Alte Wale - gute Gene
7. Januar 2015Grönlandwale leben in den arktischen Meeren von Alaska bis Grönland in Tiefen von etwa 100 Metern, fressen Unmengen Krill und andere Kleintiere und werden so im Laufe ihres langen Lebens bis zu 100 Tonnen schwer. Dass diese Wale besonders alt werden, wissen Forscher seit langem. Wahrscheinlich sind sie mit bis zu 200 Jahren die Säugetiere mit der längsten Lebenserwartung überhaupt.
Bemerkenswert bei den Grönlandwalen ist aber nicht nur ihre Lebenserwartung alleine. Forscher rätseln auch, warum die Tiere selbst in hohem Alter kaum Krankheiten entwickeln. Man vermutete bereits, dass sie einen Mechanismus haben, der sie vor Krebs, Krankheiten des Stoffwechsels, der Nerven oder des Herzkreislaufsystems schützt. Ein großes, internationales Forscherteam von britischen, irischen, koreanischen und US- Wissenschaftlern hat jetzt das komplette Genom entziffert und Besonderheiten bei Genen gefunden, die die Reparatur des Erbgutes und das Zellwachstum beeinflussen.
Auch Gene, die wahrscheinlich wichtig für das Immunsystem oder bestimmte Stoffwechselvorgänge sind, waren anderes als bei anderen Tieren. So hat der Grönlandwal andere genetische Merkmale als der Minkwal, der zwar nah verwandt ist, aber mit etwa 50 Jahren eine wesentlich kürzere Lebenserwartung hat. Ob die jetzt identifizierten Gene allerdings wirklich entscheidend für das lange Leben der Grönlandwale sind, muss noch weiter untersucht werden. Dazu wollen die Forscher Mäuse züchten, bei denen sie bestimmte Gene verändern und denen des Grönlandwales angleichen. Eine Steigerung der Lebenserwartung würde die These untermauern.
Kniffe für ein längeres Leben
"Unser Verständnis der Lebensdauer verschiedener Arten ist noch gering. Die Ergebnisse unserer Untersuchungen geben uns genetische Kandidaten für künftige Studien", erklärte der Biologe João Pedro de Magalhães von der Universität Liverpool der dpa. Seiner Ansicht nach haben die verschiedenen Arten unterschiedliche "Kniffe" für eine längere Lebensdauer entwickelt. "Indem wir die Tricks des Grönlandwals entdecken, ist es uns vielleicht möglich, sie auf den Menschen zu übertragen, um altersbezogene Krankheiten zu bekämpfen", so Magalhães.
Wie wir, nur viel älter
Auch Peter Tessarz vom Max Planck Institut für die Biologie des Alterns in Köln findet es für die Alternsforschung insgesamt sehr wertvoll, dass jetzt das Genom des Grönlandwales bekannt ist: "Dieses Tier ist nicht nur wegen seiner extrem langen Lebensdauer faszinierend, sondern auch, weil es als Säugetier nah mit uns verwandt ist", so Tessarz. Alternsforscher arbeiten sonst oft mit Modellorganismen wie Hefe oder Fadenwürmern und analysieren deren Gene. Schon bei solchen einfachen Organismen gibt es möglicherweise hunderte von Genen, die das Altern auf verschiedene Weise beeinflussen.
"Mit der Veröffentlichung des Genoms der Grönlandwale haben jetzt alle Alternsforscher die Möglichkeit die Gene, die sie für wichtig für das Altern halten, auch beim Grönlandwal anzuschauen und so mit einem langlebigen Säugetier zu vergleichen", sagt der Kölner Alternsforscher. Der Grönlandwal ist allerdings nicht das einzige Tier, das durch genetische Besonderheiten besonders alt wird oder einen Schutz vor bestimmten Krankheiten hat. Nacktmulle, afrikanische Nager, zum Beispiel bilden besondere langkettige Zuckermoleküle, die sie nach aktuellen Forschungsergebnissen vor Krebs schützen.