Alternativer Nobelpreis für Greta Thunberg
25. September 2019Die Kategorien des Nobelpreises haben Jakob von Uexkell nicht gereicht, um die wahren Herausforderungen der Menschheit anzusprechen. Der deutsch-schwedische Schriftsteller und professionelle Briefmarkensammler gründete daher den "Right Livelihood Award", auch bekannt als "Alternativer Nobelpreis".
Die Organisatoren in Stockholm zeichnen seit 1980 jedes Jahr Menschen aus, die sich aktiv gegen Umweltverschmutzung, die nukleare Bedrohung, Menschenrechtsmissbrauch und die Ausbeutung von Minderheiten einsetzen. Die "Right Livelihood Foundation" erhält jedes Jahr mehr als 100 Vorschläge aus aller Welt. Eine Jury wählt dann die Preisträger, die immer im Dezember ausgezeichnet werden.
Bisher ging der "Right Livelihood Award" an 174 Preisträger aus 70 Ländern. In diesem Jahr kommen sie aus der Westsahara, China, Schweden und Brasilien. Sie alle eint der Kampf für Gerechtigkeit, Selbstbestimmung und eine bessere Zukunft. "Wir ehren vier praktische Visionäre, deren Einsatz es Millionen von Menschen ermöglicht, ihre grundlegenden Rechte zu verteidigen und für eine lebenswerte Zukunft auf diesem Planeten zu kämpfen", erklärt die Jury.
"Gandhi der Westsahara"
Schon als Jugendliche wurde sie zur Aktivistin. Seitdem setzt sich Aminatou Haidar mit friedlichen Mitteln für die Unabhängigkeit ihres Heimatlandes Westsahara ein. Die ehemalige Kolonie Spaniens wurde 1975 kurzzeitig unabhängig. Kurz danach annektierte Marokko die Westsahara. Seitdem gehen marokkanische Behörden gegen das indigene Volk der Westsahara, die Sahrauis, vor.
Haidar wurde zum Gesicht einer Bewegung, die sich für die Selbstbestimmung der Sahrauis und die Achtung grundlegender Menschenrechte einsetzt. Sie ist ebenfalls Mitbegründerin und Präsidentin der Menschenrechtsorganisation Collective of Sahrawi Rights Defenders (CODESA). Die Aktivistin organisiert Demonstrationen, dokumentiert Folter und tritt in den Hungerstreik, um auf die Situation ihres Volkes aufmerksam zu machen. Aktionen, die den marokkanischen Behörden nicht gefallen. Haidar landete schon häufiger hinter Gittern - ohne Anklage oder Gerichtsverfahren. Sie verbrachte allein vier Jahre in einem geheimen Gefängnis, isoliert von der Außenwelt.
Unermüdlich kämpft sie für eine politische Lösung des langjährigen Konflikts in der Westsahara und nimmt dafür auch Morddrohungen, Angriffe und Schikanen, auch gegen ihre Kinder, in Kauf. Ihr Durchhaltevermögen und ihr gewaltfreier Protest brachten ihr den Spitznamen "Gandhi der Westsahara" ein.
"Für ihren unerschütterlichen gewaltlosen Widerstand, trotz Gefangenschaft und Folter, im Streben nach Gerechtigkeit und Selbstbestimmung für das Volk der Westsahara" erhält sie den "Right Livelihood Award".
Anwältin für Chinas Frauen
Offizielle Zahlen aus China zeigten im Jahr 2014 zum ersten Mal ein Problem auf, das zuvor totgeschwiegen wurde: In jeder vierten chinesischen Familie schlägt der Mann seine Ehefrau. Zwei Jahre später verabschiedete die Führung in Peking ein Gesetz gegen häusliche Gewalt. Eine Errungenschaft, die auf die hartnäckige Arbeit von Frauenrechtlerinnen und Frauenrechtlern wie Guo Jianmei zurückgeht.
Guo zählt zu den bedeutendsten Frauenrechts-Anwältinnen Chinas. In den vergangenen 25 Jahren haben sie und ihr Team 120.000 Frauen eine kostenlose Rechtsberatung angeboten. Mehr als 4000 Klagen wurden auf den Weg gebracht, um Frauenrechte einzufordern und die Gleichstellung der Geschlechter zu fördern. Sie ist die erste Anwältin des Landes, die hauptberuflich in der gemeinnützigen Rechtshilfe aktiv ist.
Guo unterstützt Frauen auf nationaler Ebene bei Themen wie ungleicher Bezahlung, sexueller Belästigung oder weit verbreiteten Arbeitsverträgen, die Schwangerschaften verbieten. In ländlichen Regionen hilft Guo Frauen, denen Landrechte verweigert werden. Vor allem dort halten sich patriarchalische Strukturen hartnäckig, Frauen sind sehr oft von ihren Männern abhängig. Sie gründete das China Public Interest Lawyer Network. Eine Vereinigung mit mehr als 600 Anwältinnen und Anwälten, die auch Fälle in den entlegensten Regionen des Landes bearbeiten.
"Angesichts der dramatisch zunehmenden Einschränkung zivilgesellschaftlicher Handlungsräume hat Guo Jianmei großen Mut und außergewöhnliche Widerstandsfähigkeit bewiesen", erklären die Organisatoren des "Right Livelihood Award". Guo erhalte die Auszeichnung in diesem Jahr "für ihre bahnbrechende und beharrliche Arbeit zur Sicherung der Frauenrechte in China".
Vereint für indigene Reservate
In Brasilien brennt der Regenwald. Die Welt sorgt sich um die Auswirkungen auf das Klima. Doch zunächst trifft es die Menschen vor Ort. Darauf machen die Organisatoren des "Alternativen Nobelpreises" in diesem Jahr aufmerksam. Sie zeichnen Davi Kopenawa aus, einen der angesehensten Sprecher der indigenen Völker Brasiliens.
Kopenawa gehört zum Stamm der Yanomami, der mit rund 35.000 Mitgliedern zu den bevölkerungsreichsten indigenen Stämmen Brasiliens zählt. Gemeinsam mit dem angrenzenden venezolanischen Yanomami-Gebiet bildet es das größte von einem Stamm bewohnte Regenwald-Territorium der Welt - größer als Griechenland.
Der bekannte Yanomami setzt sich für den Schutz der Rechte, der Kultur und des Landes der Ureinwohner im Amazonasgebiet ein. Die zunehmende Nutzung des Regenwaldes für die Landwirtschaft bedroht nicht nur die Natur, sondern auch die Existenz der Ureinwohner. In den 1980er- und 1990er-Jahren zerstörten Goldminenarbeiter Dörfer, erschossen Menschen und übertrugen Krankheiten. Heute nehmen solche Übergriffe erneut zu.
Kopenawa war maßgeblich daran beteiligt, dass 1992 ein 96.000 Quadratkilometer großes Areal in Brasilien zum Yanomami-Schutzgebiet erklärt wurde. Außerdem spielt er eine entscheidende Rolle dabei, verschiedene indigene Gemeinschaften zusammen zu bringen, um sich gemeinsam vor Ausbeutung zu schützen. Dazu gründete er die Hutukara Assoziation, die unterschiedliche Yanomami-Gemeinschaften vertritt.
"Angesichts des rapiden Rückgangs der Artenvielfalt und der zunehmenden Auswirkungen des Klimawandels ist das Wissen der Yanomami darüber, wie sie ihr Land zum Wohle aller erhalten und nachhaltig bewohnen können, von höchster globaler Bedeutung", erklären die Organisatoren des "Right Livelihood Award".
Auslöser einer weltweiten Bewegung
Die bekannteste Preisträgerin ist sicher die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg. Im August 2018, wenige Wochen vor der Parlamentswahl in Schweden, begann die damals 15-Jährige einen Schulstreik vor dem Parlamentsgebäude in Stockholm. Ihr Ziel: Die Politik zum Handeln bewegen, um die globale Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Sie ist die Stimme einer Bewegung, die den Klimawandel als große Gefahr für die Zukunft ihrer und nachfolgender Generationen sieht.
Millionen Jugendliche weltweit folgten der Schwedin, gingen freitags nicht zur Schule, sondern auf die Straße, um für mehr Klimaschutz zu demonstrieren. Greta Thunberg wurde damit zum Gesicht der weltweiten "Fridays for Future"-Bewegung, die ihren Höhepunkt bei einem globalen Klimastreik am vergangenen Freitag hatte.
Thunberg spricht auf großen Konferenzen und trifft höchste Entscheidungsträger weltweit. Ihre Botschaft ist deutlich: Die Welt muss den Klimawandel anerkennen, die Dringlichkeit der Klimakrise verstehen und entsprechend handeln.
"Ihre kompromisslose Art, den Mächtigen der Welt die Wahrheit zu sagen, findet einen enormen Widerhall", erklären die Organisatoren des "Right Livelihood Award". Thunberg werde ausgezeichnet, weil sie der politischen Forderung nach dringenden Klimaschutzmaßnahmen weltweit Gehör verschaffe.