Feridun Zaimoglu
5. Februar 2010Er redet, redet ohne Punkt und Komma. Ungeordnet sprudeln die Worte, die Halbsätze, die halben Gedanken. Bis sich schließlich eine Aussage herausschält, die sich festhakt. Es ist, als würde man Feridun Zaimoglu beim Denken zuschauen. So entstehen auch seine Romane. "Am Anfang ist das Wirre, das Wilde, das Ungefügte", sagt er. Es beginnt mit einer inneren Unruhe, der vagen Vorstellung von einem Thema, gepaart mit Gefühlen und kleinen Details. Den "heißen Brand" nennt er diese Phase, die mit dem Ende der Recherche abgeschlossen ist. Dann folgt der "kalte Brand", das Schreiben. Ohne eine "Disziplin der Selbstverschwendung" sei das nicht möglich.
Rambo und die Literatur
Nach seinem Debüt mit Kanak Sprak hat Feridun Zaimoglu lange das Image vom Rambo des Literaturbetriebs bedient. Seine Romane und Erzählungen glichen unbehauen Steinen, provozierten mit ihrer von Gewalt und Fäkalausdrücken gespickten Sprache. Die Rolle des Provokateurs gefällt ihm bis heute. Das zeigt auch seine Marotte für Gartenzwerge.
Seit Kindertagen begeistert er sich dafür und besitzt inzwischen an die hundert dieser bunt lasierten Keramikfiguren. Die meisten stehen bei ihm im Arbeitszimmer, manche sogar auf dem Schreibtisch. "Die Farben gefallen mir, ich bekomme gute Laune", sagt er und grinst. Wohl wissend, dass Gartenzwerge als Inbegriff von Spießigkeit gelten. Na und? Feridun Zaimoglu freut sich, wenn ihm die Leute auf den Leim gehen. Sollen sie doch denken, was wollen.
Deutschland, liebes Heimatland
Durch die Gartenzwerge hätte sich seine Wohnung in einen typisch deutschen Ort verwandelt, behauptet er. Er hat keine Lust, sich darüber auszulassen, was ein typisch deutscher Ort für ihn ist. "Was heißt das schon? Da denken doch alle an Schrebergärten, Disziplin und Ordnung - oder soll ich Sie etwa in eine Bäckerei führen", fragt er? Dafür sei Deutschland doch angeblich so berühmt. Feridun Zaimoglu schüttelt den Kopf. Nein, da stellt er sich lieber quer und lädt stattdessen in seine Wohnung ein.
Seit 41 Jahren lebt er in Deutschland, davon 25 Jahre in Kiel. Er liebe das Land und die Menschen. Und den deutschen Humor! Es stimme nicht, dass die Deutschen humorlos seien, sagt er und meint das ernst mit seiner Liebe und sehr konkret. Deutschland sei seine Heimat geworden.
Der Geruch des Meeres
Das Gerede vieler Schriftstellerkollegen, die behaupten, ihre Heimat in Worten, in der Sprache zu finden, hält er für Humbug. "Mit Heimat verbinde ich Gerüche. Das ist viel wesentlicher." Gewiss, das Schreiben sei existentiell, aber Heimat bedeute viel mehr als das. "Heimat hat etwas damit zu tun, wie man den Boden, auf dem man gelebt hat, auflädt mit Trauer, mit Freundschaften, mit Liebschaften. Ich würde immer wieder in den Norden kommen."
Er mag den Wind, die Ostsee und die Menschen dort oben in Schleswig-Holstein und kehrt immer wieder gern nach Kiel zurück. Er raucht noch, trinkt immer noch Nescafé und trägt wie früher schwere Silberringe. Aber die Haare sind kurz geschnitten und von den langen, messerscharf gestutzten Koteletten hat er sich auch getrennt.
Feridun Zaimoglu ist ein rastloser Arbeiter, rastlos wie seine Romanfiguren, die er von Ort zu Ort reisen lässt, immer auf der Flucht und immer auf der Suche nach Liebe, nach Glück. Er hat sich ein Zimmer seiner Wohnung als Atelier eingerichtet und pendelt zwischen Schreibtisch und Staffelei hin und her. Dort malt er ein Bild nach dem anderen, schwarz umrandete stilisierte Landschaften in Öl.
Die neue Muttersprache
Mit seinem Geburtsort, dem anatolischen Bolu, verbinde ihn nichts, sagt er. Dort habe er niemals gelebt. Sein Leben habe er in Deutschland verbracht. Zunächst als Kind einfacher Gastarbeiter, aber seine Eltern seien nicht im "Morast der Vergangenheit" stecken geblieben. Sie hätten sich weiterentwickelt, der Vater habe es bis zum Dolmetscher bei der türkischen Botschaft gebracht. Aber auch von ihm und seiner Schwester hätten die Eltern viel verlangt. Der Umgang mit türkischen Kindern zum Beispiel war ihnen verboten. "Eine harte Maßnahme, aber richtig", meint Feridun Zaimoglu. So hätten sie schnell Deutsch gelernt.
Mit den Eltern spricht er bis heute Türkisch, aber ein Türkisch, über das sich der Vater manchmal amüsiere. Ihm fehle die Geläufigkeit, sagt er, selbst wenn er länger in der Türkei sei. So hat sich nie die Frage gestellt, ob er Deutsch oder Türkisch schreiben soll. "Ich bin kein Autor zwischen zwei Sprachen". Das Deutsche ist ihm zur Muttersprache geworden.
Autorin: Heide Soltau
Redaktion: Gabriela Schaaf