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Politik

Amazonas brennt, Brasilia beschwichtigt

1. September 2020

Regenwald roden und gleichzeitig das internationale Image pflegen, geht das? Brasiliens Regierung sendet widersprüchliche Signale aus. Die Umweltzerstörung liegt auf einem Mehrjahreshoch.

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Brasilien Waldbrände im Pantanal
Ein Feuerwehrmann beobachtet die Waldbrände im brasilianischen Bundesstaat Mato Grosso Bild: imago images/Agencia EFE/Getty Images/AFP/R. Florentino

Brandrodungen und illegaler Holzeinschlag haben in Brasilien ein Mehrjahreshoch erreicht. Nach Angaben des Nationalen Instituts für Weltraumforschung (Inpe) stieg die Waldzerstörung im Amazonas im Zeitraum von August 2019 bis Juli 2020 um 34 Prozent gegenüber den zwölf Monaten davor.

Mehr Regenwald wurde zuletzt im Jahr 2008 vernichtet. Außerdem registrierte das Inpe im Pantanal, dem größten Feuchtgebiet der Erde, im Juli 2020 so viele Waldbrände wie seit 22 Jahren nicht mehr.

Entsprechend groß war der Aufschrei unter Umweltschützern, als Umweltminister Ricardo Salles am 28. August verkündete, dass die Regierung den Kampf gegen illegale Rodungen wegen notwendiger Budget-Kürzungen bis auf weiteres einstellen werde.

Zwar dementierte Vizepräsident Hamilton Mourão umgehend und Salles bestätigte, dass die eingefrorenen rund zehn Millionen Euro wieder verfügbar wären. Die Zweifel am Willen der Regierung, die Wälder des Landes zu schützen, dürften damit jedoch kaum ausgeräumt sein.

Wirtschaft hat Vorrang

Die jüngste Ankündigung, das Ibama-Budget zu kürzen, steht im Zusammenhang mit den millionenschweren Maßnahmen gegen die Folgen der Corona-Pandemie: Brasiliens Präsident Bolsonaro will umgerechnet knapp eine Milliarde Euro über öffentliche Aufträge in die Wirtschaft pumpen. Dafür wird der Haushalt an vielen anderen Stellen gekürzt.

Brasilien: Fünf Millionen Jobs weg

Schon im Wahlkampf hatte Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro damit geworben, die wirtschaftliche Nutzung des Regenwaldes wieder auszuweiten. Die beiden Umweltbehörden Ibama und ICMbio, die Verstöße gegen Umweltauflagen kontrollieren, wollte er ursprünglich sogar abschaffen. Unterfinanziert waren die Behörden schon lange.

Nach BBC-Recherchen sank die Zahl der Ibama-Kontrolleure  von 1.311 Beamten  im Jahr 2010 auf 730 Beamte im vergangenen Jahr. Zwar konnten Ibama und ICMbio im Jahr 2019 fast 20 Prozent mehr Geld ausgeben als im Vorjahr. Dieses Plus wurde 2020 aber wieder einkassiert. Für 2021 befürchten Ibama-Mitarbeiter laut BBC einen weiteren Budget-Einschnitt um 20 Prozent.

Freihandelsabkommen vor dem Aus

Die Rekordvernichtung des Regenwaldes hat die internationale Gemeinschaft alarmiert. Mitte 2019 legten Deutschland und Norwegen die Beiträge zu ihren Amazonas-Fonds auf Eis. Im September blockierte Österreich das lang ersehnte Freihandelsabkommen zwischen EU und Mercosur (Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay) unter anderem mit der laxen Umweltpolitik Brasiliens.

Im August dieses Jahres äußerte Bundeskanzlerin Angela Merkel schließlich ebenfalls "erhebliche Zweifel" an dem Abkommen.  Eigentlich hatte sie die Ratifizierung während Deutschlands Ratspräsidentschaft voranbringen wollen.

Auch die Privatwirtschaft hat mittlerweile angekündigt, Investitionen zurückzuziehen, sollten die Rodungen unvermindert weitergehen. Den Anfang machten im Sommer große Vermögensverwalter aus Großbritannien, Frankreich, Norwegen und Finnland.

Infografik - Regenwaldzerstörung - DE

Nun fürchten Unternehmen in Brasilien um den Ruf des Landes - und damit um ihre Exporte. Im Juli forderten 38 Konzerne in einem offenen Brief an Vizepräsident Mourão einen "unnachgiebigen und breiten Kampf gegen illegale Rodung im Amazonasgebiet und anderen brasilianischen Ökosystemen". Zu den Unterzeichnern gehören auch Lebensmittelgiganten wie Cargill und Marfrig sowie der Bergbaukonzern Vale.

Kalkulierter Krach in der Regierung?

Insofern könnte die Episode zwischen Umweltminister Salles und Vizepräsident Mourão eher eine Inszenierung als ein echter Regierungskrach sein, deutet Oliver Stuenkel vom brasilianischen Think-Tank Fundação Getúlio Vargas an: "Salles ist dafür zuständig, den Waldschutz zu schwächen, um die Landwirtschafts-Klientel zu bedienen. Mourão repräsentiert in Bolsonaros Kabinett den Militärflügel und hat den Auftrag, das internationale Image Brasiliens zu pflegen."

Insofern sei die Intervention des Vizepräsidenten eher als eine Beruhigungspille für die internationale Gemeinschaft einzuordnen, meint der Politologe. Dass Salles Posten wegen seines Vorstoßes nun in Gefahr sei, wie in manchen Medien spekuliert wird, hält Stuenkel für unwahrscheinlich: "Salles erfüllt seine Aufgabe sehr gut und wird mit Unterstützung des Präsidenten so weiter machen wie bisher."

Jan Walter Autorenfoto
Jan D. Walter Jan ist Redakteur und Reporter der deutschen Redaktion für internationale Politik und Gesellschaft.