E-Autos für Polen
11. August 2016Polens Programm zur E-Mobilität, das der stellvertretende Regierungschef Mateusz Morawiecki, zuständig für die wirtschaftliche Entwicklung, und Energieminister Krzysztof Tchórzewski im Juli präsentierten, verfolgt große Ziele: Eine Million E-Autos sollen innerhalb von zehn Jahren auf polnischen Straßen fahren. Im letzten Jahr wurden in dem Land mit seinen 38 Millionen Einwohnern nur 427 Stück verkauft, sagte die stellvertretende Ministerin für wirtschaftliche Entwicklung Jadwiga Emilewicz.
Die Regierung will nun zunächst die Städte des Landes ermuntern, eigene Umwelt-Programme zu entwickeln, um auf diesem Wege die Produktion von E-Autobussen auf 1000 bis 2020 anzukurbeln, so die Emilewicz.
In einem nächsten Schritt sollen dann private Autokäufer durch Beihilfen und Steuerrabatte zum Kauf von E-Autos animiert werden. Emilewicz sagte aber nicht, welche polnischen Unternehmen daran beteiligt werden sollen.
Wegbereiter Tesla?
"Sind wir in der Lage, einen Vorsprung von hundert Jahren aufzuholen, den die westlichen Länder beim Bau von Autos haben?", so die rhetorische Frage von Minister Morawiecki auf einer Konferenz in Warschau. "Nicht wirklich. Aber wir können einsteigen und auf der vierten Welle wirtschaftlicher Revolutionen reiten, die jetzt anläuft. Das ist unser Moment, das ist unsere Zeit", so der Minister.
Die Regierung folgt damit einem Weg, der von Tesla Motors bereitet wurde. Das US-Unternehmen arbeitet an einem E-Auto für den Massenmarkt, das 31.000 Euro kosten und eine Reichweite von mindestens 340 Kilometer haben soll.
Es bleibt aber einiges zu tun: In den ersten vier Monaten dieses Jahres wurden in Polen nur 44 elektrisch betriebene Autos zugelassen, das sind 0,03 Prozent aller in diesem Zeitraum im Land zugelassenen Autos. In ganz Europa wurden 2015 knapp 150.000 E-Autos auf die Straße gebracht. Hauptgrund für die Zurückhaltung der Polen – wie anderer auch – sind die hohen Kosten und der Mangel an Ladestationen.
Dabei bleibt die Nachfrage nach Autos hoch, und der Import gebrauchter Personenwagen könnte in diesem Jahr die 900.000-Marke überschreiten, schätzt die Beratungsfirma Samar. Nach diesen Angaben wurden in Polen im letzten Jahr 320.000 Neuwagen zugelassen.
Batterien made in Poland
Zachary Shahan, Blogger und Experte für die polnische Industrie, weist darauf hin, dass schon heute 90 Prozent aller Teile für E-Autos in Polen gebaut werden - allerdings betreffen die fehlenden zehn Prozent die Batterien, fügt Shahan hinzu. Rettung könnte hier durch die südkoreanische LG Chem kommen. Im April kündigte das Unternehmen an, man wolle in Polen eine Fabrik für Autobatterien bauen, um die steigende Nachfrage europäischer Autobauer bedienen zu können. Tesla erneuerte im vergangenen Jahr einen Vertrag mit LG Chem über die Produktion von Ersatzbatterien für Tesla Roadster.
LG Chem hat bisher drei Batterie-Fabriken und beliefert mehr als 20 Unternehmen. Durch die geplante Fabrik in Polen würde LG Chem zum weltweit größten Hersteller von Batterien für E-Autos. Die Fabrik soll in Breslau im Südwesten des Landes entstehen. Es gibt bereits eine Anlage von LG Chem im Land, und eine Erweiterung dürfte durch Fördermittel der Regierung erleichtert werden.
Der Website "Hybricars" zufolge könnte die neue Fabrik Batterien für 229.000 E-Autos im Jahr produzieren. Dadurch würde sie zur zweitgrößten Fabrik von LG Chem nach China.
E-car-sharing
Ein weiterer Anstoß könnte derweil von Car-Sharing-Projekten mit E-Autos kommen. Die polnischen Metropolen Warschau und Krakau wollen Car-Sharing-Programme mit jeweils 200 E-Autos auf den Weg bringen. Ein privates Start-up-Unternehmen will Car-Sharing mit E-Autos in Posen, Breslau und Lodz und ebenfalls in Warschau und Krakau anbieten.
Dank Mitteln aus EU-Programmen konnten bereits hunderte von Ladestationen in den größten Städten Polens gebaut werden. In Stettin im Nordwesten des Landes kann man seit Juli von einem regionalen Umweltfonds besonders günstige Kredite für den Kauf von E-Autos bekommen. Der Zinssatz dafür beträgt nur zwei Prozent.
E-Busse für die Städte
Deutlich einfacher dürfte es werden, E-Busse im städtischen Nahverkehr durchzusetzen. Angesichts der relativ kurzen Strecken, die sie zurücklegen müssen, kann man sie problemlos an den Endstationen aufladen, und der Preis ist im Vergleich zu normalen Bussen durchaus konkurrenzfähig. Durch das E-Bus-Projekt soll der öffentliche Nahverkehr in ausgewählten Städten allmählich elektrifiziert werden. Dadurch hofft man, den Markt für E-Busse auf ein Volumen von jährlich gut 600 Millionen Euro bringen zu können.
Die Bus-Hersteller dürfen nach diesen Prognosen mit zusätzlichen Einnahmen in Höhe von 2,5 Milliarden Zloty rechnen. Der Entwicklungsminister sieht hier einiges Potential für Unternehmen, die schon jetzt in Polen aktiv sind, wie Solaris und Volvo, er hofft aber auch auf neue Produzenten wie Ursus und Autosan.
Solaris baut bereits einige vollständig elektrische Busse in Polen. Zusammen mit der indischen JBM-Gruppe will Solaris in diesem Jahr außerdem ein Gemeinschaftsunternehmen gründen, um Fahrzeuge mit alternativem Antrieb, also Hybrid- und E-Busse, für den indischen Markt zu entwickeln und zu vertreiben.
Der erste gemeinsam entwickelte Elektro-Bus "Ecolife" soll in zwölf bis 18 Monaten ausgeliefert werden. Die Busse, die zum Teil auf Solaris-Modellen basieren, werden in JBM-Fabriken in Indien gebaut. Sie fahren mit Lithium-Batterien und haben im Stadtverkehr eine Reichweite von 150 bis 200 Kilometern über einen Zeitraum bis zu 15 Stunden.
Bisher haben polnische Städte alles in allem erst 16 E-Busse gekauft - dabei baute Solaris 2015 als größter Hersteller im Land insgesamt 1.279 Busse, mit Diesel- wie Elektroantrieb. Jedes Jahr werden in den polnischen Städten rund tausend Busse ersetzt.
Allerdings fahren in den Städten insgesamt nur rund 11.000 Busse. Die Regierung setzt also auf das breitere Käuferpublikum, um das 1-Million-Ziel zu erreichen. Ministerin Emilewicz sagte, Kaufanreize ähnlich wie in einigen westeuropäischen Ländern sollten in der laufenden Legislaturperiode bis 2019 in Kraft treten.