Altkanzler Helmut Kohl ist tot
16. Juni 2017"Wir trauern", twitterten CDU und CSU. Der 1930 geborene CDU-Politiker war von 1982 bis 1998 der am längsten amtierende Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland. Auch der frühere "Bild"-Chefredakteur Kai Diekmann meldete über Twitter den Tod Kohls. Diekmann gilt als enger Freund der Familie.
Seit einem Sturz und Schädel-Hirn-Trauma 2008 war Kohl schwer krank und saß im Rollstuhl. 2015 hatte sich sein Zustand deutlich verschlechtert, nach monatelangem Klinikaufenthalt kam er aber wieder zu Kräften. Im April 2016 hatte er zuhause in Oggersheim Ungarns Ministerpräsidenten Viktor Orban empfangen.
Kanzler der Einheit
Kohl hat Deutschland von 1982 bis 1998 als Bundeskanzler regiert - 16 Jahre, so lange wie bisher niemand vor und nach ihm. Er war Wegbereiter der Europäischen Union und einer gemeinsamen Währung. Als sein größter Erfolg gilt die deutsche Wiedervereinigung. Kohl erkannte nach der friedlichen Revolution in der DDR 1989, dass das Fenster für die deutsche Einheit nur kurz geöffnet sein würde. Unter Hochdruck handelte er mit den Staats- und Regierungschefs der USA, der Sowjetunion, Großbritanniens, Frankreichs sowie den Verantwortlichen der Europäischen Union die Modalitäten dafür aus.
Von 1969 bis 1976 war der geborene Ludwigshafener Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, von 1973 bis 1998 war er CDU-Bundesvorsitzender. Anfang der 90er Jahre war Kohl Ziehvater von Angela Merkel in Bundesregierung und Partei. Wegen einer Spendenaffäre, in die Kohl maßgeblich verwickelt war, forderte Merkel Ende der 90er Jahre als damalige CDU-Generalsekretärin die Partei zur Loslösung vom Übervater auf. Ihr Verhältnis zu Kohl blieb bis zuletzt belastet.
Betroffenheit im In- und Ausland
Der ehemalige US-Präsident George H. W. Bush würdigte Kohl als "einen wahren Freund der Freiheit" und "einen der größten Anführer nach dem Krieg". Bush arbeitete während seiner Präsidentschaft von 1989 bis 1993 eng mit Kohl zusammen. Er war starker Befürworter der deutschen Wiedervereinigung.
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker zeigte sich tief betroffen vom Tod Kohls. "Helmut Kohl war ein großer Europäer und ein sehr guter Freund", teilte Juncker mit. "Ohne Helmut Kohl gäbe es den Euro nicht. Nur drei Menschen, Jean Monnet, Jacques Delors und Helmut Kohl haben für ihre Verdienste für die europäische Zusammenarbeit die Ehrenbürgerschaft Europas erhalten", teilte der frühere luxemburgische Ministerpräsident mit. Das mache den Verlust umso größer – politisch wie menschlich.
Auch Bundesaußenminister Sigmar Gabriel würdigte Kohl. "Er war ein großer Staatsmann, ein großer deutscher Politiker und vor allem ein großer Europäer, der sehr viel dafür getan hat, dass nicht nur die Deutsche Einheit gekommen ist, sondern auch dass Europa zusammengewachsen ist." Das sei Kohls großes Vermächtnis, erklärte Gabriel. "Es ist ein wirklich großer Deutscher gestorben."
Grünen-Parteichef Cem Özdemir würdigte die Verdienste des Altkanzlers. "Bei allem Streit, bei einer Frage haben wir uns immer vor ihm verneigt: Ein großer Europär ist von uns gegangen", sagte er beim Grünen-Parteitag in Berlin. Kohl habe eine Ära geprägt; sein Name stehe für immer in Verbindung mit einem der großartigsten Projekte der Nachkriegsgeschichte: der deutschen Wiedervereinigung.
cr/mak (dpa, afp, rtr)