EU ringt um Berichtspflicht zu Konfliktrohstoffen
19. Mai 2015
Gold, Zinn, Wolfram, Tantal: Kein Laptop, kein Mobiltelefon würde ohne diese Rohstoffe funktionieren. Doch viele der Metalle stammen aus Gebieten im südlichen Afrika, in denen es seit Jahrzehnten Kriege und Aufstände gibt. Im Osten der Demokratischen Republik Kongo (DR Kongo) finanzieren sich zahlreiche Rebellengruppen durch den Handel mit den sogenannten Konfliktrohstoffen. Der Zugang zu den Minen ist über die Jahre selbst zum Kriegszweck geworden - die weltweite Nachfrage nach technischen Geräten unterstützt indirekt Mord, Vertreibung und Vergewaltigung in Ländern wie der DR Kongo.
Die Europäische Union (EU) will aus diesem Teufelskreis ausbrechen. Seit Jahren ringt sie um ein Konzept, das die Berichtspflicht zu Konfliktrohstoffen regeln soll, am 19. Mai soll nun das EU-Parlament über einen Entwurf beraten und ihn einen Tag später verabschieden. Der Vorschlag der EU-Kommission sieht vor, dass Betriebe, die Zinn, Tantal, Wolfram und Gold veredeln oder schmelzen, nachweisen müssen, dass die Rohstoffe nicht aus Minen in Konfliktgebieten stammen.
Freiwillig oder verpflichtend?
Michael Gibb geht das nicht weit genug. Er arbeitet für die britisch-amerikanische Nichtregierungsorganisationen Global Witness, die sich zum Ziel gesetzt hat, Verbindungen zwischen der Rohstoff-Ausbeutung und Konflikten aufzudecken und dagegen vorzugehen. "Wir wollen, dass die EU-Parlamentarier für strenge Konfliktrohstoff-Regeln stimmen, die die verantwortungsbewusste, nachhaltige und transparente Beschaffung von Rohstoffen für alle europäischen Firmen verpflichtend macht", so Gibb. Die Verpflichtung sollte nicht nur für Unternehmen gelten, die Roh-Erze oder -Metalle aus den Regionen einführen, sondern auch für solche, die Produkte in die EU importieren, die diese Mineralien enthalten. Global Witness zufolge ist die EU der zweitgrößte Importeur von Laptops und Mobiltelefonen. Ein Nachweis über die Herkunft der dort verbauten Rohstoffe soll dem EU-Entwurf zufolge aber auf freiwilliger Basis erfolgen.
In den USA werden bereits seit 2010 Unternehmen entlang der gesamten Wertschöpfungskette in die Pflicht genommen, also auch IT-Unternehmen, die Gold, Zinn, Wolfram oder Tantal aus der DR Kongo oder den Nachbarländern in ihren Computern verbauen. Abschnitt 1502 des Dodd-Frank-Acts verlangt von US-börsennotierten Firmen, die Herkunft dieser Rohstoffe offenzulegen. Stammen sie aus der DR Kongo oder den angrenzenden Staaten, sind umfängliche Nachweise erforderlich. Sie sollen belegen, dass diese Materialen nicht im Zusammenhang mit Konflikten gewonnen wurden.
De-facto-Boykott durch US-Nachweispflicht
"Die Erfahrungen mit dem Dodd-Frank-Act zeigen, dass für viele Unternehmen dieser Nachweis, woher die Rohstoffe kommen, gar nicht erbringbar ist. Die Wertschöpfungsketten sind dafür zu lang und zu kompliziert", sagt Matthias Wachter. Er leitet die Abteilung Sicherheit und Rohstoffe des Bundesverbands der deutschen Industrie (BDI) und spricht sich für eine freiwillige Nachweispflicht aus.
Tatsächlich habe das Gesetz dazu geführt, dass viele US-Unternehmen die Anforderungen dadurch erfüllten, indem sie Rohstoffe aus der Region der großen Seen um die DR Kongo komplett mieden, berichtet Andreas Manhart. Der Wissenschaftler am Freiburger Öko-Institut ist Mitautor einer Studie, die im Auftrag des BDI die Auswirkungen des Dodd-Frank-Acts untersucht.
Ein de-facto-Boykott kongolesischer Rohstoffe könnte tausenden Menschen die Lebensgrundlage entziehen. Kritiker warnen vor der Gefahr, dass sich die arbeitslosen jungen Männer aus Mangel an Alternativen bewaffneten Gruppen anschließen - und Konflikte im schlimmsten Fall durch das Gesetz nicht beendet, sondern zusätzlich befeuert werden. Doch der Dodd-Frank-Act hat auch viel Positives erreicht: "In der Wirtschaft und der Politik ist es inzwischen ein Riesenthema, woher unsere Rohstoffe kommen und unter welchen Bedingungen sie abgebaut werden und wie man das verändern kann", so Manhart. "Das ist ein ganz großer Verdienst und der macht sich im Moment weltweit bezahlt."
Positivanreize notwendig
Die Diskussion um freiwillige oder verpflichtende Herkunftsnachweise reiche nicht aus, so Manhart mit Blick auf die anstehende Entscheidung des EU-Parlaments. "Was wir brauchen, ist mutiges, verantwortungsvolles Engagement in Konfliktregionen, und das kann man juristisch regulativ nicht erreichen." Denn man könne niemanden zwingen, sich in einer Konfliktregion wirtschaftlich zu engagieren, so der Wissenschaftler. Hier seien andere Instrumente gefragt, hier müssten Positivanreize gesetzt werden. "Dieser Aspekt ist aus unserer Sicht in der momentanen Debatte unterbelichtet."