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Am Ende der Liebe: So überwinde ich den Trennungsschmerz

7. Juni 2024

Der Verlust einer Beziehung kann sich schrecklich anfühlen. Manche Experten raten, sich den Trennungsschmerz in vier Phasen vorzustellen. Das hilft zu verstehen: Trennung ist ein Prozess, der zu Ende geht.

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Symbolbild Trennung
Um eine Trennung zu überwinden und sich wirklich von der Partnerschaft lösen zu können, ist es wichtig, den Schmerz zu spüren.Bild: Robert Kohlhuber/Addictive Stock/IMAGO

Ständiger Streit, eisige Gefühlskälte oder wachsende Gleichgültigkeit. Was sich über Monate - manchmal Jahre - über dem Paar zusammengebraut hat, entlädt sich irgendwann. Es ist das Ende der Beziehung. Vielleicht hast du es kommen sehen, vielleicht fällst du aus allen Wolken. 

Die verlassene Person erlebt eine Trennung anders als die, die geht oder diejenigen, die gemeinsam einen Schlussstrich ziehen. Für viele ist das Beziehungsende erst der Anfang eines schmerzhaften Prozesses. Es geht schließlich um mehr als den Verlust einer wichtigen Person: "Ein ganzer Lebensentwurf ist gescheitert", sagt die Psychologin und Psychotherapeutin Doris Wolf

Die vier Phasen der Trennung

Schock und Fassungslosigkeit werden abgelöst von Kampfgeist und mitunter entwürdigenden Versuchen, den anderen zurückzugewinnen. Trauer, Verzweiflung, Schuldgefühle, Bitterkeit und rasende Wut sorgen für ein schwindelerregendes Gefühlschaos. 

Dieses Chaos ließe sich dennoch sortieren und in bestimmte Phasen gliedern, sagen manche Experten, darunter auch Doris Wolf. "Meiner Erfahrung nach ist es ganz hilfreich für die Betroffenen zu wissen, das ist ein Prozess, den ich durchlaufe und der ein Ende hat."

Die vier Phasen sind:

  • Nicht-Wahrhaben-Wollen
  • Aufbrechende Gefühle
  • Neuorientierung
  • Zukunftsperspektiven

Jede Phase ist durch bestimmte Gefühlszustände gekennzeichnet. Das könne Betroffenen dabei helfen zu verstehen, dass es normal ist, was sie gerade erleben. "Und zu sehen, wenn sie in irgendeiner Phase stecken bleiben und nicht mehr weiterkommen." 

1. Nicht-Wahrhaben-Wollen: Ich kann nicht ohne dich

Du rufst immer wieder an, versprichst, ab jetzt werde alles anders. Du bist plötzlich besonders zugewandt und liebevoll. Sex trotz Trennung? Auf jeden Fall! Alles, um die Beziehung zu retten!

Es sei das Gefühl der Hilflosigkeit und des absoluten Kontrollverlusts, das manche Verlassene dazu treibe, alle nur denkbaren Register zu ziehen, um die Partnerschaft zu erhalten, sagt Wolf. "Die Gefahr, sich in dieser Phase selbst zu erniedrigen, ist sehr groß." 

Die Leugnung der Trennung könne so weit gehen, dass die Verlassenen lieber eine unendliche Geschäftsreise oder eine pflegebedürftige Mutter erfinden, als offen mit anderen über das Ende der Beziehung zu sprechen.

Doris Wolf rät dazu, alle Gegenstände, die an den oder die Ex erinnern, wegzuräumen. Wenn schon der bloße Anblick des Rasierschaums Verzweiflung auslöse, sei es einerseits wichtig, sich zu schonen. Erinnerungen wegzupacken, den Namen vom Klingelschild zu kratzen und anderen von der Trennung zu erzählen hilft auch dabei, die Realität als real zu akzeptieren. Es ist vorbei.

2. Aufbrechende Gefühle: Ich liebe und vermisse und hasse dich

Alles Bitten und Betteln und Anbiedern hat nichts genützt, der geliebte Mensch ist weg. Vor dem, was folgt gebe es kein Entrinnen, sagt Wolf. "Nun kommt der Schmerz, die Einsamkeit, die Angst, die Wut, die Selbstzweifel und die Schuldgefühle." 

Klingt brutal. Ist es auch. Trennungen sind zwar nicht selten, viele Menschen erleben im Laufe ihres Lebens mehrere davon. Trivial sind sie trotzdem nicht. Nicht jeder überwindet ein Beziehungsende, weiß Doris Wolf. Depressionen oder Angststörungen können eine Folge sein.

Damit das möglichst nicht passiert, sei es in dieser Phase zunächst wichtig, die aufkommenden Gefühle zuzulassen, sagt die Psychotherapeutin. Anstatt von sich zu verlangen, vollkommen normal weiter zu funktionieren, sei es wichtig, einen Kanal für die Emotionen zu finden: Tagebuch zu führen, mit Freunden zu sprechen, sich Gleichgesinnte oder professionelle Hilfe zu suchen.

Frag doch! Was ist Liebe?

Emotionen auszuhalten ist wesentlich schwerer als sie einfach zu betäuben. Mit Drogen, Sex oder so viel Arbeit wie möglich.

Wieviel Auseinandersetzung muss sein? Wie viel Ablenkung ist wichtig? Doris Wolf rät dazu, sich jeden Tag bewusst etwas Zeit zu nehmen, um sich den Emotionen zu widmen. Und sich ebenso bewusst darauf zu fokussieren, weiterzumachen. Irgendwie muss das Leben schließlich weitergehen. Dabei kann Wut besonders helfen: "Wut kommt oft erst später und sie ist ein wichtiges Zeichen", sagt Wolf. "Wer wütend ist, will etwas tun und fühlt sich weniger hilflos." 

3. Neuorientierung: Vielleicht geht's doch ohne dich

Plötzlich weißt du, dass das Leben nicht nur weitergeht. Du kannst dir sogar vorstellen, dass es auch wieder schön werden kann. Dir wird klar, wie sehr du deine Freunde während der Beziehung vernachlässigt hast, obwohl sie dir so wichtig sind.

Wut kann dabei helfen, sich wieder auf sich selbst zu besinnen. In den ersten beiden Phasen kreisen alle Gedanken und Gefühle um die verlorene Person. "Jetzt gibt es aber plötzlich Momente, in denen ich vergesse, dass ich getrennt bin", sagt Wolf. 

In dieser Phase stürzen sich viele bereits in die nächste Beziehung. Zu früh, findet Doris Wolf. "Die Aufarbeitung der Gründe, die zur Trennung geführt haben, passiert erst in dieser Phase." Die Gefahr, die gleichen Fehler in der neuen Partnerschaft wieder zu machen sei groß. 

4. Zukunftsperspektiven: Schön, dass du da warst und gut, dass du weg bist

"Die Trennung war das Beste, was mir passieren konnte!" Diesen Satz hört Doris Wolf von Menschen, die sie durch den Trennungsschmerz begleitet hat. 

Die Trennung zu akzeptieren, zu trauern und zu wüten, und schließlich die verflossene Partnerschaft zu reflektieren, kann jeden ehemals Verzweifelten bis zu diesem Punkt führen. Die starken Emotionen sind Geschichte. Und selbst wenn sich manch eine Trennung zwischendurch wie ein schlecht verheilter Knochenbruch anfühlt: Es ist Zeit für ein etwas Neues.

Julia Vergin
Julia Vergin Teamleiterin in der Wissenschaftsredaktion mit besonderem Interesse für Psychologie und Gesundheit.