Vergessener Krieg
16. Juli 2013Weder die von den USA geführten UN-Streitkräfte, noch die nordkoreanischen Truppen mit ihren chinesischen Verbündeten und massiver sowjetischer Rüstungshilfe konnten am Ende triumphieren. Bis auf einige Landgewinne Südkoreas nördlich des 38. Breitengrades und Nordkoreas südlich der alten Demarkationslinie blieb alles beim Alten: Eine kommunistische Diktatur im Norden, die von der Sowjetunion und Rot-China unterstützt wurde, stand einem westlich gestützten, anti-kommunistischen Regime in Südkorea gegenüber.
Um das gesamte Land unter kommunistische Kontrolle zu bringen, hatte der nordkoreanische Diktator Kim Il Sung am 25. Juni 1950 nordkoreanische Truppen über die Grenze am 38. Breitengrad in Marsch gesetzt und mit Unterstützung der Sowjetunion unter Stalin und Chinas unter Mao Tse-tung den Süden angegriffen. Bereits drei Tage später wurde die südkoreanische Hauptstadt Seoul von den Truppen Kim Il-sungs erobert.
Die Streitkräfte der Südkoreaner, nur unzureichend vorbereitet und von schwachen US-Verbänden unterstützt, wurden innerhalb weniger Wochen bis auf ein kleines Gebiet im Südosten der Halbinsel um die Hafenstadt Busan herum zurückgedrängt. Außerdem waren einzelne US-Einheiten zwischen Seoul und Busan von nordkoreanischen Truppen eingekesselt.
Militärische UN-Intervention
Der UNO-Sicherheitsrat beschloss daraufhin am 30. Juli 1950 - in Abwesenheit der vetoberechtigten Sowjetunion - in den Konflikt einzugreifen und autorisierte die militärische Intervention durch eine UN-Streitmacht. Bereits vorher hatte das UN-Gremium den "Bruch des Friedens" durch Nordkorea verurteilt.
In der Folge gelang es den von US-Truppen dominierten UN-Streitkräften das Blatt zu wenden und die Siegesserie der Nordkoreaner zu beenden. Nach dem Überschreiten des 38. Breitengrades wurden sogar Pjöngjang und weite Teile Nord-Koreas erobert. Doch durch das massive Eingreifen Chinas mit Hunderttausenden so genannter Freiwilliger wurden Süd-Koreaner und UN-Truppen wieder bis zum 38. Breitengrad zurückgedrängt, ein verlustreicher Stellungskrieg folgte. Zeitweise hatte die Welt damals am Rand eines Atomkrieges gestanden.
Am 10. Juli 1951 wurden dann Waffenstillstands-Verhandlungen aufgenommen, doch es sollte noch zwei Jahre, bis zum 27. Juli 1953, dauern, bis die Waffen schwiegen. Für den Historiker Rolf Steininger ist es erwiesen, dass vor allem der sowjetische Diktator Stalin für die Verlängerung des Krieges verantwortlich war, die Hunderttausende Menschen das Leben kostete. "Kim und Mao Tse-tung wollten längst den Krieg beenden, aber Stalin hat 'Nein' gesagt - das wissen wir heute." Stalin habe gesagt 'Wir verlieren nur Menschen und davon haben wir genug' , so Steininger. "Stalins Strategie war, die Amerikaner in Korea ausbluten zu lassen", sagt der Historiker von der Universität Innsbruck, der sich viele Jahre lang mit dem Korea-Krieg beschäftigt und mehrere Bücher zum Thema veröffentlicht hat. Die Einsicht, den Krieg mit militärischen Mitteln nicht gewinnen zu können und die zunehmende Kriegsmüdigkeit in den USA ebneten laut Steininger den Weg zum Waffenstillstand - doch möglich wurde er erst durch den Tod Stalins am 5. März 1953.
Vierzig Jahre des Vergessens
In den USA sollte es rund 40 Jahre dauern, bis der Krieg in Korea wieder ins Bewusstsein der Öffentlichkeit rückte. Auslöser sei die Einweihung des durch eine Privatinitiative entstandenen Vietnam-Memorials in der Hauptstadt Washington im Jahr 1983 gewesen, erinnert sich Steininger. "Danach haben sich einige bekannte Schauspieler und später dann auch US-Astronauten zusammengetan, und 1995 ist dann ein Korea War Memorial in Washington eröffnet worden. Das war der einzige Krieg bis dahin ohne irgendeine Gedenkstätte." Wie sehr die amerikanischen Korea-Veteranen jahrzehntelang darunter gelitten haben, dass der Krieg mit rund 37.000 gefallenen US-Soldaten verdrängt worden war, lässt sich bis heute auf der Internetseite der US-Veteranen erahnen, wo zu lesen ist: "No longer The Forgotten War."
Schmerzvolle Erinnerungen
Dagegen ist für die Koreaner der Krieg alles andere als vergessen - bis heute. Han-Kyung Lee erlebte den Kriegsbeginn am 25. Juni 1950 als 12-Jähriger in einem Dorf in der Nähe des 38. Breitengrades, in der heutigen Demilitarisierten Zone. "Vergessener Krieg bedeutet, der Krieg wäre vorbei. Aber Korea ist immer noch im Kriegszustand, es ist noch nicht vorbei. Deswegen ist das eine schlechte Bezeichnung."
Lee erinnert sich vor allem an die massiven Luftangriffe der Amerikaner: "Als der koreanische Krieg ausbrach, war ich zwölf. Ich erinnere mich ganz genau, wie der Krieg gekommen ist. Ich habe nordkoreanische Soldaten gesehen, ich habe südkoreanische Soldaten gesehen. Und ich weiß, wie die Amerikaner Korea bombardiert haben. Das war schrecklich, mehr als schrecklich. Ich habe es mit Leib und Seele erfahren", erinnert sich der 75-jährige Lee, der seit 1965 in Deutschland lebt. "Anfangs wussten wir nicht, was da los ist, als die B29-Höhenbomber über uns hinwegflogen und ihre Bomben abwarfen. Wir Kinder dachten, das sind Hilfsgüter oder Flugblätter." Lee wird bis heute die Erlebnisse von damals nicht los, erinnert sich an pausenlose Luftangriffe und spielende Kinder, die von US-Blindgängern getötet wurden.
Vor allem Zivilisten, Frauen und Kinder, wurden zu Opfern der US-Flächenbombardements, die größten Städte des Landes wie Pjöngjang und Seoul wurden dem Erdboden gleichgemacht. Wie massiv die Luftangriffe waren, kann der Historiker Rolf Steininger bestätigen: "Schon Ende 1951 gab es für amerikanische Piloten - so haben sie sich beklagt - keine Ziele mehr in Nordkorea. So kaputt war das Land."
Auswirkungen auf die Bundesrepublik
Rolf Steininger weist auch auf die gravierenden Auswirkungen des Korea-Krieges auf Deutschland hin: "Die Grundsatzentscheidung der Westmächte zur Wiederbewaffnung der Bundesrepublik im Dezember 1950 wäre ohne den Korea-Krieg, ohne das militärische Desaster der Amerikaner, das Adenauer geschickt ausgenutzt hat, niemals gekommen." Außerdem habe die junge Bundesrepublik in ökonomischer Hinsicht profitiert, so Steininger: Im Zuge des Korea-Krieges fielen die letzten Restriktionen für die deutsche Wirtschaft.
Nach der deutschen Wiedervereinigung 1990 wurde auch in Korea eine mögliche Überwindung der Teilung des ost-asiatischen Landes diskutiert. Doch mittlerweile haben sich in Südkorea viele Menschen von solchen Denkspielen verabschiedet - und zwar aus gutem Grund, wie Rolf Steininger unterstreicht: "Sollte das nord-koreanische System zusammenbrechen, dann kommt auf Südkorea eine ungeheure Aufgabe zu, die ungleich größer sein wird als das, was wir in Deutschland erlebt haben."