Andy Schleck: "Ich setze alles auf Gelb!"
8. Februar 2012DW.DE: Andy Schleck, Ihr Kontrahent Contador hat nach Überzeugung des Internationalen Sportgerichtshofs CAS gedopt. Damit sind Sie nun nachträglicher Sieger der Tour de France 2010. Wie empfinden Sie diesen Sieg?
Andy Schleck: Natürlich möchte man gewinnen. Aber das Schöne daran sind doch die Erinnerungen daran. Nun haben andere entschieden, dass ich der Gewinner bin. Natürlich nehme ich das an, aber zum Toursieg gehört doch die Fahrt in Gelb über die Champs-Elysées. Ich hoffe, dass ich das nun 2012 erleben darf. Momentan gibt es aber keinen richtigen Grund, glücklich zu sein. Denn es tut mir Leid für Alberto, ich habe immer an seine Unschuld geglaubt. Das einzig Positive ist nun, dass wir nach 565 Tagen Unsicherheit endlich nach vorne schauen können.
Nach dieser überraschenden Nachricht, was wird das Jahr 2012 sportlich für Sie bringen?
Ich hoffe, es wird ein gutes Jahr, die Vorraussetzungen dafür sind gut. Wir haben eine sehr starke Mannschaft in diesem Jahr. Mit Johan Bruyneel haben wir nun einen Manager, der sehr viel Erfahrung hat, wie auch die sportlichen Leiter. Ich denke, dass wir ein super Team haben, auch dank erfahrenen Fahrern wie Andreas Klöden und Chris Horner. Mit diesen Fahrern an meiner Seite kann es ja eigentlich nur noch an mir scheitern.
"Die Favoritenrolle motiviert mich!"
Ihr neues Team Radioshak-Nissan-Trek gilt als das beste Team der Welt. Einige Experten schreiben Ihnen daher schon jetzt die Favoritenrolle für die Tour de France 2012 zu. Stört Sie das?
Nein, überhaupt nicht. Im Gegenteil: Das motiviert mich!
Was ist ihr Ziel für die Tour 2012? Wieder ein gemeinsames Podiumsfoto in Paris mit Ihrem Bruder Fränk?
Nein, das ist nicht das Ziel, wieder zwei von uns auf das Podium zu bringen. Wir wollen einen von uns in Gelb nach Paris bringen, das ist das Ziel. Wir waren 2011 Zweiter und Dritter. Wenn wir 2012 Erster und Zweiter würden, klar, das würde ich natürlich sofort unterschreiben. Aber unser Ziel ist es: Einer ganz oben, und auf welchem Platz der andere ankommt, ist dann egal.
"Vielleicht haben wir bei der Tour schon früh einen Vorsprung"
Ist es denn auch egal, wer von Ihnen beiden gewinnt?
Ja, das ist egal.
Ihr Teamkollege Jens Voigt sagte, dass sie eigentlich schon mit drei Minuten Rückstand am Start der Tour in Lüttich stehen werden. Denn in diesem Jahr gibt es zwei Zeitfahren und das ist nicht ihre Paradedisziplin…
Nein, ich sehe das nicht so. Letztes Jahr gab es nur wenige Zeitfahr-Kilometer und ich habe die Tour mit anderthalb Minuten Rückstand verloren. Vor zwei Jahren gab es mehr Zeitfahr-Klometer und ich habe die Tour nur mit gut 30 Sekunden Rückstand verloren (ehe Contador der Sieg aberkannt wurde, Anm. d. Red.). Ich sehe das ganz anders: Wir fangen alle bei null an. Vielleicht werde ich im Prolog auf Cadel Evans ein paar Sekunden verlieren, aber dann kommen ja schon sehr früh die Bergetappen. Vielleicht haben wir schon sehr früh einen Vorsprung, wenn es ins erste Zeitfahren geht. Außerdem gibt es in diesem Jahr auch mehr Bergwertungen und das kommt mir entgegen.
"Ich will nicht mehr Zweiter werden"
In ihrem Team fährt auch der mittlerweile älteste Profi der WorldTour: Jens Voigt. Welche Rolle spielt er als Helfer für Sie?
Jens ist einer, auf den man immer zählen kann. Er ist ein echtes Arbeitspferd!
Nach mehreren zweiten Plätzen bei Tour und Giro haben Sie manche Beobachter schon mit dem Titel "ewiger Zweiter" versehen. Was entgegnen Sie denen?
Abwarten. Ich war jetzt vielleicht dreimal Zweiter der Tour, aber das ist auch ein Platz, der Respekt verdient. Aber jetzt will ich nicht mehr Zweiter werden. Ich setze alles auf Gelb!
Das Gespräch führt Joscha Weber
Redaktion: Arnulf Boettcher