Alt ist schön: Oktoberfest mal anders
3. Oktober 2014Nicht jeden Besucher des Oktoberfests zieht es unbedingt in die großen Festzelte, wo deutsche Stars und Sternchen ein und ausgehen und Partyvolk aus der ganzen Welt Bierkrüge stemmt, als ginge es darum, eine olympische Disziplin zu gewinnen. Manche Besucher wollen bloß in Ruhe und guter Gesellschaft ihre Maß trinken, ein Brathendl verspeisen und dazu gegebenenfalls ihre komplette Familie mitbringen. Sie sehnen sich nach dem, was die Wiesn früher einmal waren: ein Volksfest, wo es für jeden, ob groß oder klein, etwas zu erleben gab.
Und genau das bieten die Oide Wiesn seit vier Jahren: Die eigene kleine Welt ist durch einen Zaun vom Rest des Festes abgetrennt. Drei Euro kostet der Eintritt, für Kinder ist er kostenlos. Die Oide Wiesn sollten eigentlich nur zum 200. Jubiläum des Oktoberfests 2010 stattfinden. Mit den nostalgischen Volksfestattraktionen, der traditionellen Musik und den historische Gewändern, war der Erfolg war aber so groß, dass die "traditionelle" Wiesn seitdem ein fester Bestandteil in München ist.
Herzkasperl-Festzelt: Der Name ist Programm
Beppi Bachmaier ist mit seinem Herzkasperl-Festzelt seit 2010 auf der Oide Wiesn vertreten. In diesem Kulturzelt wird die bayrische Lebenslust in zahlreichen Darbietungen zelebriert: Hier treten Blaskapellen aus ganz Bayern auf, aber auch junge, progressive Gruppen, die Volksmusik neu interpretieren und auf diese Weise mit anderen Kulturen verbinden. Unter anderem sorgten die Gruppe Polka Potente in diesem Jahr für akustische Überraschungen: "Die Kraft der alpinen Volksmusik lässt sich potenzieren" ist ihr Motto und dem werden sie mit ihren vielen Instrumenten - Geige, Blockflöte, Dudelsack, Zeihharmonika, Bass und Schlagzeug - auch gerecht. Außerdem konnte man bei Beppi Bachmaier die Schwuhplattler, die erste und bisher einzige schwule Schuhplattlergruppe der Welt erleben. Das Herzkasperl-Festzelt steht für Kultur ohne Grenzen.
Getanzt wird im Herzkasperl-Festzelt natürlich auch, allerdings nicht auf den Bierbänken, sondern auf dem Tanzboden oder vor der Bühne. "Unsere Besucher finden es wunderschön, dass man hier tanzen kann, weil es nicht so überfüllt ist", sagt Besitzer Beppi Bachmeier. Er ist Ur-Münchner und war seit Kindesbeinen jedes Jahr auf der Wiesn. Er ist glücklich, dass mit der Oide Wiesn der ursprüngliche Charme des Oktoberfests wiedergekehrt ist: "Was man von den Leuten hört, ist, dass es wirklich an die früheren Wiesn erinnert. Und das ist etwas ganz ganz Besonderes."
Kulinarische Überraschungen
Fürs leibliche Wohl ist auf den Oide Wiesn natürlich auch gesorgt. Hier wird wie in früheren Zeiten das Bier in Steinkrügen ausgeschenkt, den sogenannten Keferlohern. In den sechziger Jahren wurden sie abgeschafft und durch Glaskrüge ersetzt, damit die Gäste sehen konnten, ob es der Schankkellner gut oder schlecht mit ihnen gemeint hat. Allerdings haben die Steinkrüge deutliche Vorteile gegenüber ihren Glas-Pendants: Das Bier bleibt länger kühl - und am Mund fühlt sich das Steingut angenehmer an als das Glas. Im Museums-Zelt der Oide Wiesn gibt es sogar eine kleine Ausstellung über den Keferloher zu sehen, die Florian Dering vom Münchner Stadtmuseum konzipiert hat.
Auch kulinarisch kommt man auf den Oide Wiesn auf seine Kosten. Neben den üblichen Schmankerln wie dem Brathendl, dem Bratwürstl oder dem Brotzeitbrettl, ist man im Herzkasperl-Festzelt experimentierfreudiger: Auf der Speisekarte gibt es eigens eine Seite für Veganer, also für Menschen, die tierische Produkte, Fleisch, Milch und Ei ablehnen. "Mein Sohn ist Koch. Über ihn bin auf die Idee gekommen, ein paar vegane Gerichte auf die Speisekarte zu bringen", erklärt Beppi Bachmaier. Außerhalb der Wiesn besitzt er noch das Restaurant Fraunhofer, wo auch veganes Essen auf der Karte steht. "Wir machen nicht nur bayrische Gerichte, sondern sind immer auch ein studentisches Lokal gewesen", sagt der Wiesnwirt. "Und da ist man immer mit der Zeit gegangen und hat sich auch danach orientiert, was die jungen Menschen auf der Speisekarte haben wollen."
Es muss nicht immer schneller, höher, lauter sein
Zum Abschluss eines Besuchs auf der Oide Wiesn laden zahlreiche traditionelle Karusselle zu einer Fahrt ein: Zum Beispiel der Kettenflieger Kalb, 1919 erbaut und damit das älteste Fahrgeschäfte der Wiesn. Das Kettenkarussell dreht sich zwar nicht in 30 Metern Höhe, sondern nur wenige Meter über dem Erdboden, aber auch das reicht für eine gute Portion Spaß. Oder es stehen Abstecher beim Springpferdekarussell "Evergreen" auf dem Programm, das Kinder und Erwachsene gleichermaßen erfreut, genauso wie das "Calypso" aus den sechziger Jahren. Jedes Fahrgeschäft kostet zudem nur einen Euro: Manchmal muss man da etwas länger anstehen, die historischen Attraktionen haben aber nichts an Anziehungskraft eingebüßt.