen belegt haben. Wen Gysi noch treffen will, wurde zunächst nicht bekannt.

Die Linke gibt dem Westen und der Bundesregierung eine erhebliche Mitschuld an den zunehmenden Spannungen im Ukraine-Konflikt. Beim Linken-Parteitag, der am Wochenende in Berlin stattfand, forderte Gysi eine neue Ostpolitik Deutschlands und berief sich dabei auf den früheren Bundeskanzler Willy Brandt. Der SPD-Politiker war in den späten 60er und frühen 70er Jahren für eine Entspannungspolitik gegenüber den Staaten des damaligen Warschauer Pakts eingetreten.

gri/SC/kle (dpa, afp, rtr)